Ferdinand Gregorovius
Der Kaiser Hadrian
Ferdinand Gregorovius

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Einundzwanzigstes Capitel.

Der Judenkrieg. Julius Severus übernimmt den Befehl über die römischen Heere. Fall Bethers. Untergang Judäas.

Die Römer hatten zuerst die Erhebung Palästinas als einen verächtlichen Volkstumult betrachtet, bis er zu einem wirklichen Kriege anwuchs, und dieser war anfangs für sie vernichtend. Der Aufstand dehnte sich bis nach Syrien und Phönizien aus und drohte, alle Juden in der Diaspora und die feindlichen Völker im Orient aufzuregen.Καὶ πάσης ως ειπει̃ν κινουμένης επὶ του̃τω τη̃ς οικουμένης, Dio 69, 13. Hadrian machte deshalb die größten Anstrengungen, seiner Herr zu werden. Es verlautet nicht, daß er selbst nach Syrien zurückgekehrt war oder auf den Kriegsschauplatz sich begeben hatte, um an die Spitze seiner Heere zu treten.Man hat dies aus Dio 69,14 gefolgert, wo gesagt wird, Hadrian habe wegen der schweren Verluste der Römer in seinem Bericht an den Senat die übliche Formel »ich und das Heer befinden uns wol« fortgelassen. Aber das Fortlassen lehrt eher, daß er dem Senat berichtete, ohne beim Heere zu sein. Außerdem geht aus der Verbindung, in welcher Dio dies gibt, hervor, daß H. nicht am Anfange des Kriegs dem Senat so berichtet hat, sondern gegen das Ende, also etwa um den Anfang 134, denn vor dem 5. Mai 134 war er schon wieder in Rom. Die kriegerische Leidenschaft Trajans blieb ihm fremd. Den Krieg in Judäa ließ er durch seine Legaten führen.Lebrecht (S. 37) behauptet wie Dürr die dauernde Anwesenheit Hadrians in Palästina an der Spitze der Armee, weil alle jüdischen und mehrere heidnischen Schriftsteller das sagen (Münter S. 83, Flemmer S. 138). Jene aber sind ganz unkritisch und diese fabeln von einer zweiten Zerstörung Jerusalems durch H. – Daß H. den Krieg den Legaten überlassen hat, sagt auch Dio 69, 13 durch die Worte: επ' αυτοὺς έπεμψεν.

Leider hat der letzte Kampf der Juden um ihre nationale Fortdauer keinen Josephus gefunden. Seine Ereignisse und die Heldenthaten des verzweifelten Volks sind im Dunkel begraben geblieben. Die Berichte aus Dio umfassen eine Seite, Spartian hat den ganzen Krieg in einer einzigen Zeile abgefertigt, und dies beweist, mit welcher Verachtung man in Rom auf den Freiheitskampf der Juden herabgesehen hatte.Spart, c. 13. Würden aber nicht beide Geschichtschreiber oder ihre Quellen etwas ausführlicher gewesen sein, wenn der Kaiser selbst seine Heere in jenem Kriege angeführt hätte? Die Schilderungen der talmudischen Schriftsteller können nur als Legenden voll orientalischer Uebertreibung angesehen werden, und die Erzählungen zweier Zeitgenossen, des Antonius Julianus und des Ariston von Pella, sind leider verloren gegangen.Den Ariston hat Eusebius benutzt, des Julianus gedenken Minucius Felix und Gellius (Münter S. 12). Auch die Memoiren Hadrians von Phlegon scheinen den Krieg nur flüchtig behandelt zu haben, denn eine (verdorbene) Stelle im Suidas (Phlegon) sagt, Philostorgios behaupte, daß Justus die jüdischen Ereignisse genauer beschrieben habe als Phlegon und Dio. Würde Phlegon so ungenau gewesen sein, wenn Hadrian wirklich in Person den Krieg geführt hätte? Welche schwere Niederlagen die Römer erlitten, zeigt ein Ausspruch Fronto's, der lange nach dem Tode Hadrians den Kaisern Marc Aurel und Lucius Verus zurief, sie sollten ob der Verluste durch die Parther guten Mutes sein, denn wie viele Römer seien nicht zur Zeit ihres Großvaters von den Juden niedergemacht worden, und doch habe derselbe endlich den Sieg davongetragen.De bell. parth., am Anfange.

