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Fürst Schwarzenberg in Rehberg

Stubenbach war ein sehr lustiger Ort; im Sommer belebten es zahlreiche Touristen, im Winter gab es zahlreiche interne Vergnügen aller Art. Bald gab es einen Ball, bald kam eine Theatergesellschaft (Czermaks und Proskis Truppen), welche da mehrere Wochen gastierten; dann kam »Buberls« best renommierte Kapelle oder »Presnitzer« usw. (Das Skilaufen war dazumal noch nicht im Schwunge.) In den Wirtshäusern, insbesondere im »Auerhahn«, gab es täglich der Gäste genug; denn im Winter waren dort immer sieben, oft noch mehr ledige Finanzwacheangestellte, ein ständiger Postenführer, Forstangestellte usw. Aber auch Gewerbetreibende u. a. Ortsinsassen kamen zum Bier. Unter ersteren waren besonders der »Kravallschmied« Lukas, der Kravalltischler Manni und der Kravallschuster Wenzel – wie schon der Name beweist – überaus lustige Kumpane, welche allerlei übermütige Streiche ausübten, von denen hier zwei solcher angeführt werden sollen.

In Rehberg war Kirchweihfest und unter anderen gingen dahin auch der Tischler-Manni und der Schmied-Lukas einmal.

Beim Hoffmann gab's gutes Bier und Tanz, zwei Dinge, welche die eben Genannten nicht verschmähten.

Gegen Abend senkte sich ein dichter Nebel über Rehberg und die meisten Häupter der fidelen Leute, darunter auch den Manni und den Lukas. Sie hatten wohl noch keinen ausgewachsenen Rausch, aber halt so a Räuschel, und es war für beide endlich Zeit, ans Zuhausegehen zu denken.

Diese Sache war aber nicht so einfach, erstens wegen des Doppelnebels, zweitens, weil sie den – auch bei Tage etwas schwer zu findenden – kürzeren Weg »durchs »Krobat'nloch« gehen wollten. Da wäre ein ortskundiger Führer nicht zu verachten gewesen. Und sie fanden einen solchen glücklicherweise, und zwar in der Person des etwa fünfzehnjährigen Rehberger Holzhauersohnes Wertei, welcher sich gegen das Versprechen eines anständigen Trinkgeldes bereitfand, das Amt eines Cicerone durch das Krobatenloch zu übernehmen. Außerdem ward ihm auch noch die Ehre zuteil, den Überzieher des einen Fremden tragen zu dürfen. Anfangs verlief der Weg schweigsam. Bald sticht aber den Tischler der Haber; es fällt ihm was besonders Geistreiches ein. Dreht sich plötzlich um und sagt zu dem Jungen:

»Weißt du auch, mit wem du gehst?«

»Na«, sagt der darauf, »i kenn Eng net.«

Hoheitsvoll erklärt hierauf der Strick. »Ich bin der Fürst Schwarzenberg, und dieser Herr ist mein Sekretär.«

Oh, oh, so was! Gar der gnädige Herr Fürst!

Der Fürst ist aber ein leutseliger Herr und lässt sich mit dem Wertei in ein Gespräch ein.

»Wie steht es mit dem Verdienst bei Euch? Wie seid Ihr mit Euerem Förster zufrieden?« usw.

Der Bub' stutzt. So gescheit ist er schon, um zu begreifen, dass sich da eine vortreffliche Gelegenheit bietet, dem allmächtigen Herrn alles zu offenbaren, was die Holzhauer bedrückt. Vielleicht gibt's da Abhilfe; der Fürst kann ja alles tun und ist offenbar ein sehr lieber und guter Herr. Also schildert der Bursche das Elend der Holzhauer, wie wenig sie bei ihrer schweren und nicht selten lebensgefährlichen Arbeit verdienen, wie herrisch der Förster ist, wie er die Löhne immer wieder herab schraubt usw. usw.

Der Fürst stellt Zwischenfragen, wendet sich öfters mit allerlei Bemerkungen an seinen Sekretär, sagt: »Ei, ei, das ist ja gemein, barbarisch«, und so dergleichen und resolviert endlich: »Das soll und muss anders werden! Die Löhne müssen um 50 % hinauf; den Förster werde ich versetzen. Ich will Euch eine glücklichere Existenz schaffen! Herr Sekretär, Sie werden gleich morgen alles Nötige veranlassen!«

»Zu dienen, Durchlaucht«, sagt der Sekretär darauf und verbeugt sich tief. –

Endlich ist man aber doch schon durchs Krobatenloch und auf einen ordentlichen Weg gelangt, und der Fürst fordert den Sekretär auf, den Führer zu entlohnen. Der sucht in seinem Brieftaschel herum und entschuldigt sich schließlich mit den Worten: »Durchlaucht, ich habe leider nur lauter Hunderter und Tausender bei mir, fast gar kein Kleingeld, nur 20 Kreuzer.«

»Also gib dem Wertei die 20 Kreuzer, und wenn ich wieder einmal nach Rehberg komme, gibst ihm halt einen Fünfer.«

