Ferdinand Gregorovius
Der Kaiser Hadrian
Ferdinand Gregorovius

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Vierundzwanzigstes Capitel.

Bauten Hadrians in Italien. Seine tiburtinische Villa.

Italien scheint Hadrian, abgesehen von Rom und seiner Villa bei Tibur, weniger ausgezeichnet zu haben als die hellenischen Länder. Vielleicht geschah dies nur, weil er die meiste Zeit seiner Regierung auf Reisen zubrachte, oder weil die italienischen Städte für ihn keinen Reiz hatten. Auch fehlt es uns an Nachrichten, und auffallend sparsam sind hadrianische Inschriften in Italien. Doch hat ihn auch dieses Land als seinen Wiederhersteller gepriesen.

Zwei Colonien scheint er besonders ausgezeichnet zu haben, Auximum (Osimo) und Mediolanum; die letzte legte sich den Namen Aelia bei.Col. Ael. Fel. Mediolanensis, Zumpt, Comm. Ep. 1, 108. Ehreninschriften auf Hadrian finden sich in Teano, Sorrent, Puteoli und in einem unbekannten Ort Forlanum.Mommsen, I. N. 2112. 3990; Greppo S. 59. Die Colonie Ostia rühmte von ihm, daß er sie mit aller Sorge und Liberalität erhalten und geehrt habe.C. I. L. VI, n. 972, a. 133. Wahrscheinlich hat er das dortige Theater gebaut, dessen Reste für hadrianisch gelten.Notizie degli scavi, Accad. d. Lincei, 1880, S. 469. Inschriften verzeichnen die Herstellung von Wegen, so der Cassia von Chiusi bis Florenz, der Via Augusta an der Trebia, und der Straße von Suessa.Greppo S. 57 f. In Falerii scheint er einen neuen Weg durch das Forum angelegt zu haben, Orelli 3314. Bei Lupia, dem alten Sybar und heutigen Lecce, baute er einen Hafen.Pausan., Eliac. VII, 19. Bei Gruttä am adriatischen Meer stellte er den Tempel der Dea Cupra oder etruscischen Juno wieder her.Gruter 1016, 2. Nach der Angabe des Spartian hat er sogar den fucinischen See trocken gelegt. Einen solchen Plan hatte Cäsar gefaßt, aber ebenso wenig ausgeführt als der Kaiser Claudius nach ihm; die Unternehmung Hadrians konnte nur eine Restauration des claudischen Emissars gewesen sein.

Von Allem, was Hadrian in Italien geschaffen hat, ist die tiburtinische Villa sein großartigstes Denkmal gewesen, ohnegleichen in der Welt. Sie hat das goldene Haus des Nero verdunkelt. Die Trümmer dieses Sanssouci eines weltbeherrschenden Kunstenthusiasten bedecken jetzt noch einen Raum von zehn Millien Umfang, und sie gewähren den Anblick eines Irrgartens voll versunkener Kaiserpracht. Hadrian hat den Bau des Tiburtinum schon frühe begonnen und dann bis zu seinem Tode fortgesetzt.Eine dort gefundene Säule von Giallo antico trägt das zweite Consularjahr Hadrians (118); Bruzza marmi grezzi, S. 187, n. 221. Ziegelstempel der Mauern reichen von 123–137. Nibby, Contorni di Roma III, 651. Nach Aurel. Vict. c. 14 baute er dort noch Paläste, als er die Regierung dem Aelius Verus übertragen hatte.

Man darf zweifeln, ob die Stelle, die er dafür aussuchte, glücklich gewählt war. Die Römervillen in Tusculum und Frascati und über der Anioschlucht bei Tibur waren alle freier und schöner gelegen als diese Hadrians; doch brauchte er eben für sie einen großen Raum. Sie lag auf einer sanften Erhebung tief unter Tibur, wo der Blick auf der einen Seite durch die nahen Berge beschränkt wird, auf der andern aber Rom und sein majestätisches Gefilde bis zum Meer umfaßt. Zwei Bäche durchzogen diese Landschaft, und der nahe Anio bot seine Wasserfälle. Von der lucanischen Brücke, in deren Nähe man den Haupteingang der Villa vermutet, erstreckten sich die wundervollen Anlagen stundenweit über Hügel und Täler fort. Die Villa hatte den Umfang einer Stadt, und sie besaß Alles, was eine solche schön und festlich macht; denn nur das Gemeine und Alltägliche fehlte dort. Blumengärten, Springbrunnen, Gebüsche, Säulenhallen, tiefschattige Corridors und kühle Kuppelsäle, Bäder und Naumachien, Basiliken, Bibliotheken, Theater und Circus und Göttertempel, von kostbarem Marmor stralend und mit Kunstwerken erfüllt, waren hier um das Kaiserschloß vereinigt.

