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Ein paar Geschichtlein von den »Krohbergern«

Ich weiß nicht, warum die Eisensteiner anno dazumal so einen Zorn auf ihre Nachbarn, die Krohberger, gehabt haben, dass sie ihnen solche »Mahrln« (Märchen) angedichtet haben; ich weiß nur, dass mir Eisensteiner die Sachen so erzählt haben, wie ich diese im Folgenden wiedergebe. Ich halte diese Erzählungen alle für erstunken und erlogen; denn ich habe dazumal, als ich in Neubrunst – (auch Ascherlhütte genannt) – als junger Lehrer war, auch Krohberger Kinder in meiner Schule gehabt, und diese waren sehr liebe und gescheite Kinder. Und nachdem ich damals auch die Eltern dieser Kinder persönlich als kluge und brave Leuten kennen zu lernen Gelegenheit hatte, bleibe ich dabei, die Geschichten sind erstunken und erlogen.

Ich wasche also diesbezüglich meine Hände in Unschuld und lade Schuld und Sühne auf die Häupter meiner Gewährsmänner. Diese also erzählen wie folgt:

Wie vor 100 oder 150 Jahren der Nikodem mit seiner Agerl aus Bayern herein auf den Krohberg gekommen sind, hat's dort noch keine anderen Leute gegeben, nur Wald, Wald und wieder Wald.

Natürlich haben sich die Ansiedler nach einem Stammhalter gesehnt und haben wegen dem fleißig zu heiligen Storchius gebetet. Aber lange Zeit hindurch war alles Beten vergeblich; es kam kein Bub daher. Damit aber die mitgebrachte Wiege nicht alleweil so ganz leer stehe, hat die Agerl in ihrer Verzweiflung ein buchenes Scheit in die Wiege gelegt, hat diesen Tremmel fleißig gehuscht und dazu gesungen:

»Haja, popeia, schloferl schöi ein;
Die' Vodr wird scho' kemma und wird dir scho' schrein.«

Lang hat's gedauert, neun Monate lang; aber einmal in der Nacht – macht's einen »Quigrzr« in der Wiege, und die Not hatte ein Ende: der erste, richtige, eingeborene Krohberger war da! Ein fester Kerl, stark wie ein Bär, und wenn der zu brüllen anfing, hat man ihn bis in Eisenstein unten hören können. – Mit der Zeit sind der Leute in Krohberg oben mehr geworden, doch hatten sie alle die Untugend, dass, wenn sie etwas sehen wollten, »s Mäul« gewaltig aufrissen. Waren wirklich der Meinung, dass man mit dem Maul sieht und die Augen nur als Gesichtszierde vorhanden wären.

Einmal kommt ein Krohberger Büberl nach Eisenstein herab, will gern über die Kirchhofmauer schauen, stellt sich auf die Zehenspitzen und streckt den Hals recht, damit er seinen Mund über die Mauer bringe und solchermaßen den Friedhof übersehe. Vergeblich; doch, o Wunder – er sieht trotzdem alles, und diese Entdeckung entringt ihm der Ausruf: »Jessasmarandundjosef, ma' segt jo mit die Aug'n a!«

Von ihm haben denn auch die anderen die Wundermäre vernommen, und seit dieser Zeit reißen die Krohberger nicht mehr den Mund so weit auf, wenn sie etwas sehen wollen. –

In der Mathematik waren die Krohberger auch nicht recht beschlagen, solange es keine Schule und keinen Schulzwang gab. Kommt einmal ein »Graner« (Krainer, Hausierer) zur Petronella auf den Krohberg hinauf und zeigt ihr allerlei schöne Sachen, darunter auch ein geblumtes Kopftuch mit großen roten und blauen Rosen. Das sticht ihr in die Augen, und sie fragt, wie viel es kostet. Sagt der Graner drauf 30 Kreuzer.

