Otto von Greyerz
Sprachpillen
Otto von Greyerz

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eingeurbet

(Lies ein-ge-urbet)

«Rachgier ist in der tierischen Natur eingeurbet», heißt es in Gotthelfs Schuldenbauer. Man versteht das Wort hier aus dem Zusammenhang als: eingepflanzt. So auch in einem andern Satze von Gotthelf: «Den Leichtsinn konnte sie nicht lassen, der war eingeurbet, die Liebe aber neu.» Auch von einem eingeurbeten Glauben spricht Gotthelf. Das Wort mit seinem geheimnisvollen Ur-Klang und Ur-Sinn scheint ihm lieb gewesen zu sein.

Was bedeutet es aber seinem Ursprung nach? Unser schweizerisches Idiotikon stellt es in Verwandtschaft mit dem schriftdeutschen Eigenschaftswort urbar und dem bloß noch landschaftlichen Dingwort Urbar. Wer den Boden urbar macht, macht ihn fruchtbar, fruchttragend (-bar ist Ableitung von altdeutschem bäran — tragen), aber auch zinstragend für den Besitzer, abgabepflichtig für den Pächter. Daher heißt oder hieß ein zinstragendes Grundstück ein Urbor oder 41 Urbar; und das Buch oder Verzeichnis zinspflichtiger Liegenschaften und Gebäude hieß Urbarbuch, vereinfacht zu Urbar, wie etwa Udelbuch zu Udel, Landrechtbuch zu Landrecht vereinfacht werden konnte.

Zu Urbor gab es schon in alter Zeit ein abgeleitetes Tätigkeitswort urborn, das in der Mundart, wo sich die Dingwortform auch zu Urbe, Orbe wandeln konnte (wie im Luzerner- und Zürcherdeutsch) leicht zu urben vereinfacht wurde. So wäre denn y-urbe (einurben) als eintragen ins Urbar oder Urbarbuch zu erklären. Was aber ins Urbar eingetragen ist, das gilt und hat gesetzliche Kraft. Es wird zum Sinnbild des Dauerhaften, Unwandelbaren, Unzerstörbaren, auf das Seelenleben übertragen: des Tiefeingewurzelten, Naturgewachsenen, Angeborenen.

Das Bild vom Einschreiben eines teuern Namens ist in der Liebespoesie schon seit den Minnesängern geläufig:

Dîn name in mînem herzen geschriben stât.

Scheffel in seinem «Alt Heidelberg» wendet es auf den Namen einer Stadt an:

Auch du stehst mir geschrieben
Ins Herz gleich einer Braut,

Eichendorff in seinem «Abschied» auf die höchsten Jugendideale:

Da steht im Wald geschrieben
Ein stilles, ernstes Wort
Von rechtem Tun und Lieben
Und was des Menschen Hort.

Mir scheint, mit «eingeurbet», obwohl es ursprünglich auch ein Einschreiben bedeutet, sei der Begriff noch ins Naturhafte, Unverlierbare vertieft worden.


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