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Wie der Herr Pfarrer zu Riedldorf dem hl. Josef einmal ins Handwerk gepfuscht hat

Bekanntlich werden die Ehen im Himmel geschlossen (wenn auch nicht alle!), und der hl. Josef ist daselbst der Generaldirektor des himmlischen Heiratsvermittlungsbüros. Darum wenden sich auch alle Jungfrauen und Witiberinnen, welche gerne unter die Haube kommen möchten, an ihn, und er, das muss man sagen, tut, was er kann. Gewöhnlich gerät's ihm, besonders am Lande, gut, in den großen Städten soll's ihm jedoch manchmal nicht geraten, denn dort gibt es ja auch Damen, welche überspannt sind und denen es selbst der schönste Heilige nie recht tun kann. Sie fühlen sich oft und schon bald nach der Eheschließung »enttäuscht« und beantragen dann sofort Ehescheidung. Übrigens soll es auch solche Männer geben. Na, von uns aus! – Da bin ich aber von meinem Thema abgekommen, und in Riedeldorf kommt so was überhaupt nicht vor.

Es war alsdann einen Tag vor Josefi, und der Pfarrer hatte gerade etwas in der Sakristei zu tun. In der Kirche war vorläufig kein Mensch. Und wie er gerade fort will, hört er die Kirchentür gehen, und wie er durch den Spalt der halboffenen Sakristeitür blickt, sieht er, wie das Annerl vom Erlhäusler direkt dem Seitenaltar zusteuert, auf dem der hl. Nährvater Christi mit den Lilienstabe thront, und dort niederkniet. »Aha«, denkt er sich ganz richtig, »wieder eine, die gern einen Mann haben möchte.« So war es auch, und weil gar keine menschliche Seele außer ihr da war, hat sie ihre drei Vaterunser und den Glauben laut gebetet, und nach dem Amen stand sie auf, schaute dem hl. Josef fest ins Antlitz und gab ihm bekannt: »Den Tischler Ferdl möchte ich haben!« Darauf legte sie noch ein kleines Sträußchen selbst gepflückter Veilchen und Margeriten zu seinen Füßen hin, machte das Kreuzzeichen und ging wieder fort. Dieser Vorgang war ganz korrekt; denn sagen musste man's doch dem Heiligen, um wen es sich handelt; es könnte ja sonst ein Missverständnis geben und so »überhapts« nur einen Mann – das hatte das Annerl noch lange nicht not, weil sie erst zwanzig Jahre alt war und aus ihrem Spiegel immer ein sehr schönes Gesicht herausguckte. Außerdem hatte sie achthundert Gulden bares Geld zu erwarten, und kein Mensch konnte ihr was Schlechtes nachsagen.

Der Herr Pfarrer schmunzelte, ging in den Pfarrhof hinüber zu seiner alten Köchin, der Brigitta und fing mit derer ein kleines Gespräch an. Er fragte sein altes Hausmöbel: »Brigitta, wie alt ist denn der alte Tischler Jakoberl?«

»Der Koberl is z Martini Oanundsechzg gwen«, antwortete die Alte.

»So, so, und der Ferdl?«

»Simundzwanzg.«

»Warum heiratet der Ferdl nicht; der Jakoberl ist doch nimmermehr ganz gesund?«

»Jo, dös is so a Soch. Der Ferdl hät jo scho so a kloans Gschpusi mit der Erlhäusler-Nanni ghot; am Boll obr mussr derer a weng z' keck kema san, und sei hot eahm a Watschn obaghaut, und af dos hin hotrs stehn lossn und nimmer angschaut a net, und seit derer Zeit schaut er ka Moidl net an, die und net die.”

Der Pfarrer wusste nun genug, ging in sein Zimmer und dachte über diese Sache ein wenig nach. Ja, so sind die Leute, erst bandelns miteinander an, aus Zuneigung, dann streiten's miteinander, der Stolz bläht sich großmächtig, ein böses Wort gibt das andere, und zuletzt zerschlägt sich ein Verhältnis, welches zum Guten geführt haben würde. War es da nicht eigentlich seine Pflicht, das zerrissene Band, welches diese zwei Menschenkinder sonst schon fürs Leben verbunden hätte, wieder neu zusammenzuknüpfen? Das Mädchen hing, wie der Pfarrer durch Zufall erfahren hatte, noch immer an dem Burschen, und er, da er seitdem noch mit keiner anderen angebunden hatte, wahrscheinlich ebenso an ihr; doch wie sollten die Zwei wieder zusammenkommen, wenn da nicht abermals ein Zufall, und zwar ein günstiger, mitspielte? Auf den Zufall ist jedoch bekanntlich kein Verlass, und da sollte eben jemand ein wenig nachhelfen. Sollte er das etwa tun? Warum nicht? Eine gute Tat zu begehen, brauchte sich niemand schämen. Aber wie? Er dachte wieder nach, und es fiel ihm zuletzt etwas ein; er konnte ja mit den hl. Josef in Kompanie treten. Und das tat er folgendermaßen:

Er ging zu einer Zeit, da niemand in der Kirche zu sein pflegt, zum Altar des hl. Josef und hielt mit diesem erst eine kurze Zwiesprache: »Heiliger Josef, du, du wirst wohl nicht böse sein, wenn ich dieses dir gewidmete, nun aber schon verwelkte und verschrumpfte Sträußchen zu einem guten Werke in deinem Sinne verwenden will?« Der hl. Josef nickte ganz deutlich, und so nahm denn der Pfarrer das Sträußchen an sich und mit heim.