Der große Hofstaat, die Aufseher und ihre Sclavenschaaren, die Leibgarden, Schwärme von Künstlern, Sänger und Schauspieler, Hetären und vornehme Frauen, Tempelpriester, Gelehrte und Dichter, Freunde und Gäste Hadrians, kurz Tausende von Menschen bildeten die Bewohnerschaft der Villa, und dies Volk von Höflingen, Müßiggängern und Knechten hatte keinen anderen Zweck, als diesen, einen einzigen weltmüden Mann zu erheitern, seine Langweile mit dionysischen Festen zu maskiren, und ihm vorzuspiegeln, daß jeder Tag hier ein olympischer Feiertag sei. Hadrian versenkte sich dort in die Erinnerungen seines odysseischen Wanderlebens, denn diese Villa, nach seinen eigenen Zeichnungen entworfen, war Abbild und Spiegel des Liebsten und Schönsten, was er in der Welt bewundert hatte. Einzelne Teile trugen Namen von Bauwerken Athens. Es gab dort das Lyceum, die Akademie, das Prytaneum, die Pökile, selbst das vom Peneus durchflossene Tal Tempe, und sogar das Elysium und den Tartarus.Spart., Vita zu Ende.

Ein Bezirk war den Wundern des Nil geweiht, und nach dem zaubervollen Lustort der Alexandriner Canopus genannt. Hier stand ein Nachbild des berühmten Serapistempels; auf einem Canal konnte man zu ihm im Schiff gelangen. Was sich Hadrian nicht in Rom erlaubte, durfte er in seiner Villa thun, nämlich seinem Antinous einen Cultus weihen. Aus einem Tempel der Villa stammen wol die schönsten Antinousfiguren. Ein Obelisk, nur 9 Meter hoch, verherrlichte in Hieroglyphenschrift den »Osirianer Antinous, den wahrheitredenden, den verkörperten Sohn der Schönheit«. Auf ihm war er vor dem Gotte Ammon Rha opfernd dargestellt. Wenn die Kaiserin Sabina noch die Aufrichtung des Obelisken erlebte, so mußte sie über die Inschrift erröten, welche versicherte, daß der Kaiser dies Denkmal der Pietät zugleich mit seiner Gemalin, der großen Königin und Herrscherin Aegyptens, die den Antinous geliebt, errichtet habe.Ungarellius, Interpret, obeliscor. urbis Romae, 1842, S. 172; Lepsius, Röm. Stadtb. III, 2, 604. Der Obelisk steht auf dem Pincio in Rom, wo ihn im Jahre 1822 der Papst aufstellen ließ. Elagabalus soll ihn aus der tiburt. Villa in das Amphitheatrum Castrense versetzt haben, und dort ist er im Schutt gefunden worden. Man darf glauben, daß der Cultus des Antinous den Einfluß Aegyptens auf die römische Kunst gesteigert hat. Man liebte es schon längst, in Villen und Häusern Fluß, Thier und Genrescenen jenes Landes zu besitzen. Die Wandmalereien Pompejis und viele Mosaiken, wie das berühmte von Palestrina und das im Museum Kircherianum befindliche beweisen das zur Genüge.Das erste wurde im J. 1638 in Palestrina gefunden, das andre auf dem Aventin 1858. Siehe Gazette Archéol. VI, 1880, S. 170 f., Mosaique du Musée Kircher, und Catalogo del Museo Kircheriano I, 265 f. Solche Mosaiken sind als Copien alexandrinischer Teppiche anzusehen. Nun aber hatte Hadrian nach seiner Villa Aegypten gleichsam hinübergepflanzt. Sphinxe und Götterbilder aus schwarzem Marmor und rotem Granit bildeten dort die Umgebung des Gottes Antinous, welcher selbst in glänzendem weißem Marmor als Osiris dargestellt war. Hieroglyphenschrift bedeckte die Tempel ägyptischen Stils.

