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Das zweite Kapitel

In dem der Herr Bürgermeister dem lieben Gott eine Rechnung vorlegt

 

Der Herr Bürgermeister saß in einer grämlichen, fast amtlichen Laune hinterm Ofen und es fiel ihm ein: ich habe viel zu spät geheiratet, wo bist du hin, Jugend? Futsch bist du. Tja. – Und die Alte wird nicht müde beim Essen und Trinken und beim Dickwerden. Tja. Dickwerden, tja. Es geht uns wie dem Vogel im Hanfsamen. Ach Gott, ja.

Alles haben wir vom Salz aufwärts, tja.

Aber eines fehlt – guck dich um in deinen Stuben: wo fehlt's? wo fehlt's? Da fehlt's, Pentenrieder; tja, da fehlt's. Hörst du was? Nichts hörst du.

Der Bub, saggrasaggra, der Bub fehlt. Der Erbe! Hörst du in einer deiner Stuben einen Buben schreien?? Tja, das ist es.

Es hat kein Gebet geholfen, keine Wallfahrt, wieviel Wallfahrten? Ein Dutzend? Fünf Dutzend? Hundert??

Bis nach Salzburg sind wir gereist, die Alte und ich, und haben zu dem heiligen Salzburger Kindl gebetet, das den mirakulösen Sprung im Kopf hat.

Es hat nichts geholfen, so deutlich wir auch mit dem Christkindl gesprochen haben. Und ich habe zweimal mit dem Daumen auf meine Alte gedeutet und dem mirakulösen Kindl zugeblinzelt. Hätt' ein Blinder merken und deuten können!

Nach München sind wir gereist zu den gelehrten Augustinern, die das schöne große wächserne Christkindl haben. Die Herren Augustiner wiegen ihr schönes großes wächsernes Christkindl, und die Orgel macht Eiapopeia dazu. Die Orgel Eiapopeia – – und meine Frau? Und ich?? – Tja.

Beim heiligen Passauer Christkindl sind wir gewesen; jesses, und beim wundertätigen Kindl zu Altenhohenau auch. Das Kindl hätt's schaffen können! Das geht in der Nacht im Kloster von einer Zelle zur anderen und schaut nach, ob die Klosterschwestern einen heiligmäßigen Lebenswandel haben. Tät's niemand wissen, daß das heilige Christkind solche Gänge macht, wenn nicht immer am anderen Tag seine Schüherl zerrissen wären vor lauter hin und her. Ich hab sie mir angesehen, die Schüherl, tja. Die Alte hat sie geküßt. Hm. Haben wir aber einen Buben? Nein.

Und was haben wir Almosen gegeben, um einen Buben zu kriegen!

Den Kapuzinern geben wir das Jahr durch mehr, als wir selbst im Haus brauchen. Und was haben wir in die Kapuzinerkirche gestiftet! Meine Alte hat neulich für die Weihnachtskrippe im Kloster die ganze Flucht nach Ägypten auf meine Kosten neu anziehen lassen. Und das heilige Christkindl hat noch eine neue Fatschen gekriegt. Und der heilige bethlehemitische Esel eine goldgestickte Schabracke.

Aber wo ist der Bub?

Wir tun alles für die heilige Religion und für ihre heiligen Diener, tja. Ihre Feinde hassen wir von ganzem Herzen, hm.

Und das Schweißtuch der heiligen Veronika in Rom, das haben wir abmalen lassen, daß es viel schöner worden ist, wie das echte. Und haben's den Kapuzinern in die Kirche gestiftet, hm.

Da hätt' der liebe Gott schon ein bissel an uns denken können!

Und wie neulich der Bettler gekommen ist, dem habe ich um fünfzehn Stockprügel mehr hinaufhauen lassen, unserm lieben Herrgott zu Ehren, weil er ein Lutheranischer gewesen ist.

Hm, wenn mir nur der liebe Gott einmal einen Juden in die Jurisdiktion schicken tät! –

Oder zwei Juden oder drei. O du barmherziger Gott, du solltest deine Freude an mir haben!

Aber wo ist der Bub??

Es ist kein Segen auf dieser Ehe. Pentenrieder, Pentenrieder: da muß was dahinter stecken, wie ein Brunnen, den man verflucht hat. Wie ein Ackerboden, der verschrien und verhext ist. Ich mag gar nicht weiter nachdenken – warum, wieso, durch wen??

Überall haben wir uns hinverlobt, früh und spät sind wir dran – nix wird's.

Kein Bub! Kein Erbe!!

Ach …

 


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