Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Zweites Kapitel.
Neue Bekanntschaften.

Die Nachtkälte sank auf nur 6,2 Grad unter Null, und eine dünne Eishaut hatte ihre glasklare Scheibe über den alten See gespannt. Wir waren nicht die einzigen Gäste, die an seinem Ufer rasteten. Eine Karawane aus Gyanima war in aller Frühe in drei Abteilungen herangezogen, und ein Mitglied der Gesellschaft näherte sich vorsichtig unserm Lager, um auszukundschaften, was für Leute wir seien. Rabsang ließ sich mit dem Manne in ein Gespräch ein und fragte ihn, ob er irgendetwas Eßbares zu verkaufen habe. Ja wohl, ein wenig Butter und Reis könne er entbehren. Er werde sofort hingehen, um etwas zu holen. Kaum hatte er jedoch Zeit gehabt, einige Worte mit den Seinen zu wechseln, so beluden sie schleunigst ihre Yaks und Schafe und verschwanden in dem nordwärts nach Gertse führenden Tale. Hielten sie uns für Wegelagerer?

Wir schlagen die Zelte ab und beladen unsere Tiere, ich schwinge mich in den Sattel, und weiter geht die Reise durch dieses hoffnungslos öde Land. Auf der Uferebene laufen die Wildesel herdenweise umher. Sie sind scheu. Am Tso-mavang kann man sich ihnen nach Belieben nähern. Keiner schickt in Sehweite des Götterberges dem Kiang eine Kugel nach, und die Tiere wissen, daß der heilige See und seine Ufer eine Freistatt sind. Hier aber, wo es keine Heiligtümer gibt, ist es den Wildeseln ganz genau bekannt, daß der Wolf nicht ihr einziger Feind ist.

Dem bloßen Auge unmerklich hebt sich die Ebene in der Richtung nach der Talmündung Gjekung-scherma. Wo sind die Nomaden in diesem von Gott vergessenen Lande? Eine Berglehne im Süden ist schwarz getüpfelt. Sollten es grasende Yaks sein? Nein, das Fernglas klärt uns darüber auf, daß es nur Feuerungshaufen und kleine Steinmale sind. Bis ins Unendliche unbewohnt kann die Gegend wohl nicht sein, wir haben ja schon so viele Spuren alter Lager erblickt.

Heute geht kein Wind. In dem Tale, dessen Kalksteinfelsen die Sonne erhitzt hat, ist es ordentlich heiß. Das Tal ist kurz und wird im Hintergrund von einem flachen Passe begrenzt. Endlich! Dort kommt eine Schar schwarzer Yaks den Abhang heruntergetrippelt! Sind es umziehende Stammgäste aus Jumba-matsen oder ist es wieder eine Karawane aus Gertse, die unsern Kurs wie ein Schiff auf dem Meere kreuzt, ohne uns auch nur einen Gruß über die Wellen zu senden? Jedenfalls wollten wir diese Freibeuter nicht entwischen lassen. Um jeden Preis mußten sie uns Lebensmittel und Transportmittel verschaffen, und wenn sie sich weigerten, dann wollten wir ihnen in asiatischer Weise den Text so lesen, als seien wir aus Tamerlans Tagen auf diese Welt zurückgekehrt.

Meine Leute sehnten sich nach Menschen, welcher Art sie auch seien. Nur Pema Tense war in Verzweiflung.

»Es ist gewiß der Häuptling von Jumba, der umzieht,« sagte er, »erwischt er mich, so prügelt er mich erst windelweich und dann nimmt er mir die 96 Rupien, die ich von euch erhalten habe.«

»Dann wird es wohl das beste sein, du packst deine Sachen und verschwindest, Pema.«

»Ja, aber laßt mich noch eine Weile hier bleiben, während Rabsang talaufwärts geht und Ausschau hält.«

Rabsang ging und kehrte nach einer Stunde zurück. Es waren ganz richtig Nomaden aus Jumba-matsen, die im Begriff waren, umzuziehen. Drei Zelte waren bereits aufgeschlagen. Die Yaks sollten eine Weile grasen, dann würden sie wieder über den Paß zurückgetrieben werden, um weiteren Vorrat von der beweglichen Habe ihrer Herren zu holen. Ein ganzer Haufe der verschiedensten Säcke und Bündel, die Fleisch, Gerste und Tsamba enthielten, lag schon auf dem neuen Lagerplatze aufgestapelt.