Auf den Wink des Kaisers konnten sich diese Haine, Täler und Säulenhöfe mit der Mythologie des Olymp beleben, Priesterprozessionen nach dem Canopus wallfahren, der Tartarus und das Elysium mit den Schatten Homers sich bevölkern, Bacchantenschwärme durch das Tempetal schweifen, Chorgesänge des Euripides im griechischen Theater ertönen und Flotten in der Naumachie die Xerxesschlacht wiederholen. Aber war all' dies mehr als ein bettelhafter Schein im Vergleich zu der Fülle und Majestät der wirklichen Welt, welche Hadrian durchwandert hatte? Der Kaiser würde am Ende all' diese prunkvollen Theatercoulissen hergegeben haben für einen Tropfen aus dem vollen Lebensstrom, für einen Augenblick am Bord des festlichen Nilschiffs, oder auf der Akropolis Athens, in Ilium, Smyrna und Damaskus, mitten unter dem Zujauchzen ihm huldigender Völker. Epiktet hätte die kaiserliche Spielerei mit einem Album von Weltwundern als Sentimentalität belächelt, und vielleicht ist die weltberühmte Villa Hadrians ein Zeugniß des in das Barocke verfallenen Geschmacks jener Zeit gewesen.

Ihr Umfang war zu groß, um ein Tusculum der Musen zu sein. Sie war auch nicht zu Zwecken romantischer Einsiedelei angelegt, oder die Ruhebedürfnisse eines Kaisers aus der kosmopolitischen Epoche Roms konnten sich nur in solcher Ausdehnung von Majestät und Pracht befriedigen. Hadrian hätte über das Portal seiner Villa schreiben können: magna domus parva quies. Wenn das Tiburtinum beweist, wie nachhaltig die Eindrücke namentlich der hellenischen Welt im Geiste des großen Reisenden fortgewirkt haben, so kann diese unglaublich verschwenderische Anlage nur aus seiner Bauwut erklärt werden. Lustschlösser sind die am wenigsten rühmlichen Bauten der Fürsten, denn sie dienen nur ihrem flüchtigen Vergnügen, aber einem Herrscher wie Hadrian, welcher die Städte seines Reichs mit so vielen öffentlichen Werken ausgestattet hatte, konnte man mehr als einem Ludwig XIV. verzeihen, wenn er einmal an sich selber dachte.

Wie oft er die Villa bewohnt hat, wissen wir nicht; sie war sein Lieblingssitz in seiner letzten Zeit, und dort hat er wol seine Memoiren dem Phlegon dictirt. Er besaß auch andere schöne Landhäuser, in Präneste und Antium.Philostr., Vita Apollon. 8, 20. In Bajä, nicht in der tiburtinischen Villa, ist er gestorben. Diese ist auch nach ihm, doch immer seltener von den Kaisern bewohnt worden, bis sie das Schicksal aller Lustschlösser erlitt. Constantin hat sie ohne Zweifel zuerst geplündert, um Marmor und Kunstwerke daraus nach Byzanz zu entführen. Zur Zeit der Gothenkriege stand sie noch als eine verödete Wunderwelt da; in ihr lagerten zuerst die Kriegsvölker Belisars, dann des Totila. Alt-Tivoli hießen ihre Ruinen im Mittelalter. Ihre Säulen und Marmorsteine wurden verschleppt, ihre Bildwerke zu Kalk verbrannt. Doch viele andere verhüllte der bergende Schutt, während Olivenhaine und Vignen darüber gepflanzt wurden. Die Erinnerung, daß diese zaubervolle Trümmerwildniß einst das Lustschloß Hadrians gewesen war, dauerte fort. Lange bevor man daselbst Ausgrabungen machte, hat der geistvolle Papst Pius II. diese Ruinen besucht und mit melancholischen Worten geschildert. Was er davon gesagt hat, darf man auch heute nur einfach wiederholen.

»Etwa drei Millien außerhalb Tivoli hatte sich der Kaiser Hadrian eine prächtige Villa gebaut, so groß wie eine Stadt. Noch sind dort hohe und weite Tempelgewölbe erhalten, und noch sieht man halb zerstörte Höfe und Gemächer, und Reste von gewaltigen Säulenhallen und von Fischteichen und Fontänen, welche der Anio mit Wasser versorgte, um die Sommerglut zu kühlen. Alles hat die Zeit unförmlich gemacht. Epheu bedeckt jetzt die Mauern statt der Malereien und der goldgewirkten Tapeten. Brombeeren und Dornen wachsen auf den Sitzen der Männer in der Purpurtoga, und Schlangen hausen in den Schlafgemächern der Kaiserinnen. So fließt alles Irdische im Strom der Zeit dahin.«Pii II Comment. V, 138.

