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Einmol hätt's mir 's Wildern aber do(ch) abgschreckt

Dass es dem seinerzeit in Eisenstein und der ganzen Umgebung als Wilderer wohlbekannten Esterl oft recht erbärmlich schlecht, ja mitunter sogar ans Leben ging, das konnte man dem Mann sogar »am Buck'l« ablesen, den er jedermann für ein Stamperl »Unblacht'n« bereitwilligst beaugenscheinigen ließ. Eine wahre Landkarte, unter gefälliger Mitwirkung verschiedener Gendarmen vom bayerischen Forstpersonal, in grün, blau, rot und schwarz entworfen! Ja, die verschonten ihn nicht, und einmal richteten sie ihn so übel zu, dass ers weit näher ins Himmelreich hatte als die Bergreichensteiner; denn … doch ich will nicht vorgreifen. – Jenesmal also schlugen die Herren Jäger den armen Wildschützen, nachdem sie ihm mit ihren Pfefferkörnern das ganze Wildbret am Zemmer, das heißt auf seinem Rücken, gespickt hatten, und er schon am Boden lag, so erbärmlich, dass er sich nur durch seine ausdrucksvolle Pantomime vor den weiteren Liebenswürdigkeiten der erbosten Jäger retten konnte.

Da er dazumal nicht mehr mit dem Munde lügen konnte, log er mindestens mit den Händen. Nachdem er nämlich die Hände nach Kinderart erst zum »Bitt' schön« erhoben, machte er seinen Peinigern begreiflich, dass er viele Kinder habe, indem er in der Richtung nach seiner Heimat wies und dann tat, als ob er ihnen allen die Hand segnend aufs Haupt legen wollte.

»Kleine Kinder hast z' Haus?« fragte der Führer der Jäger. Esterl nickte bejahend.

»Wie viele?« lautete die nächste Frage.

Da hob der Unglückliche beide Hände empor und zeigte »sieben«. Natürlich war daran kein wahres Wort; aber hilft, was hilft, man kann sich doch nicht erschlagen lassen.

Esterl wurde auf eine improvisierte Tragbahre geladen und nach Zwiesel ins Spital gebracht, wo er liegen sollte, bis er verhört – und verurteilt werden konnte.

So drei bis vier Jahrein waren dem Freunde königlich bayerischen und böhmischen Wildes sicher.

Das war aber durchaus nicht nach dem Geschmacke dieses die Freiheit über alles liebenden »Wildbratschützen«. Sich bereits genügend »geheilt« fühlend, dabei aber gleich einem Sterbenden ächzend, sann er auf Luftveränderung und bessere Kost. Müde und matt erhob er sich von seinem nächtlichen Spitallager, hüllte sich nach Art der Soldaten und Marodeure, welche nachts einen gewissen Ort besuchen wollen, in das Leintuch und die Wolldecke, schleppte sich mühsam vor die Tür und – einmal erst draußen – kam er nie mehr wieder!

Wie ein gehetztes Wild flog er dahin, dem Walde zu, der Heimat zu, und war am Morgen – daheim! Und das mitten im Winter, bloßfüßig und barhäuptig, in Hemd und Unterhose, pardon! Hemd, Unterhose und zwei königlich bayerischen Decken, welche er als kleinen Ersatz für sein zerschossenes und blutiges Gewand hinnahm! –

Wenn du aber, freundlicher Leser, glaubst, das wäre jene Episode, welche dem Guten das Wildern bald abgeschreckt hätte, bist du am Irrwege. Eine solche Kleinigkeit verursachte dem Esterl nicht einmal einen ordentlichen Schnupfen! Das Gemüt war es, das religiöse Gefühl, das zarte Gewissen, kurz Esterls Psyche war es, welche ihn einmal »bald« dazu gebracht »hätte«, das Wildern abzuschwören.

Doch diese Geschichte lasse ich ihn selbst erzählen:

»Amol – i hob den Boyern no' net recht traut, seitdem i vom Zwiesler Spitol auf Urlaub gangn bin – hob i a weng im Schworznbergschn gjogt und kim so stad bis ins Bergsche (Bergreichensteiner Revier).

'S is im Auswärts (Frühjahr) gwesn, ein Tog und a Nocht schönr als wej d' ondri, und meine Schuißn (mein Gewehr) hot bold do, bold do knallt, und a jedsmol hon i d' Böck und d' Goißn (Schmaltiere), die i drwischt hob, in demselm Ort verkaft, der im Revier wor, weil i gwüßt hon, doß mi d' Jagr zur selbn Stund im Wold wo suchn.

