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Das dreiunddreißigste Kapitel

Welches Pankrazens erste Siege auf dem Kampfplatz öffentlicher Schulen niederlegt

 

Pankraz war um diese Zeit dem Lehrgange der Kleinsten entwachsen und hatte sein erstes Examen zu bestehen.

Die Frau Schmiedin zitterte und fütterte. Der Schmied aber gab dem Buben mit seinen bärenhaften Armen, geheimnisvolle Winke, schlenkerte seine rechte Hand wiederholt verächtlich, lachte mehrmals künstlich und faßte das Ganze in den Satz zusammen: »Mut!«

Und Pankraz mühte sich, die tiefen blauen Augen, in denen der Schmied seine Angst ungeschickt verbarg, zu beruhigen.

Und der Herr Präfekt Examinater frug streng: »Wie viele Reiche hat Gott?«

»Drei,« sagte Pankraz. »Das Himmelreich, die katholische Kirche und die frommen rechtgläubigen Seelen.«

Der Präfekt nickte und wurde freundlicher: »Gehören die Bösen nicht in sein Reich?«

»Nein,« sagte Pankraz aus vollstem Kinderherzen. »Denn sie haben sein Joch zerbrochen und sagen bei Jeremias: wir wollen nicht dienen.«

»Regiert denn Gott die Bösen nicht?«

»Ja, aber nur nach seiner strengen Gerechtigkeit.«

»Hat denn Gott nicht auch sein Reich in der Welt?«

»Nein! In der Welt und in der Hölle regiert der Teufel. Zum Beweis hat Christus gesagt: ich bin nicht von dieser Welt.«

»Kann die Kirche jemals ausgerottet werden?«

»Nein, auch die Pforten der Hölle werden sie nicht überwältigen.«

»Kann außer der Kirche einer selig werden.«

»Nein.«

»Wie beweist man dies aus dem Alten Testament?«

»Außer der Arche Noah ist auch keiner erhalten worden.«

Jetzt sagte der Herr Präfekt: »Bravo! Bravissimo!« Dann schnupfte er aus seiner Dose (und wer ihn kannte, der wußte, daß das ein Zeichen höchster Zufriedenheit war) und besann sich auf ungemein schwierigere Fragen. »Werden die Heiligen unserer guten Werke teilhaftig?«

»Ja.«

»Wozu nützen sie ihnen denn, wenn sie schon im Himmel sind?«

»Zu noch größerer Ehre und Gloria.«

»Unvergleichlich!« sagte der Präfekt und griff wieder zu seiner Dose. »Möchte der Heilige Geist gern in den Herzen der Sünder wohnen?«

»Ja freilich. Denn er sagt in der Apokalypse: ich stehe vor der Türe und klopfe an; so jemand auftut, gehe ich zu ihm hinein.«

Der Pater Präfekt äußerte das höchste Lob, das sich in lateinischen Worten ausdrücken ließ.

Und wir hoffen, daß auch der hochgünstige Leser mit unserem Pankraz zufrieden ist. Er wird vielleicht in seinem innersten Herzen bedauern, daß ihn der kleine Pankraz im katholischen Wissen schlägt. Aber wer hat in unserer zur Finsternis wandelnden Zeit den schönen englischen Katechismus gelesen und gelernt, den Anno dazumal die Gesellschaft Jesu im Verlag des goldenen Almosens zu München herausgegeben hat?

*

Die Hauptsache des Examens, die Wissenschaft des Katechismus, war bestanden und wir brauchen keine Angst mehr um unser Sorgenkind haben. Es folgte nur noch eine lateinische Aufgabe, die er ebenfalls ausgezeichnet gelöst haben soll. Seine Übersetzung ist leider nicht auf unsere Zeit gekommen; wir wissen nur den zu übertragenden deutschen Text, der uns ein wenig mit Schaudern erfüllt, den wir aber leider unserem hochgünstigen Leser nicht ersparen können. Er soll seinen Kopf in die Hand nehmen und darüber staunen, was für Fallen die alte Zeit aufzurichten verstand, wenn es galt, ein junges Lateinschülerchen auf Herz und Nieren zu prüfen.

Und so lautete die Prüfungsaufgabe:

»Liebste Jünglinge, und vor allem du, mein Alexius, und du, sein Geselle Antipater, und überhaupt ihr alle, seine lieben Jünglinge, merket auf, anerwogen ich euch vieles zu sagen habe. Ich war neulich mit der Flinte spazierengegangen gewesen, ein paar gejagte Hasen mit vieltausend Schroten, welche ich um drei Kreuzer von einem christkatholischen Kaufmann eingehandelt habe, zu schießen. Als aber von mir der Weg genommen wurde durch grasgrüne Gärten, wo in waschnassen Wässern überaus große fast silberfarbene Walfische im schönsten Glanze schwammen und göttliche Lieder aus den himmelreinen Kehlen der Vogelchöre angestimmt waren, war von mir an nichts anderes mehr gedacht, als dieses ausgenommen, daß mir doch jetzt ein paar Hasen gebraten ins Maul laufen möchten. Aber siehe! Da kamen ein paar sehr arme Bettler und ich dachte gewiß, sie würden betteln. Aber denke man, was man oft erfahren muß. Der erste Kerl schlug den zweiten so, daß ich über den Wüterich zornig wurde; ich wollte weggehen und ging auch, mir denkend, die guten Leute könnten möglicherweise in Arrest kommen und dann Soldaten werden müssen. So ist dann Denken eine Buttermilch und man könnte in Raufhändel geraten, wenn man meint, ins Paradies gesetzt worden zu sein. Zweifelt nicht, daß es auch so gehen kann.«

Wie??

Wir weichen den zornigen Augen unseres hochgünstigen Lesers auch hier nicht aus. Wir haben geschworen, die Wahrheit zu geigen, selbst wenn man uns darum den Fiedelbogen ums Maul schlagen sollte.

Und Anno dazumal sahen eben die Prüfungsaufgaben für die kleinen Lateinerlein genau so aus und es half den Schulketzern und Schulneueren gar nichts, daß sie verzweifelte Bücher darüber schrieben.

Sie änderten auch nichts an den Dingen, die Schulketzer.

Und vermochten also auch unseren Pankraz nicht aus den alten Geleisen zu drängen, die ein frommer Geist vorgeschrieben hatte.

 


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