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Der Kohlenbrenner-Naz und der Teufel

Einen Kohlenbrenner wenn ich einmal sehen könnte! Das war schon längst mein sehnlichster Wunsch, und in meiner Phantasie stand er vor meinem geistigen Auge genau so, wie ich den Rübezahl als solchen in Märchenbüchern gesehen hatte, mit mächtigem, bis Leibesmitte reichendem Barte, berußtem Gesichte, eine Schaufel in der Hand. Lange blieb mein Sehnen vergeblich; einmal sollte mir das Glück aber doch blühen. –

Wenn man von Eisenstein kommend, auf der Straße gegen Hartmanitz bis zu dem einsam stehenden Rohrbacherwirtshaus kommt, zweigt da ein Straßl links nach Neubrunst (die »Ascherlhütte«) ab. Sie führte durch lauter Wald, und auch der Hüttenort selbst war ringsum von Wald eingeschlossen. Da, wo man kurz vor Ortsbeginn mit einem Male die ganze Hüttenanlage samt den dazu gehörigen Feldern und Wiesen erblickte, war linkerhand ein ebener, planierter Fleck, dessen Bestimmung mir bisher unbekannt war. Als ich aber einmal bei meiner Heimkunft aus Eisenstein diesen Fleck im Halbkreise von einem langen Holzstoße umrahmt fand, während das für den Hüttenofen bestimmte Holz anderwärts aufgestellt war, fragte ich die »Pistin«, welche mich bediente, wozu das Holz am Wegende bestimmt wäre, und diese sagte mir, hier würde der Kohlenbrenner-Naz von morgen angefangen Kohlen brennen.

Ha, endlich einmal sollte in Erfüllung gehen, was mich schon durch Jahre bewegt hatte; ich sollte einen echten und wahren Kohlenbrenner, diese sagenumwobene, schauerlich-romantische Gestalt der tiefsten Waldesgründe von Angesicht zu Angesicht kennen lernen, sprechen und »ausholen« zu können, Gelegenheit haben!

Aber trau, schau, wem; wer weiß, ist so ein Waldmensch zugänglich und nicht menschenscheu und verschlossen. Und wie sollte ich mich dem Manne nähern, ein Gespräch mit ihm einfädeln und reden, dass es ihm passt?

Also pürschte ich mich ihm vorläufig nur an und beobachtete vorläufig nur aus respektvoller Entfernung sein Tun, wobei ich auch sein Äußeres beaugapfelte.

Einige Ähnlichkeit mit Rübezahl war unleugbar vorhanden. Der schmierige Filz, das schwarze, finstere Gesicht, der schmierige, lange Rock, die dunkle, schmierige, weite Hose stimmten; der Bart war aber nicht so lang, dafür struppig, und in der Hand hielt er – vorläufig wenigsten – keine Schaufel, sondern ein etwa drei Meter hohes, abgeästetes und abgerindetes Bäumchen, welches er eben in ein Loch im Mittelpunkte des planierten und abgekehrten Rondells zu versenken und festzukeilen bemüht war. Dann lehnte er um den Baum herum eine Anzahl große Holzscheiter, hierauf einen zweiten Mantel usf., bis dieser vielfache Mantel einen gewissen entsprechenden Umfang hatte. Dann kamen oben hinauf neue Scheiter usw., bis der »Meiler« die gewünschte Höhe und den nötigen Umkreis hatte und solchermaßen einen parabolischen Holzbau bildete. Unten ließ der Naz einen Kanal bis zum Zentrum frei. Dann bedeckte er den ganzen Haufen mit Reisig und (als letzten Mantel) mit Erde. Hierauf kam ein gar ernster und weihevoller Akt: Der Köhler kniete sich vor dem Meiler nieder und betete ein Vaterunser, damit das Werk gelinge; denn wehe, wenn der Mantel schlecht gebaut wäre, die Luft zu viel Zutritt hätte, der Mann bei Nacht zu lange schliefe und früh anstatt pechschwarzer Kohle ein großer Haufen – Asche da läge!

