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Das dreiundvierzigste Kapitel

Welches Herrn Hansjakob in sehr schlechter, dahingegen den Schmied in fröhlichster Laune antrifft

 

Der Herr Bürgermeister Hansjakob Pentenrieder stampfte auf den Fußboden wie ein Verrückter und schrie, als ob er am Spieße stecke. »Anna! Anna! Du und dein sauberer Pater Pankraz!«

Und in seiner Rechten zerbeulte er den schönen langen Brief, den wir nützlicherweise abgedruckt haben.

Der Brief – – ein Unheil ist im Gange!

Da hat die Frau Mutter in weiblicher Schlamperei das wichtige Schriftstück nicht in Pankrazens Wäschepaketchen gepackt, sondern in der Stube liegen lassen. Und natürlich kam der Herr Vater drüber und hielt sich für verpflichtet, den Brief zu lesen, um recht toben und schäumen zu können. Es war nur gut, daß der Pater Guardian selbst im Hause war, sonst wäre der ganze schwere Redestrom nur auf die Frau Mutter niedergegangen. Vorerst aber stand sie ohne die geistliche Assistenz da, verwirrt und verärgert, und wußte den prasselnden Worten Hansjakobs nicht zu begegnen.

»Dir gib ich einen Kapuziner!« schrie der Herr Vater. »Das tät mir so passen, meinen Buben mit dem Bettelsack über den Schultern von Haus zu Haus schleichen zu sehen! Zu wissen, daß er dem armen Bauern sein bißchen Korn um einen Rosenkranz wegnimmt. Oder gar: daß der Bauer den Bettelsack zum Tor hinausschmeißt. Saggrament! Saggrament! So werden einem die Kinder verführt!«

Und die Frau Mutter stand da und nestelte wütend und furchtsam zugleich an ihrer Schürze. Mit einem Ohr lauschte sie dem Herrn Vater, mit dem anderen hing sie an der Tür und alle ihre Gedanken besagten: wenn er nur käme, wenn er nur käme!

Und da kam er, der Pater Pankraz, der Versöhner, der Mittler, der Schutzengel. Der große Wundermann Pater Guardian Pankraz.

Er säuselte leise (denn seine Ohren waren noch betrübt von dem Lärm, der durch das ganze Haus geschallt war) die sanften Worte: » Pax vobis! Gruß und Segen!«

Der Herr Vater murmelte so etwas wie: »Gehorsamer Diener,« aber er ließ dabei die Zähne mit voller Unbotmäßigkeit knirschen.

Die Frau Mutter atmete auf. »Sie führt der heilige Schutzengel im rechten Augenblick hieher. Mein Mann war soeben etwas unruhig. Er sagte, er wolle nicht, daß sein Sohn ein Kapuziner werde.«

»Nein!« schrie Hansjakob, »und tausendmal nein, Warum soll er betteln? Der liebe Gott hat uns so viel beschert, daß wir mit unserer ganzen Familie leben können, ohne vor jemandens Tür klopfen zu müssen. Wir sind gesund, haben Kopf und Hände und brauchen nicht zu betteln. Ein für allemal: ich will's nicht!«

Der Pater Guardian sah den Herrn Bürgermeister mit durchaus freundlichen Augen an. Er nickte auch des öfteren wohlwollend zu der Rede des Herrn Hansjakob, als ob sie ihm ausnehmend gefiele, und rieb sich die Hände, als wenn er aus ihnen zum Zeichen des Einverständnisses Freudenfeuer aufflammen lassen wolle. Aber dann sagte er doch: »Der heilige Vater Franziskus hinterließ uns das Betteln in seinem Testament. Und die Brüder haben sich ihres geistlichen Bettels nicht zu schämen. So ist's, Herr Vater!«

»So ist's?? Gar nichts ist so! Ich habe ein ganz anderes Sprüchl gelernt: wenn einer gesunde Glieder hat, daß er der Arbeit jederzeit aus dem Weg gehen kann, dann muß er Kapuziner werden. Verstehen Sie mich? Adieu!«

Und plumps war er draußen und die Türe zitterte noch eine Weile in den Angeln.

