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Das siebengescheite Hanserl

Der böhmerwäldler Holzhauer (und wohl auch manch andere Böhmerwäldler!) weiß zwischen »Nehmen« und »Stehlen« einen großen Unterschied zu machen, insbesondere, wenn sich's um Bäume und Holz handelt.

»Nimmt« man sich aus den unermesslichen Forsten einen Baum, so ist das »ka Sünd«, überhaupt »gor nix«; denn der Fürst »hot amol z'viel Wald, und der liebe Gott lässt die Bäume für alle Menschen wachsen, ganz ebenso wie Pilze und Beeren. Klebt aber schon Arbeit und Schweiß daran, d. h. hat sich jemand einen Baum gekauft (oder auch nicht!) und diesen Baum gefällt, entästelt, entrindet, in Scheiter zersägt und gespalten und aufgeschlichtet oder Klaubholz zusammengetragen, und nimmt man davon, dann ist es Diebstahl.

Und nachdem den Holzhauern alle Äste und Ästchen (früher wenigstens) ohnehin von Rechtswegen gehörten, hatten sie und haben sie auch heute noch in der Regel mehr Holz, als sie verfeuern können, und man kann es ihnen nicht verübeln, wenn sie diesen »Überschuss« verkaufen. – Das tat denn auch der Sixt'nnikodem von Großhütt'n öfters, und er brauchte zumeist nicht allzu weit zu fahren, um es an Mann zu bringen.

Da war z. B. der alte Wirt Heini gleich anfangs Winterberg, welcher die mit Holz von oben angekommenen Holzhauer sehr oft mit den Worten »Do oblod'n!« abfing. Sehr oft, weil die große Wirtsstube, Küche und Wohnräume das Jahr über ein großes Quantum Holz verbrauchten, und, was ja auch in die Waagschale fiel, das Holzhauerholz billiger war als anderes.

Also der Sixt kam wieder einmal mit einem Handwagerl Holz daher, und als er vor Heinis Haus kam, erschallte vom offenen Fenster des ersten Stockwerkes richtig wiedermal der Ruf »Do oblod'n! Do oblod'n! Do oblod'n!«

Sehr angenehm, dachte sich der Sixt; denn erstens brauchte er auf diese Art nicht erst lange mit dem Holze »umanand hausieren«, zweitens erhielt er da sofort ein Glas Bier zu kaufen und bestimmt auch noch eins geschenkt.

Das Abladen war bald besorgt und das Holz auch gleich darauf geschlichtet. Dann ging er in die große Wirtsstube und setzte sich an den langen Tisch, an welchem schon einige durstige Seelen saßen.

Der alte Heini begrüßte ihn, stellt ihm ein Glas Bier hin, und da er den Sixt'ndominik schon jahrelang kannte, fragte er ihn, was es daheim Neues gebe usw.

»Dank der Nachfrag«, sagt dieser und macht einen gehörigen Schluck. Noch einen, und das Glas ist leer. Stundenweit Holzziehen ist kein Kinderspiel und macht Durst.

Sofort bringt der Heini ein zweites Bier und begibt sich sodann ins Hinterstübchen, wo er für einen der Gäste eine »Kurze« holt.

Schon ist es bald Mittag, die Gäste verlieren sich nach und nach, und nur der Sixt ist noch da, und weil er auf des Wirtes Frage: »Noch eins?« »Na«, sagt, geht der Heini weg und – kommt nicht mehr. Er ging zu Tisch.

Warum kommt der Alte nicht daher? denkt der Sixt. Doch das Geklapper der Teller und Bestecke bringt ihn auf den richtigen Schluss, und er bleibt geduldig sitzen, nimmt sein Brot und ein Stück Speck aus der Rocktasche und hält halt auch Mittag.

Endlich kommt der Heini wieder und denkt sich seinerseits: »Gspaßiger Kerl, der Nikodem, trinkt nicht, zahlt nicht und red't nix und geht auch nicht fort.«

Was soll der Sixt reden. Jetzt wär's ja für den Wirt an der Zeit zu reden und Ordnung zu machen!

So sehen die beiden einander ein Weilchen stumm an. Schließlich wird's aber dem Sixt doch zu dumm, und er sucht nach einem Auswege aus der peinlichen Situation.

Der Wirt direkt zum Bezahlen des Holzes aufzufordern, hält der Sixt für eine Grobheit, also beginnt er diplomatisch: »Ein schön's Holz, net?«

»Was für ein Holz?« fragt der Heini.

»No, i mein' dös Holz wär do(ch) net schlecht?«

»Was für ein Holz?«

»No, wos für a Holz wird's denn sein, dös Holz, wos kauft host.«

Zur größten Verwunderung des Sixt antwortet der Wirt:

»I! A Holz kaft? Von wem denn? Wann denn? Od'r meinst dös Holz, wos i im Auswärts (Frühling) von dir kauft hon? Jo, dös is a recht a Schöns g'we'n.«

Ja, ist der Mann verrückt oder was? denkt sich der Sixt, und ungehalten fährt er den Wirt etwas resch an: »Wer red't denn vom Auswärts? I red' do' von dem Holz do!« und deutet mit dem Daumen nach dem Parterrefenster, vor dem der Holzstoß und das Wagerl stehen.

Auf diese Rede hin reißt der Heini die Augen weit auf und entgegnet: »I? I hätt' a Holz kaft? Jo wann denn und vo' wem denn? Von dir am End? I weiß nix; i hab keins kauft.«

»Himmlsakra«, ruft da der Sixtnnikodem gereizt aus, »host jo af mi' dreimol gschrien: ›Do oblod'n!‹ od'r hobt's dös schon wiedr vergess'n?«

Und nun geht's abwechselnd: »Na, i hob nix vom Oblodn g'red't!« – »Jo!« – »Na!« – »Jo!«; immer hitziger und hitziger wird der Streit.

Mit einem Male aber leuchtet's dem Heini übers Gesicht, und er ruft im Gegenteil zu seiner vorherigen Stimmung belustigt aus: »I, du verdammter Hansl, du!« nimmt den verdutzten Sixtdominik bei der Hand, zieht ihn mit sich ins erste Stockwerk hinauf, reißt die Tür auf und ruft, aufs Fenster deutend, auf dem ein großer Käfig steht, in dem ein Starl sitzt: »Weißt, wer das Holz bestellt hat, der do, der Hansl!« Der Hansl, welcher seines Herrn Ruf: »Do oblod'n!« schon so oft gehört hat und so klug war, den Zusammenhang zwischen Ruf und wirklichem Abladen zu erkennen, hatte, als er den Nokodem und das Holz erblickt hatte, rasch das Holz – gekauft.

Gekauft ist gekauft, ob vom Chef direkt oder durch seinen Prokuristen, ist ganz egal, und so endete die ganze Geschichte noch zum allgemeinen Zufriedenheit; wenn aber der Nikodem wieder einmal mit Holz vorüberfuhr und jemand auf ihn: »Do oblod'n!« rief, fragte er vorsichtiger Weise von nun an immer erst: »Hobt's Ös gruf'n, Wirt, odr bist du's wied'r g'wen, du siebenbscheits Malifizrobnvieh?«


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