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Wie der Hammerschmied Strunz aus Außergefild auf die Trommel kam

Der Pfarrer M… in Stubenbach war ein unansehnlicher Mann, aber ein sehr kluger, lieber, friedfertiger Mensch, dem jeder Klatsch und Streit in der Seele zuwider war. Kam ihm jemand mit derartigem, pflegte er immer zu sagen: »Eh gut, eh gut, wird net so arg sein; wer weiß, ob's wahr is«, und ließ den Ohrenbläser einfach stehen.

Dabei war er ein ausgezeichneter Prediger und verstand es, den Leuten ohne viel Geschrei ins Gewissen zu reden. Im Privatverkehr war er sehr witzig, und wenn er schon auch manchmal spöttelte, so war doch der gewiss berechtigte Spott niemals bösartig. Ein Beispiel davon. Ein Forstadjunkt, welcher aus einem kleinen Städtchen stammte, war auf den Aufschwung, welchen seine Vaterstadt nahm, sehr stolz und übertrieb nicht selten bei der Schilderung dieses und dieser gewaltig.

Einmal wieder von einer heimatlichen Urlaubsreise zurückgekehrt, erzählte er von den großstädtischen Einrichtungen des neuen Hotels daheim und sagte unter anderem: »Und überall haben's jetzt Teppiche darin, im Vorhaus, auf den Stiegen, in den Gängen, bis … »Ins Sch-Häusl affi«, ergänzte der Pfarrer launig. Noch eins. Der Adjunkt ritt wieder einmal sein Steckenpferd und sagte dabei von seiner Vaterstadt: »… und hebt sich ganz gewaltig; die neuen Häuser werden immer größer, die Anlagen, …« »Und die Misthaufen erst!« setzte der Pfarrer, welcher wusste, dass in N. noch vielfach Viehhaltung betrieben wurde, dazu. –

In seiner Jugend war er in Außergefild als Pater tätig und schloss dort mit dem gleichalterigen Hammerschmied Strunz Freundschaft.

Diese Freundschaft blieb auch weiter bestehen, nachdem M. als Pfarrer nach Stubenbach gekommen war, und sooft der Strunz in Geschäften, also zumeist zur Jahrmarktszeit, nach St. kam, war er des Pfarrers Gast, und, umgekehrt war der Pfarrer einmal an kirchlichen Festtagen in Außergefild, versäumte er es nie, seinen Freund Strunz aufzusuchen.

Einmal, zu Prokoppi war es, dem Kirchweihfeste der Stubenbacher Pfarre und zugleich Marktzeit, kam der Strunz wieder mit seinen vortrefflichen Sensen u. a. Sachen nach St. und bot sie dort feil. Er selbst überwachte eigentlich nur den Verkauf; denn er hatte seine Leute dazu. Natürlich war er vom Pfarrer M., wie immer aufs Freundlichste zum Mittagessen eingeladen worden. Nachdem aber der Strunz erfahren hatte, dass auch mehrere ihm ganz fremde Persönlichkeiten bei der Tafel zugegen sein würden, ließ er sich unter irgendeinem Vorwande entschuldigen und ging nicht hin.

Das war dem Pfarrer aber durchaus nicht recht, und er sandte deshalb wiederholt Boten um den alten Freund. Um endlich einmal Ruhe zu haben, versteckte sich der Hammerschmied in einem Zimmerchen des »Auerhahnes« und verbot dem Wirte Wudy, sein Versteck neuen Boten zu verraten. Also war der Hammerschmied mit einem Mal unauffindbar verschwunden.

Was tat da der schalkhafte Pfarrer!

