Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Na, dann freilich!

Man sagt wohl oft: »Der Name hat nichts zu sagen«; das ist aber nicht wahr. Da war anno 1878 ein Rekrut in Klattau, gegen den sowohl der Feldwebel-Rechnungsführer als auch der diensthabende Feldwebel von der ersten Stunde an ein Vorurteil hatten, und zwar bloß wegen seines Namens oder, richtiger gesagt, seiner Namen. Er hieß nämlich Bartholomäus Wendelschläger.

»Sie, Bar-tho-lo-mä-us Wen-del-schlä-ger, hobn denn Sie sich kan längeren Namen nimmr gewusst? Sie sind doch sonst ein einsilbiger Mann; wegen was haben denn Sie sich denn bei Ihrer Geburt net den Namen, wie z. B. Ihr Schlafkamerad, der Max Pai, ausgesucht? Na, grade nur Bar-tho-lo-mä-us Wen-del-schlä-ger! Glauben denn Sie, dass das a besonderes Vergnügen is, wenn man alle Fünffingerlang so an Namen mit neun Silben schreiben muss?«

So hat der eine Feldwebel schon am dritten Tage nach dem Einrücken zu ihm gesagt. Der Bartl hat wohl dagegen eingewendet, dass er sich den Namen nicht ausgesucht hat, sondern, dass er ihm »angeboren« ist; aber das ließen die Herren nicht gelten, wohl aber dem armen Kerl »entgelten«. Der Bartl hat also richtig wegen seines Namens Unannehmlichkeiten gehabt.

Allerdings oft auch wegen anderer Kleinigkeiten, so wegen der »schieberisch« aufsitzenden Schildmütze, wegen Überdiezeitbleibens u. a. solcher Delikte. Und das hat so lange gedauert, bis, bis eben das »Na, dann freilich Ereignis« eingetreten ist.

Mit dem hat sich's aber so verhalten:

Nachdem anno dazumal jeder Rekrut bei der Scheibe 60 Schuss abzugeben hatte, musste auch der Bartl dieser Pflicht nachkommen.

Bei der Scheibe musste der Bartl lange warten, bis er endlich darankam, weil das W. dem Z viel näher steht als dem A.

Also ist er halt gestanden, der Wendelschläger. Aber halt wie!

Der Hauptmann hat dem Feldwebel gesagt: »Schauen Sie sich nur den windschiefen Kerl dort neben der Säule an, wie der dasteht!« Und der Feldwebel hat entrüstet ergänzt: »Zu Befehl, und Bar-tho-lo-mä-us Wen-del-schlä-ger heißt der auch noch dazu, aber es ist mit ihm nichts zu machen, und aus ihm auch nichts.«

»Ist er so blöd?« fragte der Hauptmann wieder.

»Nein«, antwortete der Gefragte, »im Gegenteil, es ist ein geriebener Kerl; aber die Visage und das windschiefe Gestell' ist ihm schon angeboren.« –

Mit der Zeit sind endlich der Wagner, der Weber und der Windirsch darangekommen, und zuletzt auch der Wendelschläger.

Der Korporal hat dem Mann nochmals erklärt, wie man das Gewehr in Anschlag bringt, Aufsatz, Gründl und Korn usw. auch; scheinbar jedoch vergeblich, denn der Bartl hat nur so geschmunzelt zu all den guten Lehren und hat zuletzt noch gesagt: »Werd's scho ausprobieren.«

Da ist aber dem Korporal die Geduld ausgegangen, und er hat trotz Anwesenheit der Vorgesetzten losgedonnert: »Da wird nichts ausprobiert, sondern nur pariert, Sö Probiermamsell, verstanden? Und wenn's nix treffen, passiert Ihnen was, was Ihnen net grad freun wird, verstanden?«

Durch dieses Donnerwetter aufmerksam geworden, erkundigte sich der Hauptmann danach, was da los sei, und nachdem der Korporal stramm »Habt acht!« berichtet hatte, wie »leger« der Wendelschläger die Sache nehme, diktierte der Erstere einfach dem Diensthabenden: »Schreiben Sie dem Rekruten Wendelschläger drei Tage Kasernarrest wegen Frechheit!«

Der Korporal strahlte vor Freude, und der Wendelschläger machte ein saures Gesicht dazu; dann kam endlich doch noch der große Moment, An! Und Feuer!

Puff! ging's los, der Wendelschläger machte die Wendung und meldete: »Infanterist Wendelschläger, Treffer!« und gleich darauf zeigte der Mann beim Kugelfang rechts oberhalb des Zentrums mit dem Zeigerlöffel einen Achter.

»Zufallsschuss!« entschied der Hauptmann und kommandierte: »Weiterschießen!«

Als der Bartl daraufhin ebenfalls einen Achter, doch links unterhalb schoss, bekam die Sache für alle ein Interesse, und bedeutend milder äußerte der Hauptmann zu dem Rekruten: »Na, trauen Sie sich noch einen Achter zu schießen, Wendelschläger?«

Der stellte sich in Positur und erwiderte: »Zu Befehl, o jo, jetzt bin i eingeschossen; jetzt triff ich aufs Blattl!«

»Was meint der Mann?« fragte hierauf der Hauptmann den Feldwebel, und nachdem dieser erklärt hatte, »s Blattl« hieße das Zentrum, rief der Offizier: »Na, wenn's das zusammenbringen, kriegen's den Silbergulden da, Wendelschläger, und der Kasernarrest ist Ihnen auch geschenkt.«

Der »windschiefe« Mann grinste und – richtig, der dritte Schuss saß gleich darauf im Zentrum!

»Der Teufel noch a mal«, kam's da aus des Hauptmanns Munde, »machen's das noch einmal so, dann kriegen's noch einen Silbergulden!«

Nachdem der Hauptmann jedoch nicht so viele einzelne Silbergulden bei sich hatte, um jeden Schwarzschuss honorieren zu können, wandte er sich an den Feldwebel mit dem Befehl, dem Rekruten da das Schützenabzeichen ausfolgen zu lassen, und wandte sich sodann zu dem Wunderschützen selbst:

»Wo sind Sie her?«

»Aus Finsterbachl an der bayerischen Grenz, zu Befehl.«

»Sind Sie Jagdpächter?«

»Nein, i bin ein Häusler.«

»Werden Sie öfter zu Jagden geladen?«

»Nein, niemals net.«

»Also sind Sie Mitglied einer Scheibenschützengesellschaft?«

»Nein, dös bin i a net.«

»Ja, zum Kuckuck, von selbst kann man das doch nicht lernen; wo haben Sie das also gelernt?«

Da erfolgte zum Gaudium aller die prompte Antwort: »Herr Hauptmann, die Sach is ganz anfoch; i bin jo a Wildpratschütz!«

Ganz wie aus den Wolken gefallen, belustigt und entrüstet zugleich, beschloss darauf der Hauptmann sein Interview mit den Worten: »Was, ein Wilderer sind Sie? – Na, ja so! Na, dann freilich!«

Bartholomäus Wendelschläger stand aber trotzdem von Stund' an in Gnaden aller, und selbst die beiden Feldwebeln verziehen ihm großmütig seinen neunsilbigen Namen und ließen ihm das Kappel am rechten Öhrl ungeschoren.


 << zurück weiter >>