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Ka-o-ko, ka-u-ku, ka-es-kl, ka-er-kr

War die schöne fette Gans der Frau Boier-Seppin zur Kriegszeit ein Opfer der Politik, beziehungsweise der Strategie Hindenburgs geworden, wäre das liebe Söhnchen der Seppin einmal um ein Haar ein Opfer der Wissenschaft geworden.

Das liebe Buberl hatte wie alle Kinder mit sechs Jahren den hehren Tempel der Wissenschaft zu Außergefild das erste Mal betreten; als aber das Schuljahr zu Ende war, brachte der Junge ein Zeugnis heim, in dem die Vierer und Fünfer in erdrückender Majorität aufeinanderfolgten. Wer aber meint, dass das gute Kind infolge großer Dummheit so schlecht abgeschnitten hatte, war am Holzweg. Der Hansel war durchaus nicht dumm, im Gegenteil, er war sehr gescheit, sogar zu gescheit.

Aber, im Winter lag der Schnee (auf dem endlosen und selbst zur Sommerzeit elenden Wege) meterhoch; im Sommer hingegen flöteten, pfiffen und trillerten die lieblichen Waldsänger so herrlich im Holz, die Wasser murmelten und gurgelten so geheimnisvoll, die Schmetterlinge und Käferlein flatterten und schwebten so bunt von Blume zu Blume, dass offenbar nur ein Narr eine dumpfe Stube dem duftenden Waldesdom den Vorzug geben mochte. Kurz, der holde Knabe musste repetieren.

Zu Pfingsten aber, als der Heilige Geist auch über die Taferlschüler kam und der Herr Lehrer über die Reversseite des Hansel mit dem Staberl, änderte sich die Sachlage. Ja, noch ein Umstand spielte da mit, vielleicht der stärkste der drei Faktoren, das beleidigte Ehrgefühl. Des Krämers Karfunkelstein kleiner Moritz, ein Knirps noch gegen den Hansel, konnte bereits mi 6 ¾ Jahren perfekt lesen, und wenn der Herr Lehrer fragte: »Wie viel ist 3x12+4x7? Flugs antwortete der talentierte Knabe: 3x10=30, 3x2=6, 30+6=36; 4x7= 28; 30+20=50+6=56+8=64; 3x12+4x70=64! Und da geschah es, dass der Herr Lehrer bei einer solchen Gelegenheit sagte: »Siehst Du, Hansel, wie der Moritz alles kann und Du nichts? Bist schon so ein Tremml und noch so a Mankei! Und ich werde Deinem Vater anraten, Dich in eine Idiotenanstalt nach Prag zu geben. Weißt Du, was für eine Anstalt das ist? Das ist eine Schule für Trotteln, wie Du einer bist!« – Sikra, sakra! Das war zu starker Tuwak! Er ein Trottel; er, der immer die geistreichsten Streiche ausheckte und der stets der Anführer aller Buben von 7 bis 12 Jahren war, wenn es galt, ein Nest auszukundschaften, einer Katze einen Klemmknebel an den Schwanz zu praktizieren usw. Er ein Trottel? O, das tat weh und musste widerlegt werden.

Pfingstsonntag wars, der Regen goss in Strömen in ganz Böhmen; es war somit der passendste Tag, ernstlich mit dem Lernen anzufangen, den Moritz einzuholen und zu überholen. Die Fibel her und aufgeschlagen, gleich beim K, wo man eben in der Schule angelangt war.

Da standen je ein geschriebenes und ein gedrucktes kleines k und je ein geschriebenes und ein gedrucktes großes K. Mit dem Griffel auf die vier Hieroglyphen tupfend, bemühte er sich, das »kch« recht deutlich, möglichst ohne »ch« herauszubringen; er las kch, kch, kch, ch und nochmals kch, kch, kch, und noch etliche Male so.

Zum Unglück war ausgerechnet gerade an jenem Tage sein Papa in der Stube, und dieses mit Mühe hervorgestoßene »kchchch« völlig verkennend, und im Glauben, der Junge hätte etwas im Schlunde und räuspere sich, rief er ihm gebieterisch zu: »Spirz af d Pied«, was im Dialekte dieser Gegend so viel als »Spucke auf den Fußboden« heißt.

Der Bube sieht seinen Vater ganz erstaunt an und liest wieder »kch, kch, kch, kch«.

»Spirz af d' Pied!« ruft nochmals der Vater, jetzt noch strenger. »Weg'n wos denn?« fragt der Hansel, diese Aufforderung für ganz unmotiviert haltend, und »kch, kch …« geht's weiter. »Spirz af d' Pied!« brüllt nun der ob der Unfolgsamkeit seines Sprösslings höchst aufgebrachte Mann, und wie der Bub daraufhin sagt: »I mog jo net spirzn«, und abermals »kch, kch, kch kch« röchelt, haut ihm der Vater eine Ohrfeige herunter, dass er vom Stuhle fliegt, auf den Fußboden kollert und daselbst angekommen, zu brüllen beginnt: »Mudr! Mudr! Der Vodr haut mi, weil i lernen tu! Geht's her Mudr; der Vodr drschlogt mi jo sinst no!«

Welche Mutter lässt ihr Kind erschlagen, zumal dafür, dass es lernen will! Also stürmt sie in die Bude, und wenn sie auch nicht ruft: »Halt ein, Barbar!« etwas Ähnliches wars doch.

Ein Wort gibt das andere, das Missverständnis klärt sich auf; der Vater sieht seinen Irrtum ein. Nun kehrt sich aber seine ganze Wut gegen die Schule und den Lehrer. Zornig ruft er: »Die ganz' Neuschul taugt vor an Dreck, und der Lehrer is a Esl! Dös is doch sei Lebetog a Ka und ka (kein) Kch! Ma lest doch seit Odum und Eva »Ka-a-ka; ka-e-ke; ka-i-ki; ka-o-ko; ka-u-ku; ka-el-kl; ka-er-kr und net alleweil kchkchkchkch? Obr i werds dem damischen Schulmoastr scho sogn!« – Der Hansel lernte jedoch in Zukunft, wenn ihm (ausnahmsweise!) wieder einmal die Lust zu lernen ankam, nur mehr außer dem Handbereiche seines Vaters; denn, dokumentierte er: »Wos tat denn d'r Vodr erst sogn, wann is stots Ix, Ypsilon, Zett – Ks', I' und Z' sogn tat!? Der derschog't mi jo!«


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