Begegnt mir so um a vieri in dr Früh d' Ferdlzenzin. Sakrdi, denk i mir, heut is olls für d' Katz! No jo, so a alts Wei(b)? Und richtig, s Malör wor firti! Bin wohl schnell ausgwichn, wie ichs gsegn hob und hob an rechtn Bogn gmocht; obr 's war für nix!

Dauert a holbi Stund, kummt m'r a Bock, a Mordskarl, untr. I reiß d' Schuißn obr, schlog o, Puff!, knollt der Schuss, und – ›Jes'mandjosef!‹ schreit a Weibertsstimm und drübat, übrn We(g), follt dös Malifizweibertsleut – d' Ferdlzenzi, zamm und rührt si' nimmermehr! – I pock mei Schuißn und renn, wej jesmol ausm Spitol, in an Sturm vier Stundn furt, wej, wenn a Schandarm hintr mir her wär, durch olli Waldr, bis hoam. –

›Esterl, Esterl, wo host denn do tan! Jetzt host gor a Wei(b) drschoßn, bist a Mördr!‹ So hon i olleweil zu mir selber gsogt, und 's Gwissn hot mi nimmr schlofn lossn. Gschworn hob i in der selbign Stund, doß i, wenn dös Wei richtig durch mi so elend ums Leben hot kemm'n müssn, d' Schuißn nimmr mehr anrühr, so long i leb. D' Schuißn hon i am Hohbodn versteckt, den heilign Hubertus hon i vo der Wänd gnumma und hon d' heili Magdalena davor hinghängt, und die poor Gwichtln, die i no ghot hon, hon i af der Stell verkaft, doß i nix mehr seg vo' derer Wildbratschützerei und a poor Kreuzer hon af an Schnops. – Obr, hon i mir denkt, muss denn grod maustot sein? Könnt jo blesiert jo a ner sein. Dös muss i erfohrn. Schtandepede moch i mi auf d' Füß und geh bis Reichnstoa (Unterreichenstein) und erzähl übroll, doss i a Arbeit such. Dös hot mir fraili' ka Mensch net glaubt; obr i hätts bei meiner Seel bald wirkla tan.

Long hob i mi net traut, doss i nach derer Ferdlzenzin gfrogt hätt, long, weil i gfürcht hon, i verrot mi. Obr was nutzts, i hon ka Ruh' nimmr ghot.

Begegn i an Freund vo mir, 'n Poschrseppn. Jetz is a Ding, denk i bei mir und frog grodaus: ›Weißt net, wo d' Ferdlzenzin is?‹ Sogtr draf: ›Im Himmlreich.‹ – ›Im Himmlreich? Jesses–mana!‹ schrei i, ›is alsdann richtig wohr?!‹ – ›Wos host denn, Schwonz narrischr?‹ sogt der Poschrsepp ›;Zähntweh hon i, so vyl Zähntschmerzn hon i‹, luig i drauf. Der Sepp locht recht schlecht, und i geh weitr. Soll i ins Russlond, spekulier i, odr ins Amerika? I geh holt furt! – Obr jetz' denkens Ihnen: Wej i bald auf Berg kimm – olli gutn Geistr lobn Gott den Herr! – steht af a mol d' Ferdlzenzi vor mir – und treibt a Kolbin.

Zittrt hon i scho als wie a Lammplschwoaf.

›Bist dus, odr is dei Geist?‹ frog i, ›und wo kimmst her?‹ ›Beim Förstr do drobn, am Himmlreich bin i gwen‹, hots gsogt.

A Weil steh' i, wie a Norr – do wirds hell in mein Kopf. ›Jesses, im Jagrhaus, ›im Himmlreich!‹ In meiner Ongst hon i gonz drauf vergess'n, doss bei Berg a a Himmlreich is!‹ ›O du mein Liebs zuckrsüß Zenserl', sog i, nimms um d' Mitt', dös olt schiachi (hässliche) Weib, und tonz mit derselm mittn auf der Stroßn.‹

Hoam bin i grennt, hob die Magdalena außi tan, hob den heilign Hubertus wiedr aufghängt und hob mein Schuißn wiedr hergricht. – No jo, wegn wos denn net? D' Zenzin is pumperlgsund und hot si' dazumol ner gschreckt, weil der Bock im Feuer auf sei (sie) zu is. Und im Übrign is jo 's Wildbratschützn grod a so weng a Sünd, als wej 's Holzstehln odr 's Paschn, – ausgnomm'n natürla, man wird derwischt dabei. – Obr richtig wohr, jenesmol hätts mir 's ganzi Wildschützn abgschreckt vor mein Lebelang!« – – –


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