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Solche Wärme wie in der Nacht auf den 26. August hatte das Minimumthermometer zwei ganze Jahre hindurch nicht angezeigt; wir hatten 12,3 Grad. Von Tubges begleitet, begab ich mich zur Brücke. In seiner Eigenschaft als Hirte aus dem Schejoktal und gewöhnt an die wildzerklüfteten Talgänge und das schäumende Sommerwasser des Schejokflusses und an die schwankenden Brücken in Ladak, galt er unter uns als derjenige, welcher am sichersten auf den Füßen war; ihm sollten daher meine Karten und Aufzeichnungen anvertraut werden. Die wertvollen Resultate neunmonatiger Arbeit lagen in drei kleinen Kisten aus Toktschen verpackt, und Tubges sollte nur immer eine hinübertragen, damit, wenn er ausglitte, nicht alles verloren ginge. Breitbeinig und sicher überschritt er in wiegendem Gang schon mit der ersten Kiste die Brücke, ehe ich noch dazu kam, ihm vorzuschlagen, er solle hinüberkriechen und die Kiste vor sich herschieben. Als auch die beiden andern Kisten glücklich am linken Ufer hingestellt waren, fühlte ich mich beruhigt und setzte mich auf ihnen nieder, um zu beobachten, was nun kommen sollte.
Mit einem Ballen auf dem Rücken stieg Suän zum Brückenkopf hinauf. Als er aber den schwankenden Steg vor sich sah und auf den wirbelnden Fluß in der Tiefe hinabschaute, blieb er stehen, schüttelte den Kopf und kehrte um. Die Lachsalven der Kameraden ermutigten ihn wieder. Vorsichtig balancierend schritt er mit ernster Miene und angehaltenem Atem vorwärts, und als er glücklich am andern Ufer angelangt war, begann er zu tanzen und zu singen und schwur einen heiligen Eid, daß er nie wieder seinen Fuß auf diese Brücke setzen werde. Gulam, Kutus und Lobsang gingen hin und her, um Zelte, Säcke und Sättel nach dem linken Ufer zu bringen, und bald war sämtliches Gepäck hinüberbefördert.
Nun kam die Reihe an die Maulesel und die Pferde. Ein netter alter Mann aus Korang, der mit der Brücke genau Bescheid wußte, kam von selber, um mir seine Hilfe anzubieten. Bei jedem Schritt mit dem Hufe tastend, ging der erste Maulesel hinüber; seine Kameraden überwanden dieses Hindernis auf ihrem Wege mit derselben kaltblütigen Ruhe und Klugheit. Nachher führte der alte Mann aus Korang einen Rappen heil über die Brücke und machte es mit einem rotbraunen Hengste vom Teri-nam-tso ebenso. Ein drittes Pferd fand die Situation äußerst ungemütlich, entschloß sich aber bald, seinem Führer zu folgen.
Die beiden Schimmel waren, wie gewöhnlich, am Schlimmsten. Der große scheute schon beim bloßen Anblicke des Steges und drängte sich auf der Oberfläche der Steinmauer so weit rückwärts, daß er mit den Hinterbeinen über den Rand hinausgeriet; er wäre ganz gewiß hinuntergestürzt und hätte sich das Genick gebrochen, wenn nicht zwei schnell hinzueilende Ladaki ihn so lange festgehalten hätten, bis Hilfe kommen konnte. Während er sich beruhigte, ergriff der Alte mein Reitpferd an der Halfter und trat auf die Brücke hinaus. Ich erwartete, wieder den Todessprung zu sehen. Aber das Pferd blieb ganz ruhig und folgte dem Manne, nur ging es ein wenig schneller, als es sich dem festen Boden näherte.
Der Alte aus Korang schien eine besondere Gabe zu besitzen, die Brückenangst widerspenstiger Gäule zu besiegen. Er brachte auch den andern Schimmel dazu, ihm zu folgen; aber das Tier wollte möglichst kurzen Prozeß machen und begann daher sofort zu galoppieren, so daß die Brücke ärger denn je schaukelte. Es war eine tüchtige Tat, so über das jämmerliche Ding hinüberzugaloppieren, ohne auszugleiten oder mit dem Fuße zwischen die Latten zu geraten. An allen Gliedern zitternd kam das Pferd hinüber, und nun brach lauter Jubel aus.
