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Das siebzehnte Kapitel

In welchem der Leser den Täufling zur Kirche begleitet und höchst Seltsames miterlebt

 

Im Taufbuch, in das wir mit Autorenfleiß geguckt haben, steht: Pankraz Corleone Hansjakob Pentenrieder, wodurch uns eine geringe Verschiebung in der Reihenfolge der Namen eingetreten zu sein scheint.

Das Tauffest war ein schönes und teures Unternehmen, über das sich wohl reden läßt und über das auch viel gesprochen wurde.

Die Frau Gevatterin (denn der Herr Gevatter kaute noch an den Schimpfworten herum, die im Rathaussaale gefallen waren, und sandte beleidigterweise an seiner Statt seine Frau), die Frau Gevatterin erschien in dem lilasamtenen Kleide, mit dem sie schon zu Ostern von der churfürstlichen Frau Rentmeisterin durch eine neidische Stielbrille hindurch bewundert worden war. Sie brachte ihren kleinen Aloyserl mit (unter den Nachwehen des Angekleidetwerdens weinte der Bub noch ein wenig und lehnte aus Rache jede mütterliche Hantierung an seiner feuchtenden Nase ab), der mit einer großen brennenden Kerze an die Spitze des festlichen Taufzuges gestellt wurde.

Hinter dem Buben ging frommen Schrittes der Pater Guardian gewissermaßen als Schutzengel der Feierlichkeit; er hatte auch diesermaßen ungewöhnlich starke Mittel gegen Hexerei unter der Kutte verborgen.

Die Hebammin Rosina hielt sich mit dem Täufling dicht hinter dem Pater und ihr folgte einer der grauesten Bärte des Klosters, von dem der Geruch besonderer Frömmigkeit ausging – so bewegte sich der Täufling auf seinem ersten Ausflug zwischen zwei mächtigen Gardisten, die dem höllischen Feind den Weg wohltätig absperrten.

Und der Herr Vater Hansjakob ging lächelnd, beneidet, beglückwünscht in einem Knäuel von Basen, die aus weiten Fernen gekommen waren. Er sog ihre huldigenden Gespräche, Ratschläge und Familienmitteilungen auf wie ein stummer Schwamm und ließ seinen stolzen Blick den ganzen Weg über an dem Steckkissen des Säuglings hangen.

*

Die Hebammin Rosina trug den Nasenschnabel sehr hoch und fiel durch einen ungewöhnlichen Stolz auf. Zu diesem ihren neu dargelegten Charakterzug ist wieder zu erwähnen, daß sie zeitweilig über die Gabe der Prophezie verfügte. Es war dies augenblicklich wieder der Fall, und sie flüsterte auf dem Wege zur Taufe den Pentenriederschen Basen manche merkwürdige Wahrnehmung zu, die dazu angetan war, das Schicksal des Knaben vorauszubestimmen. Nach ihrer Vermutung (von der schon einmal kurz und vorsichtig die Rede gewesen ist) war der Bub in eben jenen Tagen erzeugt, in welchen mehrere berühmte Fürsten Beilager hielten. Außerdem erschienen zur Zeit der Geburt große Nordlichter am Himmel, die sie ganz bestimmt nächtlings gesehen hatte, und man konnte daraus schließen, daß Pankraz nicht nur eine Säule der Kirche, sondern auch ein Licht des Staates sein würde.

Der Herr Bürgermeister hörte mitten im summenden Basenschwarm die frohe Botschaft und nahm sich vor, den prophetischen Geist der Frau Rosina durch verschiedene Gläser Branntwein zu fördern.

*

Und hochgemut trat der Festzug mit dem Täufling in die Kirche ein.

Und da ist der Mesner mit seinem trotz aller Hagerkeit freundlichen Trinkgeldergesicht und begrüßt den Pater Guardian als die fürnehmste Person des feierlichen Aufzuges zuerst.

»Ich gratuliere!« sagt der Mesner mit dem Trinkgeldergesicht.