Unter Alexander VI. grub man zuerst nach Altertümern im Tiburtinum; man fand Statuen der Musen und der Mnemosyne.Nibby, Contorni di Roma III, 656. Im 16. Jahrhundert machte zuerst Piero Ligorio einen Plan der Villa, dann beschrieb sie Re, und seit 1735 wurden jene Ausgrabungen unternommen, welche so zahlreiche Bildwerke an den Tag gebracht haben. Piranesi entwarf seinen großen Plan des Tiburtinum.Re delle antichità Tiburtine, Rom 1611. – Pianta della Villa Tiburtina di Adriano von P. Ligorio und Fr. Contini, in der letzten Ausgabe von 1751. Plan Piranesis, von 1786. – Ueber die Ausgrabungen im 18. Jahrh. Fea Miscellanea I, 143 f.; Fea, Uebersetz. Winckelmanns II, 379 f. Im Jahre 1871 ist die Villa Hadrians in den Besitz der italienischen Regierung übergegangen, und die Ausgrabungen werden fortgesetzt. Doch haben sie keinen großen Erfolg gehabt;Mosaikböden sind gefunden worden und eine schöne ganze Statue, welche einen Bacchus vorzustellen scheint. Der Bildhauer Tadolini, welcher dieselbe gegenwärtig (Frühjahr 1883) restaurirt und mir gezeigt hat, stellt sie an Wert sogar höher als den Antinous des Capitols. denn alles Wesentliche ist im 18. Jahrhundert aufgedeckt worden. Man hat damals die Villa so ausgeräumt, daß von ihrer überschwenglichen Marmorfülle wenig Reste mehr sichtbar sind. Hie und da sieht man noch Fußböden in Mosaik; die am besten erhaltenen bestehen aus kleinen weißen Steinen mit Zeichnungen in Schwarz. Man hat den Umfang der bloßgelegten Musivböden allein auf 5000 Quadratmeter berechnet, während die erstaunliche Mannigfaltigkeit der decorativen Motive an Säulen, Pilastern, Nischen und Wänden ein glänzendes Zeugniß für die Kunstentwicklung jener Zeit ist.Notizie degli Scavi (Accad. d. Lincei), 1883, S. 17.

Der Umkreis der Villa bietet jetzt eine Masse teils riesiger, teils sehr kleinlicher Ruinen dar. Reste von Tempeln, die man willkürlich nach Apollo, Bacchus, Serapis, Pluto u. s. w. benennt, von Basiliken, Bädern und Theatern sind durch den weiten Bezirk zerstreut.

Die Bestimmung einiger Gebäude ist noch kenntlich; die langen Reihen von Gewölben, die man cento camerelle nennt, bezeichnen das Quartier der Kaisergarden, welches wol 3000 Mann umfassen konnte; die hohen Mauern eines großartigen Porticus gelten für die Pökile.Seit 1873 sind blosgelegt die Poecile, die sogenannte Aula dei sette sapienti, das Becken des sogen. Teatro Marittimo, viele Säle, Corridore, Höfe, Nymphäen. Notizie degli Scavi, 1880, S. 479. Der Canopus erscheint heute als ein grünes Tal, an dessen Ende verfallene Gewölbe als Reste des Serapistempels betrachtet werden können, und das Tal Tempe ist als eine tiefe Senkung erkennbar, welche die Berge Tivolis begrenzen.Pökile, Tempe und Canopus sind die drei fast mit Sicherheit zu bestimmenden Anlagen; siehe L. Meyer, Tibur, eine röm. Studie, in Sammlg. wissenschaftl. Vorträge, Berlin 1883. Von den Theatern hat das sogenannte griechische die Scene noch so wol erhalten, daß es zur Zeit Winckelmanns, wo das Dionysostheater Athens noch verschüttet lag, den deutlichsten Begriff eines antiken Theaters überhaupt geben konnte.Winckelmann VI, 291.

Der ehemalige Zweck vieler anderer Gebäude und Ruinen ist dunkel, und vergebens bemüht sich die Vorstellung, die Glieder dieser Zauberwelt zu einem übersichtlichen System wieder zu vereinigen, dessen Mittelpunkt die Wohnung des Kaisers gewesen sein mag.


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