Dann wurde die Karawane beladen und der Tagemarsch am linken Ufer angetreten, wo eine lange, hübsche Manimauer errichtet war und wo unter uns der Fluß rauschte (Abb. 142). Rokti-tschu ist ein kleines Nebental mit einem wildstrudelnden Bache, über den eine Brücke der gewöhnlichen Art führt. Nachher werden die Hänge weniger steil, und wir entfernen uns vom Satledsch.
142. Satledschtal unterhalb Loptschak. (S. 333.)
Eine Biegung, und wieder dringt das Rauschen einer Stromschnelle an unser Ohr. Auf ihrer andern Seite liegt das Dorf Tschok, der idyllischste Ort, den ich bisher in Tibet gesehen habe. Der Pfad führt durch einen wahren Park von Pappeln und Weiden, und in den Kronen der Aprikosenbäume hängen halbreife, gelbe Früchte. Kleine Kanäle rieseln zwischen den Bäumen, und unter dichten Laubgewölben herrscht angenehm kühlender Schatten. Hier und dort schimmert eine Hütte durch das Laubwerk und neben dem kleinsten Tempel, den ich je erblickt habe, erhebt sich eine Wimpelstange. Oberhalb des Parkes liegt amphitheatralisch das eigentliche Dorf mit herrlicher Aussicht über Berge und Täler, und die Straße befindet sich in gleicher Höhe mit den Dächern der obersten Häuserreihe, auf denen Aprikosen zum Trocknen liegen.
Eine Weile folgen wir dem Fuße einer Felsenwand und ziehen dann steil abwärts auf anstehendem Gestein, Gneis und Glimmerschiefer, wo der Weg durch Steinmauern und Flechtwerk verbessert worden ist. Über neue Stromschnellen hinweg geht die Straße nach Largjäp, wo die Dorfbewohner gerade mit dem Mähen ihrer üppigen Gerstenernte beschäftigt sind. Bergauf und bergab, in Täler hinein und wieder hinaus geht es weiter an langen Manimauern vorüber und durch ein freistehendes Tschortenportal mit Buddhabildern als Deckengemälden, jener den Göttern des Gebirges dargebrachten stummen Huldigung. Schließlich führt der Pfad kopfüber nach dem Grunde eines Tales hinunter, wo der Bach Salve-tschu betäubend einhertost.
Frühlingsgrün und schaumweiß stürzt das Wasser in leichtsinnigen, gedankenlosen Stromschnellen über rundgeschliffene, blankpolierte Blöcke hin, zischt, wirbelt und brodelt, als ob es nicht schnell genug zum Satledsch hinuntergelangen könnte. Eine feste Brücke führt über den Salve-tschu, an dessen linkem Ufer steile Felshänge nach meinem heutigen Ziele hinabführen, nach Schipki, meinem letzten Lager auf dem heiligen Boden Tibets.
Schipki war auch mein schönstes Lager in Tibet (Abb. 140). Die Zelte wurden auf einem Grashang aufgeschlagen, wo es süß und frisch nach feuchtem Humus und saftigem Grase duftete und die Aprikosenbäume kühlenden Schatten spendeten. Der Wind wehte in heftigen Stößen, es raschelte so gemütlich in den Baumkronen, und am Fuße der Böschung rauschte der Salve-tschu. An einem höheren Abhange seines Ufers sah man ein ackerbautreibendes Dorf, und im Hintergrund wachten mächtige, in einen dichten Wolkenschleier gehüllte Bergriesen. Wie um die Annehmlichkeit meines Aufenthaltes beim Dorfe zu erhöhen, stellten sich Männer und Frauen ein, die mir höflich »Salam Sahib« zuriefen und kleine Gaben an Butter, Milch und Obst brachten. Keiner machte Miene, mir noch auf der Schwelle Indiens Halt gebieten zu wollen.
140. Unter den Bäumen des Dorfes Schipki. (S. 334.)
Skizze des Verfassers.