Selben Tages noch besuchte er den alten Jakoberl, und es gab dort eine zweite Zwiesprache, die vorläufig ebenso geheim blieb. Dann besuchte er auch noch den Erlhäusler, mit dem er ebenfalls ein Wörtl zu reden hatte, und kehrte sodann ganz vergnügt in den Pfarrhof zurück. –

Der Ferdl war nicht wenig verwundert, als er am Samstag den Befehl erhielt, sich abends beim Herrn Pfarrer einzufinden, und sinnierte darüber, wozu das? Um eine Tischlerarbeit konnte sich's nicht handeln, nachdem im Pfarrhofe ohnehin erst vor kurzer Zeit alles instandgesetzt worden war. Oder doch? Für alle Fälle musste er selbstverständlich hin.

Der Pfarrer hieß ihn niedersetzen und begann sodann: »Dein Vater, Ferdl, ist nimmermehr so jung, und es wäre ihm recht, wenn du ein Weib nehmen tätest; auch bist du schon 27 Jahre alt, also gerade in den Jahren, wo es angezeigt wäre, in die Ehe zu treten und, um es kurz zu machen – ich wüsste dir ein braves und sauberes Mädchen.« (Dabei hatte er Mühe, ernst zu bleiben.)

Der Bursche war ganz starr, wurde rot wie ein Krebs und wusste nicht, was er auf diese unerwartete Rede hin antworten sollte. Endlich raffte er sich zusammen und antwortete bestimmt: »Schön Dank, Herr Pfarrer, für die gute Meinigung; aber derweil heirat ich noch nicht, auf kein Fall. I wüsst mir a gar keine, die i möchte, und a jede nimm i net, schon weil ich's ehender kennen und liebn müsst, weil ohne Lieb gibt's auch ka Glück in der Eh'.«

»Ah, bravo«, entgegnete darauf der Pfarrer, »wenn ich dir aber eine wüsst, die du liebst und möchst und die dich auch liebt und möchte? So zum Beispiel das Annerl vom Erlhäusler?«

Doch da kam er schlecht an. Der Bursch sprang auf und sagte: »Mit derer, Herr Pfarrer, ist' s für ewig aus. Ja, ich hab's gern gehabt, recht sehr vom Herzen gern; sie hat mir aber die Lieb'austrieb'n! Wissen's, Herr Pfarrer, bei uns am Land is man freilich net so fein und gebildet, wie wo unter die Herrschaften in der Stodt, und wenn do a Bursch mit sein' Mädl tonzt und sie nachr a bissl herdruckt und ihr a Bussl gibt, so gilt dos do als ka Sünd net und als ka Schand a net. Und wann ihr dös neit recht is, wann's no gor so gschamig is, nochr konns jo Na sogn und meinetwegn a so a wenig hinhaun. Wann's ober ehrn Bubn a Watschn obahaut, doss tuscht und an Bahöl mocht, als wenn' a Baronin-Prinzess wär – dös hots net not und beweist ner, doss sie ehm net mog, doss den net liabn tut! So alsdann steht die Soch, und i sog deretwegn no amol, dös Gschpusi is für mi af ewig aus!« –

Der Pfarrer ließ den aufgeregten Burschen ruhig ausreden, fragte ihn aber noch: »Gut, gut; wenn ich's aber beweisen könnt, dass sie dich liebt und dich zum Manne will?«

»Hat's Ehnen, Herr Pfarrer, das gsagt? Wie ich's kenn, tut sie dös net«, wandte da der Ferdl ein.

Der Pfarrer erklärte daraufhin: »Da hast du recht, und mir hat sie es auch nicht eingestanden – wohl aber dem heiligen Josef in unserer Kirche«, und er erzählte dem hochaufhorchenden jungen Manne alles haarklein, wie sich alles am Vortage Josefi in der Kirche zugetragen hatte, und legte ihm das Sträußchen mit den Worten in die Hand: »Das Sträußerl – sie wird's gleich erkennen, weil auch ›Gansbleamln‹ draunter sind – zeig ihr und sagst dazu: ›An schön Gruß vom heiligen Josef, und es soll olls wieder gut san zwischen uns!‹ Und dann wirst schon sehen, wie sich die Sach' weiter von selber schön ausgeht.«

»Wenn's a so is, Herr Pfarrer, ist's was anderes, und ich bedank mich am allerschönsten vor Ehri Gutheit!« schloss darauf hocherfreut der Ferdl und ging – direkt zur Erl-Annerl. Die erbleichte zwar, als sie ihr Sträußchen erkannt hatte, doch die Rede, die Aufklärung des Geliebten zauberte wieder rote Röschen auf ihre Wangen, und es wurde zwischen ihm und ihr wieder alles, wie es früher war. Eine Strafe musste sie jedoch über sich ergehen lassen, der Ferdl sagte ihr noch beim Abschied: »Obr dös merk dir, Annamirl, a Watschn darfst mir nimmer obahaun, auf kann Foll net, ho i recht oder net; weil wannst jetzt schon so anfangst, wej war's dann erst im Ehstond, und a Weib, dos sein Mo schlogn tut, bringt ner Unglück in selbn Ehestond!«

»No, und bussln darf i di'?« fragte sie schelmisch darauf. Da sagte er nicht nein und – sie probierten's auch gleich.


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