Nun war die Sache klar. Die noch übrige Gerste wurde einem unserer Pferde aufgeladen, wir sagten Pema Tense Lebewohl, wünschten ihm auf seinem langen Wege nach Gertse alles Gute und zogen talaufwärts weiter. Wir sahen den Verlassenen sich in den Schutt setzen, wo er gelassen seine Pfeife anzündete. Dort saß er eine Weile und schaute uns nach. Schließlich aber trieb er seine Schafe zusammen und wanderte nach dem See hinab. Er würde seine Kameraden bald einholen und in ihrer Gesellschaft nach Hause ziehen.

Wir aber gingen neuen Bekanntschaften entgegen. Zwei Tibeter kamen uns mit verlegenem Gruße entgegen, als wir uns ihren Zelten näherten. Sogleich wurde ihnen alle ihre Kenntnisse in der Geographie der Gegend abgefragt; sie teilten mit, daß Jumba-matsen der Name eines Gebietes sei, das im Ostnordosten des Passes liege. Dort ständen 45 Zelte unter dem Befehle des »Gova«, des Häuptlings. Ihre Herden weideten im Sommer in einer weiter nordostwärts gelegenen Gegend. Ende Oktober zögen sie zum Mugusee hinunter und blieben dort während der kältesten Wintermonate. Sobald der Lenz dem Winter die Spitze abgebrochen habe, kehrten sie langsam nach Jumba-matsen zurück.

Auf diese Weise beschreiben die Nomaden mit dem Wechsel der Jahreszeiten einen Kreis von einer Gegend zur andern. Im Sommer findet man sie in dem einen Tale, im Herbst in einem andern. Wenn der Winterfrost in der Eisdecke des Mugusees klingt, dann wissen die Wildesel, daß ihre Zeit zum Abziehen gekommen ist. So ist es seit dem grauesten Altertum vom Vater auf den Sohn gewesen. Die Erfahrungen, welche die Nomaden unserer Zeit besitzen, sind das Erbe unzähliger dahingegangener Generationen. Sie haben gefunden, daß die Weideplätze in Jumba-matsen sich am besten zur Sommerweide eignen und daß die Wiesen um den See herum für den Winterbedarf ausreichen. Wenn die Winterweide zu Ende ist, kehren sie schrittweise nach ihren Sommerwohnplätzen zurück. Ein Volk, dessen ganzes Dasein auf Schafzucht beruht, entwickelt gerade die Seiten seines Beobachtungsvermögens, die der Aufzucht der Herden zugute kommen. Sie kennen jede Quelle, jede Höhle in ihrer Heimat, sie wissen, wo giftige Pflanzen die Weide gefährlich machen. Rechtzeitig trennen sie die Lämmer von den Mutterschafen und sorgfältig gewöhnen sie die Schafe an das Tragen kleiner Lasten. Vor den Wölfen der Wildnis ist der Nomade immer auf seiner Hut, und in allen Wechselfällen des Lebens geht er mit seinem Erbteil sorgsam um.

Der Häuptling von Jumba-matsen besitzt 500 Schafe, seine ganze Zeltgenossenschaft 8000. 200 Yaks und 15 Pferde gehören auch zu seinen Untertanen. Mitte August werden die Schafe geschoren und die Wolle an Händler verkauft, die aus Ladak und von der indischen Grenze herkommen (Abb. 5). Ein großes Schaf bringt eine halbe Rupie ein. Am Tso-mavang ist die Wolle teurer, aber dort fällt für den Abnehmer auch ein großer Teil der Beförderungskosten weg.

5. Transport von Schafwolle. (S. 12.)

Unsere tibetischen Nachbarn waren im Dienste des Jumbahäuptlings angestellt und konnten uns ohne die Erlaubnis ihres Herrn nicht helfen. Ich schickte daher einen von ihnen über den Paß zurück, um den Jumba-matsen-tschigep, wie der Titel des Häuptlings lautete, zu bitten, daß er in eigener Person zu mir komme. Doch jetzt war es Abend, und früher als am folgenden Morgen konnten wir ihn nicht erwarten.