Mit einem Male erschien der Gemeindebote »Einhantl« (er hatte nur einen Arm), mit seiner Trommel mitten am Ortsplatze, schlug – so gut das mit bloß einem Schlägel möglich war – einen Wirbel und verkündete mit lauter Stimme: »Es wird bekannt gegeben, dass der Herr Hammerschmied Strunz aus Außergefild, 43 Jahre alt, großer Statur, mit einem braunen Rock und gleicher Hose bekleidet, verloren gegangen ist. Wer denselben Herrn wo finden sollte, wird ersucht, ihn im Pfarrhofe abzuliefern!« Neuer Wirbel, und dann geht das Austrommeln 20 Schritte weiter von Neuem vor sich.

Im Pfarrhof stehen die Geistlichen, und die anderen Gäste im Pfarrhofgarten halten sich die Bäuche vor Lachen, und auch die Marktleute und die Stubenbacher Eingeborenen machen es nicht viel anders. Man errät, dass der Pfarrer diesen Streich ausgeheckt hat; aber es könnte ja auch jemand anderer gewesen sein; denn verlorengegangene Sachen wurden sehr oft in den Pfarrhof gebracht, damit der Verlust von der Kanzel verkündet werde.

Der Strunz sitzt derweile in süßer Ruh in seinem Kämmerlein und denkt sich: »Sucht's nur; mich findt's net!«

Da kommt der Wudy zu ihm hereingestürmt und ruft: »Strunz, austrummelt wirst! Geh her und schau selber!« Nicht schlecht erschrocken, eilt dieser ins Nebenstübel zum Fenster und sieht und hört, wie da unten verlautbart wird: »Es wird soeben bekannt gebeben, dass …« usw.

»I, Du schlechter Kerl«, wettert da der Hammerschmied. Doch, da er einsieht, dass das Getrommel und Ausschreien nicht eher ein Ende nehmen wird, als bis er zu Kreuze kriecht, kommandiert er den Wirt, dem »Einhantl« bekannt zu geben, dass sich der Herr Strunz gefunden hätte und sich selbst in den Pfarrhof begeben werde. Durch die Hintertüre des Gasthauses, ums Dorf herum, gelangt denn auch der Hammerschmied endlich in den Pfarrhof, woselbst er mit Halloh empfangen wird. Sehr höflich war der Willkommensdank des empörten Hammerschmiedes gerade nicht; das gute Essen aber, die guten Getränke, die gemütliche, heitere Gesellschaft versöhnen ihn aber bald wieder, und bald ist er selbst einer der Lustigsten unter den Gästen. – Ja, der Pfarrer, Gott hab' ihn selig, das war ein Manderl! Und auch die Zeit damals, wo man sich so etwas erlauben durfte, war eine andere! Schade um sie! – Ob sich der Strunz nicht gerächt hat? Freilich, per Korrespondenzkarte noch dazu, und das war so.

Im nahen bayerischen Städtchen Zwiesel weilten bald darauf einmal eine russische Prinzessin und ein Elefant. Weiß Gott, wie die Prinzessin hinkam; der Elefant aber mit einer Menagerie. Der Pfarrer von M. erfuhr davon und beschloss, da er noch nie einen Elefanten und noch weniger eine russische Prinzessin gesehen hatte, sich beide anzuschauen, und machte sich zu diesem Zwecke mit dem Kirchendiener Stengel, welcher einen »kürzeren« Weg wusste, auf den Weg. Stengel verirrte sich aber in dem ungeheuren Grenzwald, Herr und Diener mussten im Wald übernachten und waren am anderen Tage froh, wieder heimzufinden, doch ohne Zwiesel, den Elefanten und die russische Prinzessin zu Gesicht bekommen zu haben. Die Sache kam heraus, und der Pfarrer hatte in der nächsten Zeit darunter zu leiden. Freilich erklärte er: »Ob i das langnasete Viech und die russich' Schat'l seh oder net, is mir Wurst«; es war aber doch nicht ganz Wurscht. Besonders aber ärgerte es ihn, als der Strunz (der auch davon erfuhr) ihn per Korrespondenzkarte einlud, nach Außergefild zu kommen, um von dem Zwiesler Elefanten und der russischen Fürstin zu erzählen. Diesmal sagte er: »I, Du schlechter Karl!« –


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