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Das fünfundvierzigste Kapitel

Ist zu den angenehmen kurzen zu rechnen, darum aber nicht minder merkwürdig

 

Herr Hansjakob verlangte eines Tages mit dem an ihm oft bemerkten Ernste, daß die Kehlheimer Studien in Bälde abzuschließen seien, daß der Bub nach Hause müsse und daß er bei Melchior Pentenrieder selig Erben ins Geschäft einzutreten habe.

Frau Anna nickte stumm und gottergeben und Herr Hansjakob staunte mit einem Wohlgefallen, das sich gegen ihn selbst wendete. Er sah sein Unternehmen geglückt und schöpfte sich seinen Lohn aus dem Sicksackerfasse, ohne den Pater Provinzial zur Gesellschaftsleistung zu bitten.

So mußte der Pater in der Stube der Frau Mutter mit süßem Samoswein vorlieb nehmen und weiteren Rates pflegen.

»Franziskus«, sagte die Frau Mutter bestimmt, »darf er auf keinen Fall heißen. Ich würde nur immer an die fünf heiligen Wundmale des heiligen Erzvaters denken – wenn Pankraz ihm heute oder morgen an Verdiensten gleichkommen sollte; nein, ich möchte das arme Kind nicht so leiden sehen. Wundmale sind Wundmale. Und wenn ihm einmal unser Herr Jesus Christus so in Flederwische gekleidet entgegenkäme, wie man's bei dem heiligen Franziskus auf den Bildern sieht – mein lieber kleiner Pankraz würde sich zu Tode fürchten.«

»Flederwische!? Seraphinische Flügel waren das. – Aber gleichviel: wenn nicht Franziskus, so nennen wir ihn Corleone. Die Frau Mutter weiß ja – –«

Aber die Frau Mutter hatte sich über den Namen Franziskus noch nicht genügend ausgesprochen. »Und mit dem heiligen Patriarchen Franziskus geht das auf keinen Fall, weil wir ihn bei Pankrazens Taufe auf das Butterbrot gestrichen haben; das muß so einen Heiligen verdrossen haben, wenn aber ein großer Herr auf jemanden Verdruß hat, so geht's dem anderen nie gut. Heilige sind auch große Herren!«

»Nana, nana,« brummte der Pater Provinzial.

»Und was den Sanktus Corleone anbetrifft, so ist er doch nur ein gewöhnlicher Bruder gewesen. Und ich denke mir, mein Pankraz könne Pater und – verstehen Sie mich?! – wohl auch noch mehr werden. Kann er denn nicht auch im heiligen Orden Pankraz heißen? Das wäre mir halt am liebsten.«

Der Pater Provinzial kratzte sich verlegen am Kopfe. »Das geht nicht,« sagte er. »Der jüngste Frater und ich, die hohe Paternität im heiligen Orden, wir können nicht einerlei Namen tragen. Soll die böse Welt ewig ihr Zünglein an uns wetzen? Nein, nein, liebe Frau Mutter, da müssen wir was anderes suchen. Passen Sie auf: mir fällt da etwas ein – die größten Männer unserer Provinz haben schon Deogratias geheißen. Und Pankraz ist ein Mirakelkind, und Sie wissen, wie herzlich wir Gott Dank um ihn gesagt haben. Also?«

Diesmal gefiel der Vorschlag der Frau Mutter. »Deogratias? Ja, das klingt schön. Deogratias der Spannader des Heiligen Geistes! Deogratias dem Präputium, wie Sie es nannten! Deogratias dem Responsorium des heiligen Antonius. Deogratias dem heiligen Corleone! Deogratias millionenmal Ihnen, Pater!«

Und so war der Klostername Frater Deogratias bestimmt.

» Fides tua te salvam fecit!« sprach der Pater Provinzial mit zum Himmel blitzenden Augen und gab der Frau Mutter die heilige Benediktion.

Und sie neigte sich sehr tief.

*

Und mit ganzem Recht schüttelt der hochgünstige Leser den Kopf. Auch Herr Hansjakob würde den Kopf schütteln, wenn ihm bei seinem Sicksacker etwa beifiele, daß sein vergnügtes Schmunzeln unbegründet betätigt wird und daß seine breitgesponnenen Pläne über das Haus Melchior Pentenrieder selig Erben in eitel blauen Dunst zerrinnen müssen.

Ei, so laßt ihn sitzen und trinken und sich lustig die Knie bepatschen – die Zeit wird ihn schon aufklären. Für den kleinen Pankraz ist der Klostername schon reif geworden und alle Schritte sind getan, ihn ganz der Frömmigkeit und den anderen Tugenden zuzuwenden. Hier oder dort muß mit rauher Hand ein Hoffnungsgebäude zerstört werden – warum soll's das eines Provinzials, einer Frau Mutter und eines heiligmäßigen Studentleins sein?

Warum nicht lieber eines der läppisch gebauten Kartenhäuser des Herrn Hansjakob Pentenrieder?

Der hochgünstige Leser mag das einsehen und sich in die Handlung fügen, so wie sie uns vorgezeichnet ist.

Und auch der Meister Schmied und seine Schmiedin müssen sich fügen, auch wenn der Schmied mit furchtbarer Faust den Hammer schwingt, als wolle er seinen Amboß durch die Erde bis zu den patagonischen Heiden durchschlagen: er hämmert sich seine Wut von der Seele und seine Frau Schmiedin befreit sich mit rieselnden Tränen vom Leide.

»Hört auf zu trauern!« bittet Hansjakob. »Ich will für euch beten, ihr Lieben!«

Und der Schmied legt den Hammer weg und putzt die rußige Hand am Schurzfell ab, um seinem Pankraz adjes zu sagen.

Denn der Wagen harrt und die Pferde scharren.

»Ich will für euch beten, ihr Lieben!«

Die sorgenvolle Bläue spricht aus den Schmiedsaugen: und wir wollen um dich trauern, du Lieber.

Und die Schmiedin sagt zwischen Glück und Tränen: »Für mein Kind, du lieber Bub! Bet' für mein Kind!«

Erstaunt sieht Pankraz in die Röslein, die da übers ganze Gesicht fließen. »Für dein Kind?«

Und der Wagen rollt weg und der Schmied kann den langen Satz nicht mehr sagen, der sich aus seinem Herzen schlängeln will und nur in die Augen gefunden hat.

 


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