Der Abend im Lager 241 war kalt und windstill. Schon um 9 Uhr hatten wir 2 Grad unter Null und während der Nacht 13 Grad. Der blaugraue Rauch des Feuers ringelte sich wie ein Elfenreigen talwärts, durch den schwachen Lufthauch vom Passe her getrieben. Dunkelblau und klar spannte sich der Himmelsbogen über die Erde, die Sterne leuchteten wie funkelnde Edelsteine, der Bergeskranz bildete einen geschweiften, rabenschwarzen Rahmen um das Lager, und über einem Grate stieg der Mond gleich einem Silberschild auf.

Ich liege noch eine Weile wach und lausche diesem geheimnisvollen Schweigen. Das Mondlicht fällt gedämpft durch das Zelttuch, und hier und dort glänzt ein Strahlenbündel durch ein Loch in der Decke. Bald schlafen wir alle fest in diesem seltsamen, geheimnisvollen Tibet.

Als ich am Morgen ins Freie trat, saßen zwei wohlhabende Nomaden plaudernd bei meinen Leuten. Sie trugen schwarze, bauschige Pelze, weiche Filzstiefel mit roten Bandösen und um das lange, zottige Haar turbanartige rote Binden.

Sie erhoben sich, kratzten sich den Kopf und steckten nach Landessitte die Zunge heraus. Daß sie ein bißchen verlegen waren, war kein Wunder, sie hatten noch niemals einen Europäer gesehen. Aber kaum hatte die Unterhandlung begonnen, so verschwand auch ihre Schüchternheit.

»Welcher von euch ist der Jumba-matsen-tschigep?« fragte ich.

»Keiner! Der Häuptling hat nicht selber kommen können, aber er hat uns geschickt und läßt grüßen. Woher kommt Ihr, Herr, und wohin reist Ihr?"

»Ich komme vom Kang-rinpotsche und bin jetzt auf dem Wege nach Gartok.«

»Weshalb aber zieht Ihr dann nordostwärts, Gartok liegt ja im Südwesten.«

»Ich bin hierher gekommen, um Proviant zu kaufen und Lasttiere zu mieten. Morgen müssen fünf Pferde und ebenso viele Yaks marschbereit vor meinem Zelte stehen.«

»Darauf kann Euch nur der Häuptling Bescheid geben. Wenn der Serpun, der Goldkontrolleur, durch unsere Gegend reist, dann ist er berechtigt, die Lasttiere der Nomaden ohne Entschädigung zu benutzen. Ihr aber habt keinen ›Lamik‹ (Paß). Nicht einmal ein ›Dschaik‹ (Botschaftstock) hat uns von Eurer Ankunft unterrichtet. Daher wird der Häuptling Euer Verlangen nicht gewähren können.«

»Schön, dann schicke ich zwei meiner Leute nach Gartok und bleibe während der Zeit hier. Treibt ihr aber die Lasttiere, deren ich bedarf, selber auf, dann gebe ich täglich zwei Rupien für jedes Pferd und eine Rupie für jeden Yak und dazu den Führern, die ich brauche, eine anständige Vergütung. Geht ihr darauf ein?«

»Morgen sollen die Pferde und die Yaks marschbereit vor Eurem Zelte stehen«, antworteten sie, nachdem ich ihnen das Geld für den ersten Tag ausgezahlt hatte. Nun wurden sie gefügig und gemütlich und machten sich aus allen Verboten, die aus Lhasa ergangen waren, auch nicht das geringste. Auf die Verschwiegenheit ihrer Stammesgenossen konnten sie bauen, und die Wildgänse plaudern nichts aus.

»Erzählt mir, was ihr von dem Lande im Osten wißt«, bat ich sie. Und sie erzählten allerlei; aber ihr Horizont war eng. Sie kannten den Lakkor-tso, den ich 1901 besucht hatte, hatten vom Dangra-jum-tso gehört, den ich kürzlich aus der Ferne gesehen hatte, und waren oft nach Selipuk und dem Nganglaring-tso, wohin ich nach einem Jahre kommen sollte, geritten, bald auf einer nördlichen Straße über ein Goldfeld, bald auf einer südlichen, welche die Quelle des Aong-tsangpo streifte, eines Flusses, der sich in den Nganglaring-tso ergießt. Beide Wege nehmen vier Tage in Anspruch; um den See herum haben Nomaden des Rundorstammes ihre Zelte.