Friedvoll und mild kam die Nacht mit ihren 13,5 Grad; die Sterne funkelten zwischen dem Laube der Aprikosenbäume hindurch, und sausende Winde und rauschendes Wasser wiegten uns in den Schlaf. Frühmorgens waren wir schon marschbereit und schickten uns an, nach größeren Höhen hinaufzuziehen, von Schwärmen von Bettlern und Fliegen begleitet. Die ersteren stellten sich uns bei jeder Biegung in den Weg und streckten uns kleine Blumensträuße entgegen. Sie waren die letzten Tibeter, die ich sah, und wie hätte ich ihnen ein Scherflein verweigern können? Nach und nach verschwanden sie, und auch die geflügelten Quälgeister wurden höher aufwärts immer spärlicher. Die Fliegen, die uns auf der andern Seite des Passes umschwärmten, waren englische Untertanen.
In Schipki hatte ich glücklicherweise fünf Yaks aufgetrieben; ich konnte daher meine eigenen Tiere beim Überschreiten des schwierigen Passes schonen. Das Klettern beginnt, sobald wir Schipkis Gehöfte, Felder und Kanäle hinter uns haben. Sehr steil windet sich der Pfad zwischen Blöcken und Geröll hindurch, über sumpfige Talrinnen mit üppigem Grase und über rieselnde Bäche hinweg und an mühsam zu erklimmenden Hängen und domförmigen Hügeln empor. In dem schmalen Keile einer flachen Schlucht liegt der letzte Acker, der zu Schipkis Feldern gehört. In der Gegend Jajur beginnt die schwierigste Steigung. Hier geht es langsam. Die Tiere legen immer nur ein paar Schritte hintereinander zurück und bleiben dann schnaufend stehen, um nach Atem zu ringen. Sogar die Yaks atmen mühsam, ihre blutunterlaufenen Augen blicken starr, und die Zunge hängt blaulila und triefend aus dem Maule.
Hoch droben auf der andern Satledschseite erfreuen sich einige Mönche von den Fensterscharten des kleinen Klosters Puri-gumpa aus einer herrlichen Aussicht. Dort erhebt sich auch über dieser Welt majestätischer Berge der wunderbar schöne, wildzerklüftete Gipfel des Rio Porgjul, aber verdeckende Wolken breiten oft ihre Schleier um die Stirn des Riesen. Er steht dort wie ein Vorposten, die Reihe königlicher Gipfel ankündigend, deren Bogen Indien im Norden umspannt und von denen einige die höchsten der Erde sind.
Nur hinter uns, in der Richtung der Brücke von Loptschak, sehen wir den Satledsch sich in der Tiefe schlängeln und mit dem Gebirge kämpfen, ein überwältigender Anblick, ein Bild erhabener Größe, wie es nur der Himalaja zu bieten vermag. Das ganze Tal liegt wie eine bodenlose Tiefe unter uns, und um uns herum türmen sich die Kämme auf, deren Zinnen in die Wolken ragen. Wir selbst sind schon so hoch gelangt, daß uns dünne Wolkenfetzen, rein und weiß wie Wasserdämpfe, zeitweise die Taltiefe verhüllen. Zuweilen fällt ein wenig Sprühregen, und die Luft ist kühl. Nicht weit nach rechts gewahren wir das äußerste Ende des Felsengrates, auf dem wir uns mühsam nach dem Schipki-la hinaufarbeiten. Von seinem Rande geht das Gefälle senkrecht nach dem schwindelerregenden Abgrunde hinunter, auf dessen Boden der Satledsch seine wilde Durchbruchsbiegung ausführt. Nie hat ein Menschenauge die Felsenwände jenes dämmerigen, schäumenden Schlundes erblickt. Wird in ihnen je ein Weg gesprengt werden, eine Straße, die den Karawanen das Überschreiten des Schipki-la ersparen würde?
Nach einer letzten, sehr anstrengenden Steigung sind wir droben am Steinmal (Abb. 141, 143, 144). Die Yaktreiber nannten den Paß Pimig-la, erklärten aber, daß er nach dem Dorfe öfter Schipki-la genannt werde. Die Höhe beträgt 4695 Meter, und wir sind von der Brücke von Loptschak an wieder um 1713 Meter gestiegen. So tief hat sich der Satledsch an diesem Punkte in den Himalaja eingeschnitten! Leider war die Aussicht über das Gebirge nach der indischen Seite hin durch dichte Wolken versperrt, unter deren Decke nur das ungeheuere Tal sichtbar war, nicht aber der hierzu tief in seinem Graben liegende Fluß.
