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Der dritte und letzte Kohlenmeiler.

Wollte ich von meinem Freunde, dem Kohlenbrenner-Naz noch irgendetwas Interessantes erfahren, musste ich mich dazuhalten; denn eben war er daran, den letzten Meiler herzurichten, und sobald der letzte Kohlenhaufen dalag, zog der Naz fort, wohl auf Nimmerwiedersehen. Ich ging also abermals gegen die fünfte Nachmittagsstunde zu ihm hin, sprach erst vom schönen Wetter und ähnlichen Dingen und überging sodann auf jenes Gebiet, welches man das transzendale nennt und in dem der Naz wie kein anderer zu Hause war.

»Was halten Sie von der Drud?« fragte ich ihn unter anderem, um damit auf die Waldgeister, besonders aber die »Wilde Jagd« zu kommen. »Halten Sie das für einen Aberglauben oder für wahr? Wir Städter nennen den so peinlichen Zustand, in welchen man nach allzu reichlich genossenem Abendessen und baldigem Zubettgehen versetzt wird »Alpdrücken«.

»Wos?« versetzte der Naz darauf höchst verwundert, »Se glauben an ka Drud net? Dös is do' ka Oberglaubn net. I bin übrhapts net obrgläubisch, gor net; wenn ma' obr wos selbst drlebt und a poormol no drzu, kimmt ma scho' draf, doss richti so is, wej d' oltn Leut erzähln. Mi' hot d' Drud schon öftr druckt und mei Wie, d' Kreszenz a; mi' amol obr a sou sakrisch, doss i gmoant hon, aus is, hin muss i wer(d)n. Doss i Eng's dös erzähl! Die Soch wor a sou:

Mei Vodr, der Pelsuidr (Pechsieder) Valentin, kriegt am siemundzwanzgstn Setembr an Bub'n – dös heißt – kriegt hotn natürli sei Wei, d' Brigitta; obr dös is olls oans – und do nimmtr mi vor an Dödn (Taufpaten) und losst sogn, am ondrn Tog is Tauf. No jo, konn man jo net wortn mit dem Sakrament, weil, wenn so an Kindei gach versterbn tat, ehs tauft is, wärs a Heid und müsst in d Höll.

Na, konn ma in so an Foll net sogn, war je a Schand für mi und d gonzi Freundschoft; i geh alsdann den ondrn Tog mit in d Kirchn zur Taf, holt dös Kindei übr d Tauf und wej dr Vikari, der Fleischmann (einstiger Dechant in Eisenstein) frogt, wej dös Kindei heißn soll, sog i: ›Gestrn am 27. wor, wie Seiner Hochwürden wissen, im Kalender Damian und a sou muss dös Bübrl holt a Damian tauft wer'n, und doss a ehlichs Kind is, wissen Seiner Hochwürden a.‹ Dös sog i olls wegn dem, weil der Vikari olli ledign Bubn ollweil Odum (Adam) und olli ledign Manschr Eva taft hot, obst ejz Franz oder Marei odr sist an Nom gnennt host. –

Drei Stund hon mir bei dem schiachn Wedr hi' ghot, drei Stund zruck, samr holt af die Ort recht spat hoam kemma. Davor hot obr a der Vedr, eigentla sei Gschwistrundkind (Geschwisterkind) fein afkocht ghot, wos ma ›a kloans Hozetmohl‹ bei üns nenn'n tut. Hots a leicht mochn künnt, weilr si' mitm Schlingnlegn an Haufn Geld vardient hot, gor wann ehm a poor grouß Rehböckln eingongn sand. A rindeni Suppn hots jedsmol gebn, a schweinerni a, a Rindfleisch, a Schwernrns mit Reibrknödln und Kraut, a Bacht (Gebäck), a Bier, hold ellr (sehr viel), und gessn und trunkn hon ir bis af d Nocht. – I leg mi darnach glei nidr und guat is mr gwen. Obr bei dr Nocht kimmt d Drud übr mi! – Dös werns wiss'n, n Leib lossts heraust, den lahnts (lehnt sie) an d Maur on und kimmt als a Tigr odr a Ries' doher odr ols sist wos. Bei mir kimmts als a Bär doher, setzt sie af mei Brust und mein Mogn und würglt mi. I will schrein – i bring nix außa; i möchte n Bärn obaschmeißn – s geht net. Do besinn i mi, doss i derer Trud wos versprechn könnt', doss mi auslosst, und i versprech dem Ludr a schworz' Henn. Af dr Stell stehts ob vo meinr und varschwind. Gschwitzt hon i bei derer Plog – schreckla und gonz schwoch bin i wordn drvo!