Nach einer kalten Nacht brach der 17. September an. Schwer und langsam schritten vierzig vollbeladene Yaks talabwärts. Es war eine neue, aus vier Zeltgemeinschaften bestehende Genossenschaft, die aus Jumba-matsen nach der Mündung eines weiter abwärts liegenden Nebentales übersiedelte (Abb. 6–8). Jede Zeltgenossenschaft hat ihren eigenen Lagerplatz, und da, wo man sich unverbrüchlich dem alten Herkommen fügt, kommt es nicht zu Weidestreitigkeiten.

6. Nomaden unterwegs. (S. 14.)

7. Nomade aus Jumba-matsen. (S. 14.)
Skizze des Verfassers.

8. Nomadenzelt. (S. 14.)

Die bestellten Lasttiere wurden rechtzeitig herangeführt. Die Pferde waren klein und zottig, aber dafür, daß sie in einer solchen Wüstenei aufgewachsen waren, merkwürdig feist und wohlgenährt. Wenn die Jagd ergiebig gewesen ist, füttert man sie mit gedörrtem Fleisch, was vielleicht dazu beiträgt, sie so gesund und glänzend aussehen zu machen. Nur zu längeren Ritten beschlagen die Tibeter ihre Pferde und dann auch gewöhnlich nur die Vorderhufe.

Jetzt sollten meine eigenen Lasttiere unbeladen gehen, denn die Yaks übernahmen alle Lasten. Meine Leute, die sich auf einem Wege von 180 Kilometer die Sohlen durchgelaufen hatten, sollten reiten. Unsere neuen Führer gingen zu Fuß, wie gewöhnlich rufend und pfeifend; ihr rechter Arm und die nackte rechte Schulter glänzten in der Sonne wie polierte Bronze.

So sagten wir denn den freundlichen Nomaden des Gjekungtals Lebewohl und zogen auf dem Wege, den wir gekommen waren, wieder talabwärts (Abb. 9, 10). Bei den Seen aber schwenkten wir nach Westen ab und ließen unsere alte Straße links hinter uns zurück. In der Verlängerung der kleinen Seen dehnt sich die Mugu-täläp, eine Salzsteppe, aus. Hier machten die Tibeter an einem Süßwassertümpel halt und rieten uns, während der Nacht hier zu lagern, weil die nächste Quelle weit entfernt liege. Einige Kiangs, Pantholopsantilopen und Wildgänse hatten bei unserm Herannahen das Feld geräumt. Um die Mittagszeit erhob sich ein Sturm aus Westen, und das feine, weiße Salzpulver der Ebene von Mugu-täläp wirbelte wie Dampfwolken über die Seen hin.


9 u. 10. Neugierige bei meinem Aufbruch. (S. 14.)

Das Lager 242 war größer und lebhafter als gewöhnlich. Wir waren acht Männer mit fünfzehn Lasttieren und drei Hunden. Die Tibeter taten ihr Bestes; sie sammelten Yakdung zu den Feuern, trugen Wasser, führten die Tiere auf gute Weide und unterhielten uns nachher mit allerlei Geschichten. Dennoch wurde mir der Tag lang. Es stellt die Geduld auf die Probe, gleichsam vor Anker zu liegen, während man Meilen zurücklegen und beständig vorwärtseilen möchte – neuen Schicksalen entgegen.

Am Abend kamen fünfzehn Wildgänse, die schreiend über dem Tümpel kreisten. Da sie aber den Platz schon besetzt fanden, zogen die Leitgänse mit ihrer Schar nach den Seen hin. Die Sonne war gerade unter dem Horizont versunken, und die ganze Ebene lag im Schatten. Aber die Pilger der Luft mit ihren Schwingen wurden noch von unten herauf durch die Sonne beleuchtet und hoben sich blendend weiß gegen das blaue Himmelsfeld ab. Wären sie eine Minute später gekommen, so wären sie im Erdschatten verschwunden.

Vor dem Hereinbrechen der Dämmerung zeigten sich auf einer entfernten Anhöhe einige Reiter. Unsere Tibeter meinten, sie seien ausgezogen, um nach einer Schafherde auszuspähen, die vor einigen Tagen mitten am hellen Tage verschwunden war, als der Hirte gerade geschlafen hatte. Wahrscheinlich hatten einige die Gelegenheit wahrnehmende Banditen sich der Schafe bemächtigt. Um die Glut des Lagerfeuers herum erschallten die alten Ladakilieder, weich und melodisch wie in alten Zeiten. Ich hatte sie an den langen Winterabenden auf Tschang-tang unzählige Male gehört, wurde aber nie ihrer sehnsuchtsvollen Klänge überdrüssig.

