Otto von Greyerz
Sprachpillen
Otto von Greyerz

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fidel

Das Wort hatte, als es im Deutschen auftrat — der älteste literarische Beleg ist von 1686 — zuerst noch die französische Bedeutung: treu. Um die Mitte des 18. Jahrhunderts scheint es in der Studentensprache anders verstanden worden zu sein, nämlich als lustig, heiter, leichtsinnig. Die Stürmer und Dränger brauchten es 77 in diesem Sinne, fast gleichzeitig der junge Goethe und der «Maler» Müller. In der Studentenszene in Goethes «Urfaust» sagt Siebel über die beiden Ankömmlinge Faust und Mephisto: «Laßt sie nur erst fidel werden!» wobei fidel sowohl zutraulich als lustig heißen kann. Und in Müllers Bruchstück «Fausts Leben» ist von «zwei munteren, fidelen Mädchen» die Rede. Hier scheint fidel eher eine Steigerung als Abschwächung von munter zu sein.

Eine einleuchtende Erklärung dieses Bedeutungswandels gibt Friedrich Kluge, wenn er vermutet, daß das um 1745 entstandene Studentenlied «Crambambuli, so heißt der Titel» den Anlaß zu einem Mißverständnis gegeben habe. In dem Kehrreim nämlich

Toujours fidèle et sans souci
C’est l’ordre de Crambambouli!

schienen für Leute, die im Französischen nicht fest waren, fidèle und saus souci ungefähr dasselbe zu bedeuten, und so konnte es geschehen, daß der Sinn von saus souci (sorglos) auf fidèle abfärbte. Dem entsprechend bekam nun Fidelität (latinisiert fidulitas) in der Kommerssprache die Bedeutung Lustigkeit, während es in der Amtssprache des 15. und 16. Jahrhunderts das der Obrigkeit zu leistende Treuegelöbnis bezeichnet hatte.

Die Aussprache fideel mit dem Ton auf der zweiten Silbe spricht dafür, daß wir Schweizer das Wort aus dem Deutschen bezogen haben. Bodenständig wäre die Betonung der ersten Silbe, wie wir sie tatsächlich in dem Wort Fidel (Hund), Fideli (Hündchen) des Berner Mattenenglisch und der gemeineren Volkssprache haben. Wie viele andre Ausdrücke aus dem Jagdwesen, sind auch französische Hundenamen schweizerdeutsch geworden (Ami, Joli, Médor, Finette, dazu das ital. Bello), unter ihnen aber Fidèle in besonderem Maße, so daß der Eigenname in einen Gattungsnamen überging.

Für die zunehmende Bedeutung des deutschen Wortes fidel auch außerhalb der Studentensprache ist vielleicht bezeichnend, daß es in Adelungs großem Wörterbuch von 1775 noch nicht, dagegen in Campes Wörterbuch von 1815 Aufnahme gefunden hat.


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