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Nieder mit dem Alkohol!

Der Kampf gegen den Alkohol ist nicht von gestern erst; die Weiber waren (wofern sie nämlich nicht selber ein Glas Bier oder auch ihrer mehrere gern trinken oder gar für an süß'n Schnops schwärmen) schon seit urdenklichen Zeiten ausgesprochene Alkoholgegner. Und das ist auch begreiflich; denn wenn der Mann das liebe Geld in Bier, Wein oder Schnaps umsetzt und mit einem Rausch heimgekehrt, vielleicht noch das Weib verprügelt, ist das jedenfalls nicht in Ordnung. Aber auch zahlreiche Männer und Jünglinge verdammen den Alkoholgenuss und enthalten sich dessen. Leider ist aber die Zahl derer prozentual noch immer sehr gering, und es gibt noch viele Individuen, welche sagen: »Sauf' i, muss i sterb'n; sauf' i net, muss ich a sterb'n; also sauf' i.«

Zu den größten Alkoholgegnern gehören natürlich besonders die Ärzte. Diese trinken bekanntlich weder Bier, noch Wein, noch Schnaps. Ausgenommen, selbstverständlich, es muss einmal sein, also z. B. als Schutzmittel gegen ansteckende Krankheiten, oder wenn sie eine Viper beißt, oder siesitzen im Wirtshause.

Bitte, kein Missverständnis! Auch der Arzt will eine Billardpartie zeitweise spielen, oder ein kleines Kartenspielchen machen; man muss auch mit der Bevölkerung in Fühlung verbleiben. Und wo jedermann Bier etc. trinkt, kann man sich doch nicht lächerlich machen und Himbeerwasser oder Buttermilch trinken. Mit den Wölfen muss man heulen; gegen den Strom kann man nicht schwimmen, und »wo alles liebt, kann man allein nicht hassen.« So ist die Sache gemeint!

Also in N. oder O. oder wie der Ort heißt, er liegt einige Kilometer östlich vom Plöckenstein, war anno soundsoviel ein sehr gewissenhafter Doktor, dem es sehr nahe ging, dass seine Klienten so viel tranken, und er dachte darüber nach, wie er diesem Übel steuern könnte. Das beste Mittel zur Erreichung dieses Zweckes schien ihm ein belehrender, wissenschaftlicher Vortrag. Der musste selbstredend gratis stattfinden (sonst kommt niemand) und in der Schule stattfinden, wo es keinerlei geistige Getränke gibt. Ja, und an einem Sonntag musste es sein, weil die Leute an Wochentagen keine Zeit haben zu so was.

Der Oberlehrer war von der Idee, dass der Doktor den Bauern das viele Trinken abgewöhnen will, hell begeistert, und was die Hauptsache war, die Schuljugend, welche auch dem Vortrage beiwohnen sollte, würde gewiss hierdurch mit Abscheu gegen jedes geistige Getränk erfüllt werden. Er half dem Doktor alle Bilder, Diagramme und Tabellen, welche den Vortrag beleben und instruktiver gestalten sollten, an den Schultafeln und den Wänden befestigen. Das gefürchtete »Staberl« avanzierte zum Zeigestabe. Dann hieß es noch, um das Podium Stühle für die Honoratioren aufstellen.

Punkt drei Uhr, der Stunde des angekündigten Vortragsbeginnens, war alles fix und fertig, und gegen vier Uhr kamen die ersten Bauern. Am Lande ist das nicht anders, während in der Stadt die Vornehmen zu Vorträgen, Konzerten, Theateraufführungen etc. bekanntlich auf die Minute pünktlich erscheinen.

Auf den Stühlen saßen in der ersten Reihe der Vorsteher Ebenhofer, der Krämer (zugleich zweiter Gemeinderat) Lux, der Wirt(!) Jessel und der Großbauer Draxler, ferner die Gemeinderäte und der Feuerwehrobmann; in der zweiten Reihe der Gmoaschreiber usf. In den Schulbänken Kleinbauern und Häusler. Es waren aber auch einige Weiber und Mädchen da, doch saßen alle in der letzten Reihe; denn die ging die Sache eigentlich nichts an. Die Schulkinder mussten stehen, jedes, wo es eben einen Platz fand.