Zuletzt befestigte er an einer langen Stange ein mit Pech getränktes Strohbündel, zündete den Buschen an, schob das Ganze durch den Kanal bis zur Stange, wartete, bis es im Innern zu brennen anfing und verwarf endlich auch den Zugang zum Innern des Meilers mit Erde.

(Von nun an hieß es Tag und Nacht aufpassen, dass keine verräterische Flamme aus dem Meiler schlage und das Holz mangels Luftzutritt bloß verkohle, nicht aber verbrenne. Da heißt's eben fleißig um den Meiler herumgehen, da zudecken, dort mit Wasser ein vorwitzig aus dem Mantel empor züngelndes Flämmchen niederringen und die Lücke gut verwerfen usw.)

Jetzt war der große Moment gekommen, wo ich dem Manne näher treten konnte, und ich tat es.

»Grüß Gott!« grüßte ich.

»Grüß God a!« antwortete er mürrisch, und dann ging's weiter:

»A schöner Tag heut', net?«

»Von mir aus!«

»Besser ist's doch, als wenn's recht regnet.«

»Von mir aus, regnts odr regnts net.«

»Wenn's nix dagegen habt's, setze ich mich ein bissl zu Ihnen her.«

»Von mir aus.«

Sehr einladend und vielversprechend war dieser Anfang nicht; aber ich war nicht so dumm, wie ich aussah, und hatte in Voraussicht der Dinge, die da kommen sollten, schon meine Vorsichtsmaßregeln getroffen. Ich zog aus meiner rechten Rocktasche meine Pfeife, aus der linken ein frisches Packel Kommisstabak heraus, stopfte und zündete an. Auf den neidigen Blick des Kohlenbrenners hin fragte ich: »Raucht's a gern an Kommiss?«

»Hm, freili; wer wird denn net an Kommiss mögn.«

Aha, dachte ich mir, beißt schon an, und ein zweites Packel hervorziehend, reicht ich ihm's hin und verehrte es ihm.

Erster Schmunzler und ein »Vergelts Gott«.

Nachdem er angestopft und angebrannt und einige dichte Rauchwolken in die Luft gepafft hatte, getraute ich mir schon eine unschuldige Frage.

»Was mir grad einfällt, man sagt, kein Kohlenbrenner fürchtet den Teufel. – Habt Ihr schon einmal einen gesehen?«

»Wär net schlecht. Mehr als hundrtmol.«

»Gredt auch mit ihm?«

»Wär net schlecht; und zum Norrn gholtn a, und zitiert a scho.«

»Das müssen's mit erzählen.«

»Davon red i net gern.«

Also ein Mittel zum Zungenlösen her, denke ich mir; greife in die innere Brusttasche und entnehme ihr eine Flasche Kirschschnaps, von dem ich gleich die Hälfte in das Blechhäferl schütte, welches daneben an einem Ast hängt, und offeriere ihm das Labsal.

Der gute Mann sieht mich von der Seite an, als wollte er sagen: Du Spitzbub, du Gauner! Dann greift er aber doch nach dem Haferl, sagt wieder »Gelts God« und leert es auf einen Zug aus. Und in Anhoffung des Restes in der Flasche beginnt er ohne jede weitere Frage oder Nötigung:

»Alsdann, wenn's schon sein muss; zutragen ho si' die Sach a so. Wer(d)n jetz so 30 Jahr sein, hon i zwischen Gfüld (Außergefild) und Bucha (Buchwald) a Häuserl ghot und durt Kohln brennt a. Schön is durt gwen; abr so viel einsom und longweilig – oft hon i vierzeih Tog kan Menschn net gsegn. Kan Menschen. Do wird am d' Zeit long. Wenn i ner a Wei(b) ghobt hätt; obr a sou – net zum Ausholtn wor's. – Hätt jo a Mensch g'hot; Oplonr hot sie si' gschriebn und beim Praschl in Außrgfüld wor's für a Dirn. A saubrs Mensch und erst 29 Johr olt; obr wegn dem Ludwig, den's scho lediger Weis' ghobt hot, konn's net zu mir in die Einsomkeit, weil der no net aus der Schul is und konn's net her zu mir und net heiraten a no net. Jo obr i holt's net aus in derer Einsamkeit und trink mir aus lauter Herzloid an Schnopsrausch um den ondrn an und in so an Rausch kumm i amol auf an recht miserablen Einfall. Wer weiß, kummt's übrhapts in die Einsamkeit zu mir her und nimmt si' an Ondrn; wej war's, i verschraib mi dem Tuifl, grod, doss'r mir a schöns Mensch verschofft. Und in dem Rausch zitier i den holt richti a. Es wor no bei Tag, so um a vier Uhr no(ch)mittag und zitieren soll ma erscht bei dr Nocht zwischen Zwölfi und Oans. Obr i hon in dem Schworzbejchl (Zauberbuch) so storki Bannsprüchl, doss bei Tog a reichn und in dem groußn Wold do, wo 's eh nie net licht wird, is eh oin Ding, is Tog obr Nocht.

Alsdann moch i vor derer Hüttn an Kreis, stell mi eini und les aus dem Bejchl dös Sprüchl außa.

Hoiß is eh scho sakrisch gwen und himlitzt (wetterleuchtet) hat's eh scho ghot. Jetz' mocht's obr an Tourerer (Donnerschlag) und an Blitz, und dr Tuifl is scho do a. Wos i möcht, fragtr.

»A Mensch brauchet i«, sog i, weil mir in derer Einsomkeit amol d Zeit zu long is. A schöi(n)s, jungs Mensch muss sein und Zithrn schlogn müsst's a kinna, obr d Klampfn schpujn, obr sinst wos. Und alleweil an Schops müsst i hobn und an Tuwak und a Geld und beim Kortnspujn müsst i olleweil gwinna usw.

Jo, sogtr draf, dos wär ehm a Kloanigkeit obr i müsst ehm erscht mein Seel mit mein Bluat varschreibn. Schon, schon, sog i; dös weiß ma eh; obr i kauf ka Kotz im Sock; i müsst erscht dös Mensch segn und dös Schnopsglasl hobn, wos nej rar wird, und d Kortn hobn, mit denen ma ollweil gwinnt.

Gut sogtr, dös werdn mir gleich hobn; geht zu an kropfetn Bam hin, in dem dr Bamhackl, Specht schreibtr sich, a Mordsloch ausghaut hot und schreit wos af hebräisch eini. Glei draf springen drei so Karln daher, die er mit benennt: »Dös is«, sogtr, der Liebsteufl, Herr Baron Spirifankerl; der zweit' ist der Schnopsteufl, Herr Spiegelberg, und der do is der Spielteufl, Herr Lumpus Vagabundus.« Der Spirifankerl war a rechts Gigerl mit roti Strümpf, gschpitzti Schuh und a roti Krawatn; der Spiegelberg und der Lumpazi worn net so fein beieinand. An Goashaxn hobn's obr olli drei ghot.

I sog »freut mi recht, doss i die Ehr hob«, und s sogn, »Gonz unsererseits«, und i solltmr drei auswähln davo, und er wird's glei bringen. Der Schnopsteufl hot a Flaschl an pickfein Schnops und losst mi kostn davo; und richti dös Flaschl wird net lari, wann i a sauf wej a Oux. Der Dritt gibt mr d Schpülkortn in d Händ und i sollt Bank holtn. Mir zwoa schpüln mitanand. Hotr 18, hon i 19; hotr 19, hon i 20 odr 21; hotr 21, hon i zwoa Sau (Asse). Während dem geht der Baron um die drei Menscher, und vergeht ka Votrunsr long, sans do a. Mei Liebr, so wos Schöis und Gschmochichs (Appetitliches) honi mein Lebetog no net gsegn! D' erschti, Arabella hot si sich gschriebn, is flochshooret gwen (hellblond) und hot a Zithrn bei sich ghot; die zweit wor schworz, hot sie Bellabella gschriebn und hot an Zimbal (altes Schlaginstrument) und die dritt' woar rout und hot a Klampfn bei sich. Und olli hübsch a Holz beim Häusl (waren voll- und hochbusig) und Kittala (Röckchen) hobns ghot, grod ner bis zu die holbetn Füß. Und dös Gschau – grod süaß hobns mi angschaut und onglocht hons mi, die drei Hexn – weil, dös kinn'ns Ehnen denken – Hexen worns vo Haus aus – das mr grod schwül gwordn is.

