Otto von Greyerz
Sprachpillen
Otto von Greyerz

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Amelette

Warum sagen wir nicht Omelette wie die Franzosen? Sehr einfach: weil wir von den Franzosen Amelette gelernt haben. Warum sagen sie nicht mehr Amelette? Die Frage ist noch mehr am Platze. — Aber die Begründung ist umständlich.

Um ab ovo (beim Ei) anzufangen — es handelt sich ja um Eier — sei vom Lateinischen ausgegangen. Da gab es also ein Wort lamina: Platte, Scheibe, Blatt, Blech, uns aus den lebenden romanischen Sprachen bekannt: italienisch lamina (dünne Metallplatte) und lama (Klinge), französisch lame (Klinge), lamelle (Blättchen, Plättchen, Lamelle), unser mundartliches Lamele = Messerklinge. Dieser verkleinernden Ableitung lamelle entsprach im Altfranzösischen la lemele. Daraus entwickelte sich durch falsche Wortabtrennung (l’alemele) ein neues Wort alemele, dazu eine Nebenform mit -ette statt -elle: alemette. Noch nicht genug: durch Umstellung (wahrscheinlich zur Erleichterung der Aussprache) von l und m wurde alemette in amelette verwandelt. Und so hörten und lernten wir Deutschschweizer das Wort von den welschen Nachbarn, in deren Mundart es heute noch so lauten soll.

Aber was hat um alles in der Welt die Omelette mit einer Metallplatte oder einer Klinge zu tun? Nicht viel, aber doch mit einer Scheibe, mit einem runden, platten, dünnen Ding. Ein Eiertätsch ist schließlich ein Tätsch, mit Liebkosung gesagt: es Tätschli. Nun werden ja in jeder Küche, ob deutsch oder welsch, die Eier in verschiedener Fasson bereitet. Da gibt es Eier à la coque (in der Schale), au miroir (deutsch Spiegeleier), à la mouillette (Eierschnitten) — warum nicht auch à amelette? Eier in Scheibenform, also Eier- oder Pfannkuchen?

Daß sich Wörter durch falsche Abtrennung ändern können, wissen wir aus unsern Mundarten: Drätti aus der Ätti, Nascht aus en Ascht, e niedere (ein jeder) aus en iedere, Nüechtland aus in Uechtland, Nyffele aus en Yffele (Inful), Züsi aus ds Süsi (Susanna), 69 Durs, Dursli aus Sant Urs, Talbe aus Sant Albe, Früschegg aus uf Rüschegg usw.

Und daß Konsonanten in einem Wort umgestellt werden, d.h. ihren Platz vertauschen, ist uns aus dem Schweizerdeutschen ebenfalls bekannt: blitzge aus blickezen, schmatzge aus smackezen, Fäkte aus Fättche (Fittich), trümlig aus türmelic, gsplosse aus gpschlosse (ge-be-schlossen), Bochte aus Botche (Bottich), Gschlaf aus Sklav usw.

Bleibt nur noch die Frage: Warum sagen die Franzosen Omelette statt Amelette?


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