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Das achtzehnte Kapitel

Beginnt mit einem Versöhnungswunder, endet aber mit einem notwendigen Kopfschütteln

 

So schnupfe also auch du deinen Bresiltabak, hochgünstiger Leser, daß wir einstweilen alle an den Windeln des kleinen Pankraz in guter Ordnung vorbeikommen.

Und dann gehen wir wieder, Erbauliches besprechend, dem Bürgermeisterhause zu. Lassen unterwegs auch den Herrn Vater Hansjakob reden, dem es plötzlich einfällt, daß die Frau Gevatterin ohne den Herrn Gevatter gekommen ist.

»Es ist mir recht unangenehm,« sagte er, »daß ich mit meinem lieben Herrn Gevatter nicht mehr auf freundlichem Fuße stehe. Es ist mir schmerzlich, ihn an diesem hohen Familientage zu vermissen. Ich bitte die Frau Gevatterin, meinen Schmerz als aufrichtig zu erkennen und zu Haus darüber zu berichten. Nein, nein, ich hätte den alten grauen Esel nicht an ihn adressieren sollen. Aber die Aufregung, die Aufregung!«

Der Pater Guardian beschwichtigte ihn. »Ach Gott, unsere Lektores und die Konsorten von anderen heiligen Orden haben auch schon mit Eseln umhergeworfen. Heiligmäßige Männer, bedenken Sie! Es ist das schon in offenen Kirchen geschehen, von hohen Kanzeln herab und vor den Tabernakeln des Herrn. Was vorbei ist, ist vorbei. Da muß der Trompeter Schluß blasen und dann muß wieder Frieden sein. Und schuld ist nur der Hausknecht. Der Überesel! Hat er nicht von einem Kalb gesprochen?«

Herr Hansjakob nickte. »Der Überesel!« wiederholte er tadelnd. Auch die Frau Gevatterin nickte eifrig.

»Aber die Stimme der Unschuldigen und die Stimme der Törichten,« fuhr der Pater Guardian mit einem wohlbesonnenen Kopfschütteln fort, »ist oft eine weise Stimme. Scheint es Ihnen im Ernst verächtlich, daß er Ihren Erstgeborenen in seiner plumpen Hausknechtssprache mit einem Kalb verglich? Hat es nicht einmal ein Goldenes Kalb gegeben, das die Völker anbeteten? Vielleicht hört die Kirche Gottes noch in einer Lobrede auf Ihren heiligen Sohn die Worte ausgeführt:

Des besseren neuen Testaments
Besseres Goldenes Kalb
Sanctus Pankrazius – wie!?

Nun, und wenn der Hausknecht und der Herr Gevatter (den wir quasi als den Herrn Dolmetscher des einfältigen Hausknechts betrachten müssen), wenn nun diese beiden unter der weisen Eingebung des Heiligen Geistes prophezeit hätten!?« So sprach der Pater und das Gesagte saß.

Herr Hansjakob nahm die schönen Worte wohlgefällig entgegen und fühlte ein helles freundliches Licht in seinem Kopfe aufstrahlen. Es leuchtete fruchtbar in seine Hoffnungen hinein und kürzte ihm den Weg. Zu Hause eilte er an die Wiege des Kindleins und das Vaterherz quoll ihm über: »Wo is denn mein liebes kleines goldenes Kälberl!? Wo iserle denn Muhmuhkalberle Pankrazerle? Guggugg! Dada!« Und als ihn das Kind interessiert ansah, konnte er seiner närrischen Freude nicht mehr gebieten und zeigte dem kleinen Muhmuhkälbchen das brave Muhmuhkühlein, streichelte seiner Frau Bürgermeisterin heftig die Wangen und himmelte sie an: »Wo is denn die liebe Frau Anna, das liebste bravste beste Muhmuhkühle!? Guggugg! Dada!«

War das nicht schön gesagt? Wenn's auch salva venia sozusagen und mit dichterischer Freiheit in der Ochsensprache gesprochen war.

Und er küßte Weib und Kind ein und das andre Mal. Und dann ging er in nobel gemessenen Schritten zur Frau Gevatterin und sagte, er wolle dem Herrn Gevatter alles herzlichst abbitten, was er in seiner Aufregung gesagt habe.

Weihevolle schöne Stille.