Ob i olli drei hobn möcht, frogt der Spirifankerl. »Na«, sog i draf, »schöi, rechtsakrisch schöi sant jo olli drei; obr drei is mr amol z'viel, und wann si schon et amol zwoa Hohna am Mist vertrogn, wej denn erscht drei – Weibr«. Und i deut der Arabella mit den Zithern: Obst hergehst! Do hupfts auf i herzu, gibt mr an Schmatz (Bussel), doss mr grod hoas wird und mr gonz würfig wird im Kopf. Natürli hebn d' ondrn Zwoa glei zplärn on und der Spirifankerl sogt zu denen »Appage Madmoiselles!«

Und plärete gehns furt. No jo, a sauberer Karl bin i jo dozumol gwen; do gibt's nix. Ejz (jetzt) soll i üntrschreibn. Der Capo, der Luzifer, wos dr richti Haupttuifal wor, legt a Trumm Haut, af dem der Kontrakt gschriebn steht af hebräisch, auf den kloan Tisch, wos bei mein Häusl steht, legt a Krohfedern daneben und i mou (muss) mi zum Tisch hintesetzn af d' Bonk und soll mit mein Bluat üntrscheribn.

Obr ejz, mei liebr Herr Schulmoastr, ejz passiert wos – mein Lebetog vergiss i dös net! Af amol schreit wer »Gelobt sei Jesus Christus!« und i ruf draf, wej i dös vo Jugend an gewohnt bin, »In Ewigkeit amen!« – jetz geht a Bahöl an, wej, wenn d' Welt untrgehn sollt: A Thouerer, a Blitz am ondrn, die Tuifln und d' Arabella fohrn zamm und durchanand, brülln und pfauchen, wej d Katzen und Rumpldiwidipuml – fohrns olli mitanand wieder in d' Höll oba, wo's herkemma'n san! No jo, Gelobt sei Jesus Christus, dös vertrogt ka Tuifl und ka Hex an net.

Wer wors? D' Oplonr wors und unsr Ludwig, den mir Zwoa vor vierzeih Johr mitanand kriegt hobn.

Der Bua is grod vierzeih Johr olt wordn und aus der Schul, so kemmts doher, mog heirotn und do bleibn a. I reiß d' Augen auf, mein Rausch is vaflogn, und i stell mi, als wenn nix gwen wär. D' Oplonr muss a nix gmirkt hon vo derer ganzen Kumödi, weil's ner sogt: »Wor dös obr a Gwittr, grod schrekla! Obr samt dem host Du gschlofn und gschnorcht, wej a Bär. I mein, Du host an Rausch zerscht ghot.« Jo, Schneckn! Hintno bin i froh gwen, doss si d' ganz Gschicht so gut ausgonga hot. Heut wär i so sinst am End scho lang in der Höll und suidet (würde sieden) im Öl. D' Oplonr hot mi vo dem erlöst, wejs »Gelobt sei Jesus Christus«, grufn hot. –

Gheirat hon mir, der Ludwig hot bei mir af an Kohlenbrenner praktiziert und heut isr schon long selber Moastr. –

Begegnet hon i seint derer Zeit no' öftrs dem Luzifer; obr der hot mr nimmer traut und i ehm a net. –

Zur Belohnung für die Erzählung dieser Episode aus dem Leben des Kohlenbrenner-Naz erhielt er zur Anfeuchtung den Rest des Schnapses, und wir schieden für heute als die besten Freunde. –


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