Um vier Uhr betrat der Doktor mit dem Oberlehrer, dem zweiten Lehrer und dem »Unterlehrer« das Vortragszimmer, und gleich darauf ging's los.

Nach kurzer Begrüßung der Erschienenen sprach der Doktor erst einige einleitende Worte über das höchste Gut der Menschen, die Gesundheit, und Hygiene im Allgemeinen und kam darauf allmählich auf den Alkohol zu sprechen, seine schädliche Wirkung auf Magen, Darm, Leber, Herz und Nerven, und die Entartung all dieser Organe bei fortgesetztem und übermäßigem Alkoholgenusse, wobei er auf die Abbildungen hinwies. Auf Tabellen waren die bösen Folgen des Suffes in Prozenten verzeichnet, d. h. man konnte aus ihnen ersehen, wie viel Prozent der Säufer die Spitäler, Irrenhäuser, Kriminale und Armenhäuser füllen. Er wies darauf hin, wie viele Familien infolge des Suffes des Vaters oder gar beider Eltern total verarmen, verrohen und verelenden, und wie erbärmlich und ekelhaft ein total Betrunkener aussieht, insbesondere einer, der im Dilirium tremens Schandtaten verübt oder seine Seele aushaucht. Welch entsetzliche Bilder!

Das Auditorium verhielt sich musterhaft, und zahlreiche Zurufe, so die Bemerkung: »Pfui Teufl, so a Schweinerei!« bewiesen nicht nur das Interesse der Zuhörer an den Ausführungen des Doktors, sondern auch den Standpunkt derselben. Selbst der Wirt, der doch von dem Alkohol – den die anderen bei ihm konsumieren – lebte, wiederholte mehrmals: »Jo, so is; der Alkohol is s ärgste Gift, und in dem Tremens haun's alle Gläs'r und Glasl'n zamm, die Bsuff!« Der Großbauer Draxler bemerkte, als der Doktor das »Bierherz« in der Abbildung vorzeigte und besprach, ganz richtig: »Wenn ma dös Herz do betrocht' und mit dem natürlich'n und richtig g'furmt'n vergleicht, wie man's beim Le(b)zeiltnr übroll segt, muss ma scho sagn, doss der Alkohol a Mist is.«

Am eifrigsten und stets zustimmend äußert sich jedoch der Vorsteher Ebenhofer, und das erregte besonders den Doktor und den Lehrern nicht geringes Staunen; wusste doch jedermann, dass der große Schmerbauch des Vorstehers nur von vielem Biertrinken und die rote Gurkennase desselben von lauter Wein und Schnaps herrührte. Es sagte einmal ums andere: »Jo, jo, der Alkohol is schuld an dem gonzn Elend der Menschheit«, und zu seinem Nachbarn Lux bemerkte er: »I begreif' net, doss do der Staat net a d' Prohibitation einführt, wie dös in Amerika und in die Nordpolländer der Fall is.« Das gründlichste Verständnis für die Sache bewies er jedoch am Schlusse des Vortrages, als er dem Doktor für den sehr »instrumental'n« Vortrag dankte und am Ende seiner Rede überzeugungsvoll ausrief:

»Der Herr Doktor hot ganz recht; warum, weil wir brauch'n kan Alkohol, der die Leut' in die Kriminäl'r, die Spitäl'r, die Norrnhäus'r und die Armenhäuseln bringt und d ganz Menschheit ruiniert? I mein net. Und warum net? Weil, was brauchn wir an Alkohol, so lang mir so a guts Bier d hobn und so an rein' Kornschnops? Es tut net Not, doss mir bessere Leut' an Alkohol trinken! Und weg'n dem sog i's no amol:

Niedr mit dem Alkohol!«


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