Essigsauer sieht der Pater drein. Er runzelt die Stirne, wälzt dahinter die Gedanken, bemüht sich zu lächeln und bringt es fertig, seine Mienen vom Essigsaueren zum Süßsaueren spielen zu lassen. Denn was ist gegen die Einfalt eines Kirchenmesners zu machen?

*

Pankraz Corleone Hansjakob Pentenrieder machte sowohl den trinkgeldsüchtigen Mesner wie den Herrn Stadtpfarrer sehr bald darauf aufmerksam, daß er nicht gesonnen sei, in der kalten Kirche zu verharren, bis es einer klatschenden Taufgesellschaft beliebe, sich an den Zweck ihres Hieherkommens und an den Täufling zu erinnern: er schrie entsetzlich laut, setzte einmal ab, um der Schallfortsetzung im Kirchengewölbe verwundert zu lauschen, schrie wieder, schwieg und schrie abwechselnd so lange, bis er über das Gebiet der Akustik Bescheid wußte und der Herr Stadtpfarrer den Mesner drängte, den Deckel vom Taufbecken zu nehmen.

Und als der Deckel weg war, steckte jedermann seine Nase über das heilige Taufwasser, als ob dieses für den ungewöhnlichen Sproß ungewöhnlich beschaffen sein müsse.

Und sieh: es war ungewöhnlich beschaffen, trüb, stinkig, ein Massengrab von Fliegen, Würmern, Asseln und anderen ungezieferlichen Kirchenbewohnern – pfui Teufel.

Der Pater Guardian warf einen strengen Blick auf den Herrn Stadtpfarrer und einen halbstrengen auf den Mesner. Der Herr Stadtpfarrer aber gab den Kapuzinerblick hochverzinst an den Mesner weiter und begleitete ihn mit Worten, die in mancher Beziehung zu wenig bekleidet waren, aber durch den fürsorglichen Flüsterton die Weihe des Raumes nicht beeinträchtigen konnten.

Der Mesner aber duckte sich (daß die priesterliche Grobheit über ihn hinwegging, höchstens nur leicht anstreifen konnte) und dachte bekümmert darüber nach, ob er auch immer die Sporteln für Reinigung des Taufbeckens bezogen habe.

Und Pankraz Corleone Hansjakob schrie wieder und erzwang neuerdings die Aufmerksamkeit für sich, auch dadurch eine Beschleunigung des heiligen Taufaktes, der ihm sichtlich von Augenblick zu Augenblick peinlicher vorkam. Auch machte Pankraz Corleone Hansjakob in unverhehltem Groll seiner Abneigung gegen kalte Kirchen Luft und benahm sich mißachtend in seine Windeln hinein. So wirkte er gebieterisch gegen Pfarrer und Mesner und kürzte lateinische Wortreihen und katholische Hantierungen wesentlich ab durch den mächtigen Eifer, der über die beiden Männer gekommen war.

Und liebevoll hielt die Frau Gevatterin den Täufling weit von sich und weigerte sich nicht, ihn wieder an die fromme Hebammin Rosina zurückzugeben, als der heilige Akt vorüber war.

Und alles war gerührt, und darum griffen alle Männer zu ihren Schnupftabaksdosen und bedienten sich mit remedierlichen Priesen, Pankraz Corleone Hansjakob ausgenommen, der die Wohlgerüche dieser irdischen Welt noch nicht kannte. Er schrie nur und die Hebammin Rosina eilte mit ihm nach Hause, während sie ihm beruhigend von frischen Windeln vorschwärmte.

Je nun, was liegt daran, wenn ein Kind in seine Windeln hineinfriert und die Sitten dieser argen Welt verachtet?

Wir werden schon im allernächsten Kapitel sehen, daß es für die Zukunft großer Menschen gar nicht ohne höhere Bedeutung ist, wenn ihre Windeln häufig gewaschen werden mußten.

 


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