Der Wertei ist um die 20 Kreuzer froh und sagt: »Vergelts Gott tausendmal!«

Man trennt sich, und der Wertei rennt wie besessen heim, wo er atemlos über die hohe Ehre, die ihm widerfahren ist, und das günstige Resultat des Interviews berichtet. Der Vater wackelt mit dem Kopf und wundert sich, dass in ganz Rehberg niemand den Fürsten erkannt hat. Aber halt ja; wer kennt denn den Fürsten; wer weiß, war der schon einmal da, und wenn schon, gewiss auch nur »inkognito«, wie's allemal in der Zeitung steht. Wahrscheinlich verkleidet, als Förster oder so was. Übrigens ist aus dem ganzen Gespräch zu entnehmen, dass das ein mit allen Verhältnissen im Walde wohl vertrauter Herr gewesen sein muss, wie das beim Fürsten selbst zutrifft. – Am nächsten Tage ist ganz Rehberg in Aufregung; der Fürst war da gewesen! Der Wertei hat ihn durchs Krobotnloch geführt! Der Sekretär hat dem Wertei 20 Kreuzer gegeben, weil der Herr nur lauter Hunderter und Tausender bei sich hatte und in Kleingeld bloß 20 Kreuzer. Der Wertei hat dem Fürsten genau geschildert, wie es den Leuten da geht, und Abhilfe aller Not und Übelstände ist zu erwarten, ja wird bestimmt zur Tat! Mehrere Holzhauer trinken sich einen Freudenrausch an; es ist ein Tag des Jubels.

Am zweitnächsten Tage kommt die Mär auch dem Förster im weltabgelegenen Schätzenwald zu Ohren.

Der staunt. Die Geschichte kommt ihm mehr als sehr unwahrscheinlich vor. Aus vielen Gründen. Er beschließt trotzdem, der Sache auf den Grund zu kommen, und geht am dritten Tage nach dem großen Vorkommnisse selbst nach Rehberg, woselbst er sich den Wertei holen lässt und ihn examiniert. Wie der Fürst ausgesehen hat und was er an hatte.

»Ausgschaut hotr wej a Boron. A schworzi Tuchhosn hotr ghot, an schworzn Überzieher, a goldene Uhrkettn, so dick wej mein Da'm, an schworzn Filzhut und a Vadschina (Verginierzigarre), hotr graucht. Der Sekretär wor a recht fein beieinand und hot a Cuba graucht«, erzählt der Wertei. Was der Fürst gefragt hat und was der Wertei darauf geantwortet hat. O, lauter »gut und schön«, und – durch seinen Vodr genau instruiert – schildert der Junge alles so, dass es dem Förster auch recht sein kann.

Das Resultat dieser Unterredung ist, dass der Förster am Ende dieser resumiert: »Jetzt wird' klar: Der Fürst Schwarzenberg kommt am 15. Juli in einer schwarzen Tuchhose und mit einer mordsturmgoldenen Uhrkette und mit angehängem Maria-Theresia-Taler ausgerechnet nach Rehberg zur Kirchweih, raucht dort am Platz eine Verginia, und sein Sekretär, welcher an seiner rechten Seite daherkommt, bläst dem den Rauch einer »Cuba A, um vier Kreuzer zwa«, ins Gesicht! Du Kalbl, Du, merk' Dir, was ich Dir sage: »Wenn das der Fürst Schwarzenberg war und der andere sein Sekretarius, dann bin ich der Fürst Pumsti und du Rhinozeros bis der Baron Oxenlippl!« –

Die Leute aber sagen, nachdem der Wertei auch dieses Gespräch gewissenhaft wiedergegeben hat: »Den Förster druckt halt sein Gewissen; er fürcht' si', dass so ollerlei an n Tog kommet.« Und es kommt auch wirklich bald alles an den Tag. Vierzehn Tage später hat des Wertei Vater in Stubenbach eine Verrichtung, und der Junge geht mit. Und ausgerechnet auf derselben Stelle wie unlängst gibt's eine Begegnung besonderer Art; der Wertei, der Fürst und sein Sekretär stoßen aufeinander! Der Wertei packt seinen Vater am Ärmel und raunt ihm zu: »Vodr, do is der Fürst, und sein Sekretarius is a bei mit!«

Der Alte reißt, noch ehe er sich umgewendet hat, seinen Hut vom Kopfe. Aber schon im nächsten Augenblicke brüllt er den Burschen an: »Derdo? Diedo? Weißt gwiss, doss dieselben sein?« Und wie der Wertei sagt: »Jo, gwiss; die sein's«, haut der Alte erst dem Jungen eine schallende Watschen herunter und will sich sodann, wütend wie ein verwundeter Stier, auf die zwei (ihm wohlbekannten) Männer stürzen.

Die aber haben ihrerseits auch den Wertei und dessen Vater erkannt, machen Kehrteuch und rennen davon.

So schnell kann der alte Holzhauer nicht rennen; aber schimpfen kann er sakrisch schnell. Rennend brüllt er: »Heda, Fürst Schwarzenberg, wart a bissl! Hundling, elendiger, Mistkerl ogschamtr! Du gfreu' Di', wann i Di erwisch!« –

Erwischt hat er's dazumal nicht; denn solange der Alte gelebt hat, sind Fürst Schwarzenberg und der Sekretarius niemals wieder nach Rehberg hineingekommen. Erschlagen hätte sie ihn!


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