Der Pater Guardian stand da wie mit Rosen übergossen.

»Was hat er gesagt!« jammerte die Frau Mutter unglücklich.

Und der Pater Guardian stotterte: »Ich weiß nicht, was ich denken soll.«

Die Frau Mutter: »Wieder ein lateinisches Sprüchchen?«

Der Guardian ließ die Frage unbeantwortet und schlug die geballten Fäuste zusammen. Er nahm seinen Studierschritt auf und holte sich aus dem Takt seiner Füße Rat.

»Ach was!« Die Frau Mutter machte ein wegwerfendes Gesicht nach der Türe hin und sah dann dem Pater Guardian wieder ermunternd ins Gesicht. »Kommen Sie, wir wollen ein Glas Wein trinken.« Denn der Mut war wieder über sie gekommen.

»Ja,« brummte der Pater übelgestimmt, »es gibt vorläufig nichts Besseres. Wir müssen nachdenken.«

»Morgen geht wieder ein anderer Wind,« lächelte Frau Anna weise.

Der Pater Guardian schüttelte den Kopf, durch den die böse Rede des Herrn Vaters noch immer gewitterte. »Ich glaube,« sagte er, »dem Herrn Hansjakob wäre lieber, wenn der liebe kleine Pankraz ein armseliger Bauer oder gar ein Soldat würde. Er soll sich was schämen.«

Die Frau Mutter war empört und riet neuerdings, den Gang zum Weinglas zu beschleunigen.

*

Beim zweiten Glase vermochte der Pater Guardian bereits anzustoßen, ohne nur ein bißchen zu zittern. Er hatte auch schon seine neuen Pläne fertig und einigte sich mit der Frau Mutter darüber, daß man sich vor allem der geistlichen Gesinnung und des festen Entschlusses von seiten des kleinen Pankraz versichern müsse. Das wäre wohl die Hauptsache und – er schlug sich an den Kopf – gerade sie habe man immer übersehen. Und dann müsse der Bub durch sein eigenes starkes Bitten dem Herrn Hansjakob zu Gemüte gehen.

Die Frau Mutter war einverstanden und hielt es für gut, daß der Pater sogleich zu ihrem Sohne abreise, um mit ihm über seinen künftigen Beruf ins reine zu kommen. Ordensreif war er, das stand fest, seit der Kleine von dem Jesuitenhütlein geschwärmt hatte; es handelte sich nur mehr um sanfte Direktion.

Und der Pater reiste nach Kehlheim.

*

Um diese Zeit aber frug der Schmied seine Frau, ob er nicht alle sieben Gesellen fortschicken und die Schmiede überhaupt sperren solle? Ob ihr der Lärm nicht weh tue und ob sie nicht doch alle Schonung brauche? Oder ob sie zu Verwandten reisen wolle?

Und das alles frug der Schmied mit den rudernden Armen allein, unterstützt durch die blaue Sprache seiner besorgten Augen und bekräftigt durch das starke Wort: »Zusperren??«

Aber die Schmiedin lachte hellauf, ließ ihre Röslein glühen und sagte: »Laß du das Kindlein den alten Hammerschlag hören und den singenden Amboß – so ist's am allerbesten. Es wird eines Tages neugierig sein und fragen: bist du der Schmied, der so lustig schlägt und den schönen Takt hat und dessen Amboß wie Silber klingt?«

Der Schmied jubelte: »Hahahaha!«

Aber da fuhr ein Wagen vor und zerknickte unter seinen Rädern die Röslein und machte das starke Menschenlachen sterben.

