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Förster Hanys Rache

Das Trutzessen des Freischlager Jagdausschusses lag – dem nicht dabei beteiligt gewesenen Fürstenwaldler Revierförster Hany gewaltig im Magen. Das klingt wie ein Paradoxon, sintemalen ein Essen sonst nur jenem im Magen liegen zu bleiben pflegt, der davon zu viel genossen hat, und nicht dem, der dabei nur den missvergnügten Zuschauer abgegeben hat. Doch dem freundlichen Leser, welcher unsere vorige Erzählung vom »Letzten Trieb« zu Freischlag gelesen hat, wird es einleuchten, dass obige Behauptung völlig glaubhaft ist. Ebenso ist es ganz klar, dass Hany seines Racheschwures nicht vergaß, wenn man sich die Umstände, unter denen das Trutzessen vor sich ging, vor Augen hält.

Es wäre übrigens dem Förster beim besten Willen nicht gelungen, auf seinen Schwur zu vergessen; denn wie einst Hippias den Perserkönig Darius immer wieder gegen die Athener aufreizte und ihm sein Leibsklave bei jeder Mahlzeit zurief: »Herr, gedenke der Athener!« ebenso sagte der Förster Blechl bei jeder sich ihm bietenden Gelegenheit zu Hany: »Du, die Geschichte mit dem gemausten Hasen muss ›gerochen‹ werden«, und der Heger Stemper raunte seinem Herrn an der Wirtshaustafel öfter einmal zu: »Herr, vergess'n S' sei' net, dass uns die Freischloger Bau'rn no an Hos'n schuldi san!« Beiden Mahnern antwortete der Revierförster einmal wie das andere Mal: »Wird schon gemacht, nur Geduld; kommt Zeit, kommt Rat.«

Der Rat kam Hany eigentlich noch vor der Zeit, weil ihm schon bei dem Trutzessen des Freischlager Jagdausschusses ein dunkler Plan zu einem Racheakte vorgeschwebt hatte, während sich der passende Zeitpunkt hierzu erst nach Jahresfrist einstellte.

Um diese Zeit kamen nämlich die Freischlager zu der Erkenntnis, dass es für sie besser wäre, ihr Revier doch noch der Herrschaft zu verpachten. Die eigene Waldstreu reichte nicht recht, der Jagdpachtbetrag ging ihnen schmerzlich ab, und das Jagdergebnis erwies sich nur für jene Bauernschützen befriedigend, welche treffsicher waren, genügend Zeit zum Jagen hatten und ihre Beute zu verheimlichen verstanden, d. h. ihre Hasen, Rehe usw. im engsten Familienkreise zu verspeisen vermochten. Der Förster Hany hinwieder empfand es sehr störend, dass das Freischlager Bauernrevier wie eine Landzunge in das herrschaftliche Waldmeer hineinragte und infolgedessen Jagd und Bequemlichkeit schädigte. So kam es, dass beiderseits der Wunsch rege wurde, das alte, schöne Verhältnis wieder herzustellen. Der Wunsch wurde endlich zur Tat, und obgleich beide Teile nun einander der gegenseitigen Liebe und Freundlichkeit versicherten, hielt sich der Revierförster Hany doch noch verpflichtet, seinen Racheschwur zu erfüllen. – Es war Sitte, dass die Herrschaftlichen bald nach Abschluss des Pachtvertrages eine Jagd veranstalteten, hierzu den Jagdausschuss einluden und so auch zum »letzten Trieb«, dem Gratisessen samt detto Freibier, und anlässlich der letzten geschäftlichen Zusammenkunft erklärte Hany den Herren Verpächtern in freundlichster Weise: »Wegen des üblichen Gratisschmauses braucht ihr keine Sorge haben; ich werde euch entweder einen Rehschlegel oder einen schöne Hasen von der Paulina zubereiten lassen, diesmal nach Art, wie ihn die Kavaliere lieben, besonders der Baron Hadubrand, das heißt mit Haut-gout, und was das Bier anbelangt, so will ich niemanden daran hindern, davon so viel zu trinken, als ihm schmeckt und dürstet.«

Das gefiel den Bauern; denn das Haut-gout hielten sie für eine besonders schmackhafte, »neumodische« Soße oder eine Art Speckknödel, und die Erlaubnis, nach Durst trinken zu dürfen, war ihnen natürlich auch sehr willkommen.

Das Festessen fand diesmal an zwei Tischen statt. An dem einen saßen die »Herrnleut«, und zwar »zufälliger Weise« fast dieselben vom vorjährigen »Trutzessen«, am andern der Jagdausschuss, auch wieder dieselben Gestalten.