141. Schipki-la. (S.336.)
143. Auf dem Schipki-la. (S. 336.)
144. Ziegenkarawane auf der Paßhöhe. (S. 336.)
Zum letzten Male befinden wir uns so hoch über dem Meer. Jetzt geht es endlich bergab. Doch nicht sofort. Erst müssen wir noch über eine schüsselförmige Einsenkung mit einem Tümpel, der Tsokam heißt, und einem kleinen Gletscherbache. Hier, bei Paschagang, ist die Grenze zwischen Tibet und Indien. Auf dem Hinterrande der Mulde blieb ich ein paar Minuten stehen, um Abschied von Tibet zu nehmen. Weit drang der Blick nicht in das Reich des Transhimalaja hinein, aber ein bunter Zug wunderbarer Erinnerungen und toller Abenteuer zwischen den die Aussicht hindernden Bergen ging an meinem innern Auge vorüber. Hier endete nicht ein Kapitel, auf dem Schipki-la wurde ein ganzes Buch zugeschlagen!
Auf indischem Boden eilten wir leidliche Hänge hinunter; bald aber wurde die Abdachung immer steiler, und immer schneller kehrten wir in die dichteren Luftschichten zurück, über die der Paß uns einige Stunden erhoben hatte. Steine und Schutt umrasseln unsere Füße, eine Schafherde in einer Mulde huscht an uns vorüber, ein Rinnsal spritzt kristallklar auf eine Granitplatte in dem Taleingange Kamlung herab, und schließlich rutschen wir in einer abschüssigen Rinne, zwischen Sträuchern und Blöcken hindurch, nach einer Stelle hinunter, auf der sich uns die Aussicht auf das Dorf Namgja-ridsching, seine wogenden Felder, seine dichtbelaubten Haine und seine Dschungeln voll üppiger Vegetation erschließt.
Ein soeben abgemähtes Feld bietet für das Lager 484 einen passenden Platz. Tief unter uns zeigen sich mehrere Dörfer auf ihren Bergabsätzen (Abb. 145). Auf der rechten Seite steigen wilde, schroffe Felsen zu schwindelnder Höhe über dem Flusse an. Unendlich schön und bezaubernd ist diese Aussicht. Heftige Windstöße fegen über die steilen Hänge hin; es pfeift in der Hecke wilder Rosen, die eine Barrikade um unsere Zelte herum bildet.
145. Ein typisches Dorf an der tibetischen Grenze. (S. 336.)
Die Dorfbewohner sind Lamaisten, sprechen tibetisch und tragen um den Hals Schnüre mit den göttlichen Talismanen. Die bauschighängenden Pelze haben aufgehört, die Trachten sind von der indischen Seite her beeinflußt worden, und die Männer tragen dünne, enger anliegende Röcke. Unser Wirt hatte einen kurzgeschnittenen grauen Bart und ein Käppchen auf dem Scheitel. Er hieß Hira und war »Numberdar«, Dorfältester, in Namgja-ridsching. Er hatte schon manchen Sahib gesehen, und als er zu uns kam, um mir einen Armvoll Zuckerrüben zu überreichen, fragte er, ob er uns irgendwie gefällig sein könne. Jawohl, er solle seinen Amtsbruder in Poo brieflich ersuchen, daß zu unserm am nächsten Tage vor sich gehenden Übergang über den Satledsch alles Nötige bereit gehalten werde. Er erzählte, daß weiter unten in dem Dorfe Tovaling kürzlich zehn Personen an den Blattern gestorben seien. Ein indischer Arzt sei dort angelangt und habe die ganze Einwohnerschaft geimpft. Als die Yaktreiber aus Schipki dies hörten, baten sie mich, sofort umkehren zu dürfen. Sie wurden gut bezahlt und arbeiteten sich wieder nach dem Passe hinauf. Mit ihnen wurde das letzte Band, das mich noch an Tibet geknüpft hatte, zerrissen.