Dem bedrängten Tineius Rufus schickte Hadrian wiederholt Verstärkungen. In Judäa kämpften außer der 10. Legion Fretensis die 2. Trajana, die 3. Cyrenaica, welche von Aegypten und Arabien herangezogen waren, und die 3. Gallica, die in Phönizien zur Hand war.Grotefend zu jenen Legionen. Pfitzner S. 228, 230. Orelli 3571, wonach ein Soldat der 3. Gallica im jüdischen Krieg Ehrenzeichen erhielt. Auch die syrische 4. Legion Scythica oder doch ein Teil von ihr scheint nach Judäa gezogen zu sein. Denn Inschriften aus Ancyra bezeugen, daß Publicius Marcellus, der damalige Statthalter Syriens, wegen der Judenrebellion diese Provinz verließ, und daß Tiberius Julius Severus, der Legat der 4. Legion Scythica, während der Abwesenheit des Proconsuls Syrien verwaltete. Marcellus wurde demnach als General mit Truppen jener Legion nach Judäa geschickt.C. I. G. n. 4033, n, 4034, Inschriften Tiberius Severus betreffend. Irrig behauptet Borghesi V, 412, daß Marcellus aus Syrien geflohen sei: fuggito per la sollevazione dei Giudei. Dio hat Tiberius Jul. Severus mit Sex. Jul. Severus verwechselt. Jener aus Galatien war nach dem inschriftlichen cursus honorum außerord. Legat in der Provinz Asien, dann Legat der 4. Leg. Scythica, dann Verweser des Marcellus in Syrien, dann Proconsul Achajas. Waddington, Mém. sur Aelius Aristides in Mém. de l'Inst. XXVI (1867), S. 214 f. Auch Quintus Lollius Urbicius erhielt ein Commando in diesem Kriege.Renier, Inscr. de l'Algérie, n. 2319. Selbst aus Mauretanien wurde gätulische Reiterei von der 10. Legion Gemina unter S. Attius Senecio herbeigeholt, und die 7. Claudia aus Mösien stellte ein Vexillum.C. I. L. VI, 3505. – Pfitzner (S. 93) ist der Ansicht, daß auch die 22. Dejotariana aus Aegypten am Kriege Teil nahm, aber ganz aufgerieben wurde; auch die 6. Ferrata scheint in Judäa gekämpft zu haben.

Da die römischen Generale nichts ausrichten konnten, schickte Hadrian endlich den besten Feldherrn seiner Zeit, den Julius Severus nach Judäa.Dio 69, 13. – Inschr. aus Britannien C. I. L. VII, 275, mit Restitution Borghesis IV, 166. Dieser Mann war erst Legat Daciens, im Jahre 127 Consul, sodann Legat des untern Mösien, endlich Statthalter Britanniens gewesen, und von dort wurde er nach Palästina abgerufen.Sein Name S. Vinicius Faustinus C. Julius Severus. Sein cursus honor. C. I. L. n. 2830 (Inschr. aus Kistagne in Dalmatien). Auf seine Legation in Britann. folgt darin Leg. pr. pr. Judaeae, Leg. pr. pr. prov. Syriae. Der Irrtum Mommsens (Borghesi IV, 168, Note 1), daß ihm Tineius Rufus im Commando Palästinas gefolgt sei, ist berichtigt bei Marquardt I, 420. Der Judenkrieg brach aus, als Rufus dort Legat war. Er übernahm an Stelle des Rufus den Oberbefehl über die Armeen und auch die Statthalterschaft in Judäa. Der Krieg erhielt hierauf eine den Römern günstige Wendung; denn die große Menge und die Verzweiflung der Rebellen bewogen Severus, offene Feldschlachten zu vermeiden; er rieb die Feinde im kleinen Kriege auf, indem er ihre Zufuhren abfing und ihre Kräfte zersplitterte. So gelang es ihm, die Festungen der Juden auszuhungern. Fünfzig Burgen und 985 Ortschaften sollen allmälig in seine Gewalt gekommen und von ihm zerstört worden sein.