»O jegerl na«, sagt die Petronella auf das hin, »dös is mir zu teuer; 30 Kreuzer gib i nit; – fufzg (50) geb i Eng davor, wenn's Eng recht is.« Der Graner ist ein guter Mensch und gibt sich auch mit 50 zufrieden; weil aber die Petronella das Geld nicht auseinanderkennt, hält sie dem fremdem Manne die offene Hand mit all ihrem Kleingeld hin, und er muss sich seine 50 Kreuzer selbst aus dem Geldhäufchen herausklauben.

Die Petronella hat eine Riesenfreude über den billigen Kauf, wie sie aber dem heimgekehrten Ehemanne davon erzählt, gibt der ihre einen Stoß in die Rippen und schreit sie an: »Depp, damischr, dös Teichl hättst, wenn's g'handlt häst, um 60 Kreuzer a hobn könn't! Handln mou ma!«

Noch eine heitere Geschichte, insofern wenigstens, als sie mit dem zweiten Türkenkriege anno 1683 – allerdings nur sehr lose, zusammenhängt: Nachdem die Türken die Weanrstodt in diesem Jahre bekanntlich schon zum zweiten Male vergeblich belagert hatten und total aufs Haupt geschlagen wurden und in wahnsinniger Flucht ihr Heil zu finden suchten, hatten sie nicht mehr Zeit genug, alle ihre Schätze und Vorräte mitzunehmen, darunter auch etliche hundert Säcke Kaffeebohnen. Ein gewisser Koltschitzky soll die Säcke an sich gebracht haben und damit in Wien ein Kaffeehaus errichtet haben. Es muss aber über 100 Jahre gedauert haben, ehe der Genuss des Kaffees in Europa auch nur halbwegs allgemein wurde. Wann die »Kaffeesuppen« bei der alten Annamirl am Krohberg ihren Einzug hielt, weiß man nicht genau; die Eisensteiner behaupteten, so um 1850. Sei dem, wie es sei; es war zu Ostern einmal, als die Annamirl den löblichen Entschluss fasste, ihre Leute mit einer Kaffeesuppe zu überraschen. Sie kaufte schon am Karfreitag in Hapatitz (Hartmanitz) beim Blochen ¼ Pfund ungebrannten Kaffee, und der erklärte ihr, dass man ihn mit Milch und recht viel Zucker bereiten müsse.

Also warf sie am Ostersonntag zeitlich früh die (grünen!) Bohnen in einen großen Hafen süßer Milch, tat ein großes Stück Zucker hinein und kochte das Ganze fleißig.

Die verdammten Bohnen wollten aber absolut nicht weich werden, und es ist schon Mittagszeit, und sie sind noch immer nicht weich. Na, wer gute »Zähnt« hat, wird's schon kleinkriegen, denkt sich die Alte und serviert halt die Kaffeesupp'n mittags in einer großen Schüssel, aus welcher ihn alle heraus löffeln sollen.

»Esst's ner, esst's ner«, eifert sie ihre Leute an, »dös is wos Rar's, wos Feins, a Herr'ness'n und kost' an Ha(u)fn Geld«, und legt jedem ein Trumm Zopf (Stritzel) hin.

Die Leute langen mit ihren Blechlöffeln in die Schüssel und kosten begierig von der neuen »Speise«, aber, so süß sie auch ist und so gut auch die Milch ist – die Gesichter werden immer länger und das »Gschau« der Leute immer dümmer. Endlich wagt der Blasius zu bemerken: »Wos sand denn dös vor greene Stoanr, die koa do(ch) ka Mensch net zrbeißen; die muss ma jo als Ganzr schluckn? Na, Guts ist dös nix; do is mr a sauri Suppn scho lejbr.” Und bald gibt es nur eine Stimme: »A törrische Mod'! So a Glump! A so a Schwindl! Schod ums Geld davor!«

Und es hat noch ein paar Jahrl'n gedauert, bis die Krohberger darauf gekommen sind, wie man den Kaffee macht, – sagten die Eisensteiner.

Doch, wie schon oben gesagt – glaube das alles, wer will, ich nicht! –


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