Der Pater Guardian grüßte freundlich und liebevoll und verbarg den Ärger in seinem Herzen, der dem Schmied einen tauben Hackstock und der Schmiedin eine dumme Henne ins Gesicht schreien wollte. Er war sehr liebevoll und erkundigte sich herzlichst nach dem Befinden seiner frommen Freunde, aber er erntete nur des groben Schmiedes hastiges Nicken und von der Schmiedin ein Kommen und Gehen ihrer Röslein.

Und er trug ein paar Falten auf der Stirne, als er in Pankrazens Studierzimmer trat.

Der Schmied machte ein Kreuzzeichen hinter ihm her und verdunkelte den Glanz seiner Augen.

»Vater!« schmeichelte die Schmiedin.

Er strahlte auf.

»Vater, laß den Amboß singen!«

Und er sprang davon und suchte Arbeit für schwere Hämmer. Die eisernen Orgeln brausten und erfüllten das Haus mit dem Gesang der fruchtbaren Hände und dem Hohen Lied der Arbeit. Es dröhnte allen Bettelsäcken der Welt zum Hohn und die Schmiedin flüsterte in sich Muttergebete ihrer ketzerischen Art hinein: »Kindelein, Kindelein! Der Vater, der muß fleißig sein! Wer einen Hammer schwingen kann, den macht man nicht zum Bettelmann.«

Und plötzlich sang sie den klirrenden Hämmern die Melodien nach und das Kindlein unter ihrem Herzen zappelte in Freuden.

Der Pater Guardian aber hielt den Kopf und sagte: »Pankraz, du mußt heraus aus diesem furchtbaren Lärm! Wir wollen eine heilige stille Stätte für dich finden!«

Der junge Mensch starrte ihn an mit Augen, die den Pater an den groben Schmied erinnerten.

*

Der Pater war sehr unparteiisch, als er mit Pankraz über die Standeswahl deliberierte. Er gestand offenherzig, daß der Mensch auch im weltlichen Stand selig werden könne. Aber, aber! Aber, aber! Es sei wohl zu bedenken, daß man im geistlichen Stande viel seltener fehle, viel geschwinder wieder aufstehe und somit leichter selig werde. In der Welt hingegen gäbe es viel mehr Gefahren und viel mehr Gelegenheiten zur Sünde. Da aufrecht zu gehen, ohne zu straucheln, heiße so viel als auf Dornen wandeln, ohne zu bluten, ins Meer gesenkt und nicht verschlungen werden, in Banden liegen und nicht gefesselt sein, auf schlüpfrigen Wegen tanzen und nicht zu fallen, unter reißenden Löwen und blutdürstigen Tigern ruhig und unversehrt zu wohnen, mitten im Feuer stehen und nicht zu brennen.

Und aus den Augen des Jungen guckte wieder der Schmied.

In Summa, sagte der Pater hastiger, eindringlicher und fast zornig, das wäre so viel, als Wunder wirken zu wollen, ehe man heilig ist.

Und Pankraz schlug die Augen nieder.

Christus selbst habe nichts von der Welt gehalten, fuhr der Pater mit ablehnender Geste fort. Habe er nicht ausdrücklich gesagt, daß es nichts nütze, wenn der Mensch alles in der Welt gewinne?

Hier nickte Pankraz und fand zu seiner Demut zurück.

Wenn er richtig auf die Altarbilder schaue, sagte der Pater überzeugend, so würde er tausend Ordensmänner in Öl gemalt, in Stein gehauen oder in Holz geschnitzt finden, ehe er einen Weltmann dargestellt sehe.

Also??

Dieses und noch vieles anderes sagte der Pater Guardian, ohne irgendwie parteiisch zu sein.

Und Pankraz riß die Augen groß auf und war in tiefster Seele erschüttert.

Er sah, daß der Pater zur rechten Zeit zu ihm gekommen war, ihn aus der Stumpfheit und aus der Trägheit seiner frommen Zwecke zu erretten.

 


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