Der Pater Guardian aber räusperte sich gerührt und trat ans Bett der Frau Mutter: »Sehen Sie, Mutter! Sie haben ein wahres Gnadenmirakelkind. In den wenigen Stunden, seit denen es unter uns lebt, hat es schon das Wunder einer heiligen Friedensstiftung fertiggebracht. Wie ist das Wunder zustande gekommen: der Teufel ist in Gestalt eines dummen Hausknechts in den hohen weisen Magistrat gelaufen, um zwischen dem Herrn Bürgermeister und dem Herrn Gevatter Zwietracht zu säen. Und sehen Sie: das kleine Kind, der vom Himmel geschenkte Engel, der hat dieses Teufelswerk wieder zunichte gemacht.«

So häuften sich die Wunder im Hause des Herrn Bürgermeisters Hansjakob Pentenrieder.

*

Und man ging zum Taufschmaus.

Anfangs war man schön still. Wenn die Vögel beim Futtern sitzen und schnabulieren, so pflegen sie nicht zu singen.

Aber wenn eine Hebammin beim Futtern sitzt und schnabuliert, so kann sie gleichwohl auch noch loquaciter mit dem Schnabel umgehen. Es hätte ihr das Herz abgedrückt, wenn sie den ganzen langen Vormittag keinem Menschen ein Federchen hätte ausrupfen können. Und war nicht die schönste Gelegenheit da: der Mesner und sein dreckiges Taufbecken? Dieser grundlos schlechte Mesner und sein – brrrrr!!

»Daß im allerheiligsten sakramentalischen Taufwasser,« begann die Hebamme düster, »daß im allerheiligsten Taufwasser gottlose Asseln, Würmer, Fliegen und Käfer ersaufen dürfen, das sollte nicht erlaubt werden! Das ist für mich einfache Frau, die wo bloß ihren frommen Glauben kennt und keine Gelehrte nicht ist, das ist für mich eine hoche und sakrilegische Sünde. In der andern Welt dürft' der Mesner in keinen Himmel niemals nicht hinein kommen, wann ich ein bissel was beim himmlischen Vater tät reden dürfen, und in dieser sündhaften Welt müßt' man ihn ins Zuchthaus sperren tausend Jahr lang.«

Der Pater Guardian schüttelte den Kopf, wie er immer tat, wenn auf die Köpfe heiliger Leute vom Ministranten aufwärts Gift geträufelt wurde. »Vielleicht ist's Gottes Fügung,« erklärte er feierlich, »eine geheimnisreiche Zulassung Gottes.«

Die Hebammin: »Der Dreck??« Sie hustete ablehnend.

»Ist es nicht möglich, daß einmal, wie hier die giftigen Spinnen und all das Ungeziefer im Taufwasser, daß einmal Ketzer und Freimaurer im Ozean der Gelehrsamkeit unseres Pankraz zugrunde gehen?«

Ei, da machten die Taufschmauser Mäuler und Augen auf!

Aber die Frau Hebammin Rosina blieb bei ihren finsteren Absichten bestehen und murmelte, daß sie noch niemals nicht keinen solchen Dreck nicht gesehen habe im allerheiligsten sakramentalischen Taufwasser!

»Der Herr Pfarrer,« sagte der Pater Guardian in einem leidvollen Ton, »der Herr Pfarrer freilich sah den hohen Geist nicht ein, der aus dieser Erscheinung mir entgegen glänzte. Die Herren Weltpriester sind für Visionen und mysteriöse Bedeutungen nicht zu haben. Diese Herren Weltpriester sind Disputanten und gelehrte Besserwisser, sie lassen ihre Augen von den Geheimnissen abgleiten und gehen mit einem Lächeln über den tiefen Sinn heiliger Dinge hinweg.«

Aber die Hebammin Rosina blieb hart und sagte zu der Frau Gevatterin, daß Dreck Dreck bleibe und daß sie dem Mesner nie verzeihen könne in alle Ewigkeit Amen. Und er sei ein stinketer Uhu. Und wenn der hochwürdige Herr Pfarrer da wäre, dem würde sie's direkt ins Gesicht sagen – –

Wie?? Der Herr Pfarrer nicht da??

Nicht zum Taufschmaus eingeladen?

Rara est concordia fratrum.

Es stimmt uns nachdenklich, hochgünstiger Leser!

 


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