Am ondrn Tog kommt obr richti a olts schiachs Bedlwei und tat recht schöi bittn, i möchtr wos schenkn. Aha, denk in mir, scho gut; i woas scho, wer Du bist, Du bist die Trud. Nutzt nix, mussr d Henn gebn, und zaunetr (grinsend) geht's furt, und a poor Johr is mr nimmer ins Haus kema. –

Segns, we' man a so wos selbst erlebn tut und am odern Tog ols a Bedlwei doher kimmt, konn do doch von kann Obrglaubn ka Red san. Net? – Und grod a sou is mitm wildn Jagr und d' wildn Jogd.

A zeih Johr wird's san – s kinn'n a schon zwölfi, drizeih san, hon I mit'm Esterl in Boyrn drent, im Folknsteinr Revier, a weng gjogt. Zwoa Schmolgoas hon mir gschossen, etla Hosn udn Rebhenndln. Nocht wirds, stockfinstr und d' höchst Zeit wirds, doss mir über d Graniz (Grenze) und noch Gsenet kümmn. No jo, erstns hons im Geierhäusl (Diensthütte am Fuße des Falkensteins) d' Schuißerei gwiss ghört und d Boyrn varstehn koan Gsposs net und schuißn uns af n Kantsch (zu Brei) zsamm, wanns uns kriegn; zweitens tuts schon himmlitzn (wetterleuchten) und s konn a Wedr doherkemmn und drschlogt uns am End a no. Obr na, Wedr kimmt koans, obr, obr – wos ondrs kimmt doher, wos Schrecklas!

A Sturm hebt on, wej am jüngstn Tog. Peitschn knolln, Hund belln in der Luft, Hennrgeir schrein, Harro und Hussa schreit dr wild Jagr und blost ei sein Horn; rauschn und pfeifn tuts, sausn und krochn – Herr sei uns gnädi(g)! Nutzt nix, mir müss'n uns af d Erd hinlegn und d Jogd vorbei lossn, sist sand mir beidi hin! –

Wer d wildi Jogd amol drlebt hot, der varlongt si' koani mehr zu erlebn und redt a koan so Unsinn doher, ols ob d' wildi Jogd ner an Obrglaubn war.« –

»Und wie kamen Sie nach all diesem Ungemach wieder heim?« erkundigte ich mich voller Grausen.

»Hoam? Hoam samr jo no net glei grennt; erst samr no Eisntoa und hon dem Luisl im »Ossr« und in die ondrn Hotöllr olls verkaft und herno erscht samr holt – wiedr durchn Wold, a jedr a an ondrn We(g), hoam. –

Schod, doss a schon hoam müssn', weil i kunnt Ehn'n no ellr erzähln und lautr wohri Sochn, weil luign tu i net und hons a net Not, weil i mir in mein Leben grod gnua drlebt hon. Morgn muss i obr wiedr furt, erst hoam zur Kreszenz und mein' drei Kindrn und zwoa Menschrn (die Buben werden als Kinder, die Mädchen bloß als »Menscher« angeführt), und af d' Wochn geh i noch Elisntol zum Schrenkn ins Kohlnbrenn'n. – Pfürt Ehn'n God und bleibns gsund!«

Tief gerührt nahm ich von diesem aberglaubenfreien und wahrheitsliebenden Kohlenbrenner Abschied und verzeichnete in meinem Tagebuche alles, was er mir erzählt hat, möglichst wortgetreu.


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