Ich schreibe den 28. August in mein Tagebuch ein. Staubig, voller Schutt und an beiden Seiten mit Dornendickichten eingefaßt, geht die Straße steil auf abschüssigen Hängen bergab weiter; in ihrer Nähe liegt das eigentliche Namgja, dem noch tiefer drunten auf einer hügeligen Terrasse das Dorf Kapp folgt. Hier tritt der Satledsch aus seinem Felskorridor heraus; das Gefälle verlangsamt sich, und jenseits eines Tschortenportals ziehen wir einige fünfzig Meter über dem Wasser am Ufer hin. Es geht jedoch auch jetzt bergauf, bergab, je nach der Form der steilen Abhänge. Hier reitet man nicht gern auf einem Pferd, das aus den flacheren Teilen des Transhimalaja stammt. Manchmal liegt der Weg wie ein schmaler Streifen an einem überaus schroffen Abhange, der unvermittelt in den dumpf und schwer rauschenden Fluß abstürzt. Die Felsen des rechten Ufers scheinen senkrecht zu sein; trübgraue Wellen bespülen ihren Fuß. Granit wechselt mit schwarzem Glimmerschiefer. Einen schönen Anblick gewährt auch die eigentliche Tiefe des majestätischen Tales, in die wir von der Höhe des Schipkipasses aus so weit unter uns hinabschauten. Jetzt sind wir wie in einer Mausefalle und haben das ängstliche Gefühl, uns unterhalb kolossaler Wände und Gipfel zu befinden. Ein Bergrutsch – und jeder Gedanke an Rettung wäre vergeblich.
Ah! Ich kann einen Ausruf des Erstaunens nicht unterdrücken, als ich das Tidangtal erblicke, in welchem ein Hochgebirgsbach unter wütendem Tosen einen weißen, schäumenden Wasserfall bildet, der wohl 15 Kubikmeter mächtig ist. Auf der prächtigen Brücke unterhalb des Falles verweilt man gern einige Minuten. Etwas weiter abwärts macht der Satledsch einen Bogen nach rechts, und in einem Talboden zur Linken bleibt das von den Blattern heimgesuchte Dorf Tovaling hinter uns zurück.
Hier sauste der Eilbote Ngurup Dortsche, der mit der Botschaft nach Poo beauftragt war, an uns vorüber. Es war um die Zeit, als wir bis zum Übergang über den Satledsch nur noch eine kleine Strecke zurückzulegen hatten. Dem Boten wurde der Botschaftstock ausgehändigt, und eiligst verschwand er mit ihm auf dem Wege.
Wir folgen seiner Spur. Ein Erdrutsch, der die Straße weggerissen hat, hält uns eine gute Stunde auf. Mit unserm einzigen Spaten mußte ein neuer Weg in den steilen Abhang gegraben werden, worauf die Männer erst die Tiere, damit sie nicht in den Fluß stürzten, vorsichtig über die Stelle hinwegführten und dann das Gepäck hinübertrugen. Wieder steigt die Straße bergan und läuft auf dem äußersten Rande eines Hanges hin, der senkrecht, ja sogar überhängend wird. Ganz am Rande haben Gras und Sträucher noch Wurzel schlagen können. Wer hier fällt, stürzt kopfüber in den Fluß. Das rechte Ufer hat dieselbe Bildung; der Fluß geht durch eine Riesenrinne, deren Tiefe größer ist als ihre Breite, und nach vorn sowohl als auch rückwärts bei den Biegungen sehen wir ihren Querschnitt als dunkle Felsentore.
Hier unten ist es warm. Dicht und schwer liegt die eingeschlossene Luft über dem Flusse. Wir machen halt und trinken aus Quellen und Rinnsalen, die aus dem Schoße des Gebirges hervorsprudeln. Hier erreicht uns keine Brise.
Schließlich zwingt uns eine steile Bergwand, bis an den Rand des Wassers hinabzusteigen, wo wir die sich schnell dahinwälzenden Wellen des Flusses von der Seite sehen. Dann geht es wieder einen kleinen Abhang hinauf, nach der Plattform des unheimlichen Felsenvorsprunges, der über dem tiefen Graben des Flusses schwebt und auf welchem man keinen Schimmer einer Brücke sieht. Und doch liegt Poo an der andern Seite, und wir müssen hinüber!