Achtzehn Grad Kälte in der Nacht auf den 18. September! Das ist schlimm, so früh im Herbst! Hat man sich nicht in Verteidigungszustand gesetzt, wenn man ins Bett gekrochen ist, so wird man bald durch die schleichende Bodenkälte daran erinnert, daß es nötig ist, sich mit den Pelzen zuzudecken. Der Tümpel war mit spiegelblankem Eise überzogen. Die Luft war klar und windstill, und die Sonne ging strahlend auf. Schon um 7 Uhr hatten wir 3,4 Grad über Null und um 1 Uhr 18,2 Grad Wärme. Also ein Temperaturunterschied von 36 Grad zwischen Nacht und Tag!

Unser Weg führt nach Nordwesten an zwei langgestreckten Salzseen namens Tso-longtschu vorüber, wo es von Wildgänsen wimmelt. Die Sonne brennt, es geht kein Wind. Nur gelegentlich hört man in der Nähe einen sausenden Ton; man dreht sich im Sattel um und sieht eine Staubtrombe herankommen; den Staub aufsaugend, dreht sie sich in Schraubenwindungen und saust wie ein helles Gespenst über die Ebene hin. In Wirbeln eilt sie an uns vorüber, sie wird dünner und verschwindet in der Ferne; bald folgt ihr eine neue.

Sigu-ragling-la ist eine kleine flache Paßschwelle, die unser Weg quert und deren quarzitischer Kalksteinrücken über die Hochebene ragt. Dieses Land ist eine Wüste, die an gewisse Gegenden Ostpersiens erinnert. In bedeutender Entfernung erblickt man kleine hügelige Bergrücken, die in rosigen, hellbraunen oder rötlichen Farbentönen schillern; zwischen ihnen dehnt sich die Ebene aus, die so schwach gewellt ist, daß man ihre Unebenheiten gar nicht bemerken würde, wenn nicht die weit vorausgehende Karawane dann und wann in einer Vertiefung verschwände, um nach einer Weile wieder auf einer Bodenerhebung aufzutauchen. Der Weg ist vorzüglich, spärlicher, feiner Grus auf festem, gelbem Lehmboden, aber nirgends entdeckt man einen Grashalm. Diese Straße führt uns nordwestwärts, also nicht in der Richtung nach Gartok. Ich frage einen unserer Führer nach dem Grunde. Er antwortet, daß wir durch die Seltenheit der Quellen zu einem Umweg gezwungen seien.

Im Norden zeigen sich zwei kleine Seen, der Tso-kar-tso oder der weiße See und der Pul-tso. oder Salzsee. Die Ringmauern an ihren Ufern zeugen von winterlichen Besuchen.

Die Stunden vergehen, aber die Landschaft bleibt immer gleich einförmig. Wir passieren einen schwarzen Schieferhügel, an dessen Fuße eine Quelle entspringt, dann geht es auf der in leichten, rosigen Wüstentönen zitternden Ebene weiter. Ein Land wie dieses ist selten in Westtibet, wo die Bergketten gewöhnlich in unzählige Falten zusammengepreßt daliegen.

Ungefähr 150 Wildesel tummeln sich in einiger Entfernung auf der Südseite unserer Route. Dort muß es Weide geben. Bald lagern sie in Herden, bald grasen sie paarweise oder einzeln. Aber immer sind sie entzückend anzusehen, wie sie gleich Schiffen auf dem Meere der Wüste treiben. Wenn die Tromben über die Herde hinziehen, sieht es aus wie der Rauch brennender Schiffe.

Endlich zeigen sich Zelte. Sie sind in 4614 Meter Höhe zwischen den Süßwassertümpeln von Luma-ringmo aufgeschlagen. Es ist, als ob man auf einer Wasserstraße inmitten eines Archipels ankere. Wie Holme tauchen auf allen Seiten flache Bergrücken auf. Dank der Luftspiegelung scheinen sie ein wenig über der Erdoberfläche zu schweben.


 << zurück weiter >>