Otto von Greyerz
Sprachpillen
Otto von Greyerz

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Ha an-em Ort es Blüemeli gseh

So hat unser Gottlieb Jakob Kuhn geschrieben. Hat er auch so gesprochen und gesungen? Oder nicht vielmehr so, wie wir heute wohl allgemein singen: amene-n-Ort? In seinem Gedicht «Die Lerche» schreibt er wenigstens auch: «’s ist ame-n-andren Ort no gnue» und im «Verliebten» liest man: «U bimen-iedere Schritt u Tritt». Er kannte also diese uns so geläufige Vertauschung oder Umstellung «amene» aus «an eme», «bimene» aus «bi-n-eme», «vomene» aus «von eme» und wohl auch die mit «so»: «somene» aus «so-n-eme».

Es wird Leute genug geben, die finden, «amene» oder «an eme» — das sei bonnet blanc, blanc bonnet. Es gibt andere, denen das nicht so gleichgültig ist, weil sie beim Mundartschreiben die Frage plagt: Wie schreibt man richtig? Und einige noch Gescheitere möchten wissen: Woher kommt überhaupt dieses Schwanken des Sprachgebrauchs? Und könnte man sich nicht zu einer gleichmäßigen Schreibung einigen?

Diesen möchten wir versuchen, Bescheid zu geben.

Eines ist vor allem klar: ursprünglich stand die Präposition unverändert, wie noch heute im Hochdeutschen: an einem, von einem, in einem, in einer usw. Nur beim bestimmten Artikel hat auch die Schriftsprache eine Verschmelzung zugelassen: aus «an dem», «in dem», «von dem» kann am, im, vom werden, wie aus «zu der» zur werden kann; aber schon «beir» aus «bei der» ist in gutem Deutsch nicht zulässig. Die Mundart, die bis heute keine Rechtschreibung kennt, verfährt mit der Verschmelzung von Präposition und Artikel — sei’s bestimmter oder unbestimmter — viel freier. Nebeneinander bestehen da: an eme, amene und a me, in eme, imene und i me, von eme, vomene und vo me; beim weiblichen Artikel: an ere und a re, in ere und i re, von ere und vo re; bi der Türe und bi’r Türe, a der Aare und a’r Aare, vor ere Stund und vor’re Stund. Wie man sieht, gibt es in der Mundart verkürzte Formen des Artikels, die die Schriftsprache nicht kennt. So sagen wir z.B. im Berndeutschen 83 ja auch: em Vatter (dem Vater), em Chind (dem Kind), d’Lüt (die Leute), vo de Bärge (neben: vo den Alpe). Das bereitet aber beim Schreiben keine großen Schwierigkeiten.

Anders ist es beim unbestimmten Artikel (ein, eine) in Verbindung mit Präpositionen und gewissen Partikeln, besonders «so». Um hier zu besserer Einsicht und Schreibung zu kommen, muß man schon einen Blick ins Althochdeutsche tun; denn unsre heutigen Biegungsformen von «einer, eine, eines» beruhen auf dieser alten Sprache, wie sie z.B. Notker der Deutsche von St. Gallen (um das Jahr 1000) geschrieben hat. In dieser Sprache lauten die Dativformen des unbestimmten Artikels — und um diese handelt es sich bei den obigen Präpositionen — folgendermaßen:

männlich und sächlich: einemo (entsprechend unsrem «eneme»),

weiblich: einero (entspr. unsrem «enere»).

Daraus wäre in Verbindung mit der Präposition «an» schweizerdeutsch geworden: an eneme, an enere; mit «von»: von eneme, von enere usw., kaum auszusprechende Konsonantenfolgen. Durch Kürzung waren aber «eneme» und «enere» zu «eme» und «ere» vereinfacht worden, so daß es nun in Verbindung mit einer Präposition hieß: «von eme» und «von ere»; wie man denn heute noch oberländisch sagt: an em Ort, an em anderen Ort, bi-n-em iedere Schritt usw. Auch dabei blieb die Mundart nicht stehen. Sie vertauschte aus Gründen der Sprecherleichterung das n der Präposition (von, an, in) mit dem m des Artikels, und so entstand «vomene», «imene», «amene», während «von ere», «in ere», «an ere» bestehen blieb. Im Berndeutschen bildete sich aber zu «von ere» auch eine verkürzte Form «vo re» heraus, zu «an ere» ein «a re», zu «bin ere» ein «bi re» usw. So sagt man denn nebeneinander: «von ere Frau» und «vo re Frau», «an ere Lycht» und «a re Lycht», «in ere Hole» und «i re Hole», «under ere Tanne» und «under re Tanne»; wie man anderseits sagt: «bimene Ma» und «bi me Ma» «imene Hüsi» und «i me Hüsi».

Was nun die Schreibung solcher zusammengezogener und verkürzter Formen betrifft, würde ich zu folgendem raten:

1. Wo das auslautende n zur Präposition gehört, sollte es 84 nicht abgetrennt werden, also: in ere Stadt, an ere Lycht, an emen Ort, von ere Grebt, näben em Tor, zwüschen eme Ma und ere Frau, wägen eme Handel, gägen e Schibe.

2. Wo das n nicht zur Präposition gehört, sondern der leichteren Verbindung wegen eingeschoben ist, dürfte man es durch Striche abtrennen, also: bi-n-ere Toufi, zu-n-ere Gotte; ebenso bei «wie» und «so»: wie-n-e Schwick, so-n-e Kärli, bi so-n-ere Chelti.

3. Die zusammengewachsenen Wortverbindungen, in denen n und m umgestellt sind, läßt man am besten ungetrennt: amenen Ort, imene Garte, bimene Stand, zumene Fescht, vomene Dienscht, nahmene Heuet (aus: nah-n-eme Heuet); und so auch bei den gekürzten Formen: ame Sunntig, bime Stand, vome (oder vomne) Hubel, are Lycht, zure Verwandte, ire Predig, nahme Wätter (oder nahmene Wätter), a some Tag, näbeme Gatter, wägeme Brösmeli, gägere Matte zue, are Flueh, zwüschere Schwöschter und ihrem Brueder, mit sore Musig. Sollte dabei eine Undeutlichkeit entstehen oder ein Mißverständnis möglich werden, so hat man immer noch die Wahl, einen Trennungsstrich zu setzen: a some Tag, mit so-re Musig, gäge-re Matte zue, nah-me Wätter, a-re (an ere) Lycht.

Summa: Wer Mundart schreibt, muß überlegen, was er schreibt; er darf sich nicht auf das Gehör verlassen, besonders nicht, wenn’s gerade in dem Punkte bei ihm hapert.


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