Und wie vor Jahresfrist, öffneten sich auch diesmal wieder die Pforten der Werkstätte der Paulina, und Wirt, Wirtin und Dirn, nebst dem Knecht Hansai erschienen im Saale mit je einem Hasen und je einer mächtigen Schüssel voll Knödel für je einen der Tische, worauf es auch beiderseits alsbald ans Essen ging.

Doch die Rollen schienen heuer vertauscht; die am »Herrentische« steckten die Köpfe zusammen, tuschelten miteinander und kicherten; die am andern Tische aber begannen bedenklich zu schnuppern, als ob nicht alles in Ordnung wäre. Es lag eben etwas »in der Luft«, was – so gestand bald der Obmann des Jagdausschusses seinem Nachbarn – nach einen »Schindanger« roch.

Doch die alte Garde stirbt bekanntlich eher, ehe sie sich ergibt, und so säbelte und löffelte die Gesellschaft links trotz des ganz bedeutenden Aromas mit Todesverachtung in Fleisch und Tunke herum – wenigstens ein Weilchen lang. Bald aber erlahme der Eifer des Jagdausschusses, und der Obmann erklärte: »Monna, mir scheint's, der Hos schmeckt (riecht) a wen'g«, worauf der Nebensitzende rechts: »Imfam a no!« und der Linkssitzende: »Schier net guat wird am dabei«, antwortete.

Von einem Ergeben war natürlich trotzdem noch lange keine Rede, und erst, als sich einige der Tafelrunde übergeben hatten, konnte sich Braunmann nicht enthalten, dem »Festgeber« den sanften Vorwurf zu machen: »Herr, ka Kavalieress'n is dös nie, wej Se uns oans g'hoißn (versprichen) hob'n; der Hos stinkt so, wej d Sch … häusl.«

Doch damit kam der Mann dem Revierförster gerade recht. »Was«, replizierte dieser schlagfertig, »habe ich nicht Wort gehalten? War 's nicht ausgemacht so? Einen Hasen, wie ihn die nobelsten Kavaliere gern mögen, besonders der Baron Hadubrand, einen Hasen mit Ho-gu? Das ist ja eben der Ho-gu, wenns a bissl rich'n tut? Ich bin ein Mann von Wort, und was ich einmal verspreche, halte ich auch, und wer nichts davon versteht, was fein ist, muss eben Reiberknödeln und Sauerkraut essen oder n dü(n)stn Kukuruzbrei mit saurer Milch! Übrigens, meine Herren, ich fühle mich durch diesen Vorwurf beleidigt; wir alle sind beleidigt worden; gehen wir!« Diese Drohung wurde sofort ausgeführt.

Kaum hatten die »Herrenleute« hocherhobenen Hauptes und würdig wie römische Auguren den gastlichen Saal des »Russenhotels« verlassen, erscholl draußen ein Höllengelächter, welches die Zurückbleibenden gar wohl zu deuten wussten.

»Dös wor d'r Roch (die Rache) für den Hos'n vo fehrt'n« (vom vorigen Jahr), resumierte der Obmann der Jagdgesellschaft, fügte jedoch gleich hinzu: »Ob'r weg'n dem (trotzdem) Saufress'n; mir loss'n uns net schwonz'n (nicht zum Narren halten); d'r Jag'r soll seg'n, doss mir a hell af d'r Platt'n san. Mir sauf'n ehm ejz a Rechnung o, dass 'r schwitzet wird, bold 'rs zohlt.«

Doch dem Revierförster Hany waren sie nicht über. Als es zum Gehen oder vielmehr zum Heimwanken kam, forderte der Wirt, den der Revierförster schon lange informiert hatte, von allen die Bezahlung der Bierzeche und erwiderte auf die Einwürfe nur: »Der ›Herr‹ hot nur g'sogt, er will niemand daran hindern, doss a jed's trinkt, so viel an jedn dürsten tuat; vom Zohl'n hot er ob'r ka Wörtl net g'sogt; und wer sei Bier net zohlt, der wird klogt, und noch'r kost's an jed'n no um a poor Guldala mehri!«

Mit Schimpfen und Fluchen zahlten die Bauern nicht nur die Bierzeche, sondern sie mussten in der Folge noch so manches Spottwort seitens anderer Bauern mit in den Kauf nehmen, besonders wenn bei Zusammenkünften im Wirtshause übermütige Burschen an den Wirt die Frage richteten:

»Wirt, hobt's heut koan Hogu?« oder ihn herrisch anfuhren: »Wirt, heut' wird nob'l g'speist, bringts m'r an groußi Portion Hogu!«


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