Wenn sich die offene Stadt Jerusalem im Besitze Barkocheba's befunden hatte, so wurde sie von den Römern wieder besetzt, ohne erstürmt zu sein. Griechische und römische Autoren sprechen freilich nicht nur von der Belagerung, sondern auch von der völligen Zerstörung Jerusalems unter Hadrian.Appian, während des Kriegs in Rom lebend, sagt de bello Syr. c. 50: ‛Ιερουσαλὴμ η̃ν – ο Ουσπασιανὸς – κατέσκαψε, καὶ ‛Αδριανὸς αυ̃θις επ' εμου̃. Sodann Euseb., Dem. Evang. II, c. 38; Theophan. n. 9; Chron. Schöne, S. 168, Chron. Suppl. e Syncello, S. 226: επὶ ‛Αδριανου̃ τελεία καὶ εσχάτη – τη̃ς πόλεως άλωσις. In seiner H. Eccl. sagt Euseb. nichts davon. Hieron. in Jer. VI, c. 31, S. 877 sub Adriano – urbs Jerusalem subversa. In Isaiam III, c. 7; in Ezech. VII, 24 sub Hadr. civitas aeterno igne consumpta. In Ioël I, 4; in Habac. c. 2; in Ephes. c. 5. Chrysostom, Or. 3 in Iudaeos, Francof. 1698, I, 431. Chron. Paschale ad a. 119. Suidas, Exc. in vita Adr. 866. Die Stellen auch der späteren Byzantiner bei Deyling S. 264. Münter beruft sich von jüd. Quellen nur auf das samaritan. Buch Josua. Renan, L'église chrétienne, S. 543 f. Die rabbinische Tradition, welche beide Kriege unter Titus und Hadrian zusammenwirft, behauptet nur, wie Hieronymus, daß Tineius Rufus den Pflug über den Tempelplatz habe ziehen lassen.Die jüd. Stellen bei Münter S. 42. Templum aratum in ignominia: Hieron. in Zach. c. 8. 18. 19. Die Sage entstand wol aus der Colonialmünze der Ael. Capit., welche einen Ackermann darstellte. Weder Dio noch Eusebius in seiner Kirchengeschichte haben ein Wort von dieser Eroberung Jerusalems. Der erste erzählt nur die merkwürdige Anekdote, daß der verderbliche Ausgang der Rebellion den Juden schon zuvor durch den Einsturz des Grabmals Salomos geweissagt worden sei. Die Angaben späterer Kirchenväter und Chronisten von einer letzten Zerstörung der heiligen Stadt sind nur als rhetorische Wiederholung ihrer Schicksale unter Titus anzusehen. Denn mit Recht darf gefragt werden, was zur Zeit Hadrians in den Trümmern dort noch zerstört werden konnte, selbst wenn ihre Besitznahme durch Barkocheba stattgefunden hatte.Renan hat dies a. a. O. erschöpfend dargethan. Die Ansicht Münters und anderer, wie De Saulcys (Rech. sur la Num. Jud., S. 158), Champagny's Les Antonins II, 66, Schürer's Neutestam. Zeitgesch., S. 359, welche die Erstürmung und Zerstörung Jerusalems unter Hadrian behaupten, ist als beseitigt anzusehen. Schon Scaliger, Animadv. in Euseb. S. 144 hat das für eine Fabel gehalten, und so auch Pagi, endlich der größte Palästinaforscher Robinson (Bibl. Researches in Palestine II, 6).

Den letzten Widerstand leisteten die Juden in dem festen Bether. Die rabbinischen Legenden haben die übertriebensten Erzählungen von der Volkszahl dieser Stadt und der Menge ihrer Synagogen, wie von den Heldenkämpfen bei ihrer Verteidigung. Offenbar ist von ihnen auch die Dauer der Belagerung Jerusalems unter Vespasian und Titus in fantastischer Weise auf jene Bethers übertragen worden. In dieser Burg hielt sich Barkocheba mit dem Rest der Rebellen mannhaft noch einige Zeit, bis die Sturmmaschinen der Römer und der Hunger den Widerstand brachen. Bether wurde von Severus erobert, im Jahre 135 oder 136, wie die Rabbiner fabelten an demselben verhängnißvollen 6. August, an welchem Jerusalem dreimal unter das Schwert der Feinde gefallen war.Hieron. in Zacch. VIII, 262 hat das von den Talmudisten entlehnt und wirft wie sie beide Kriege unter Titus und Hadrian zusammen. Er verlegt das Ende des Kriegs ins 20. Jahr Hadrians, Euseb., H. E. IV, 5 (Chron. ed. Schöne, S. 168) verlegt die Katastrophe Bethers in sein 18. Jahr.

In den Schutthaufen Bethers endete der letzte Heldenkampf des Judenvolks, welches allein unter allen von Rom unterjochten Völkern selbst noch in der Zeit der größesten Militärmacht des Kaiserreichs den Versuch gewagt hatte, seine Freiheit wieder zu erringen. Dieser Versuch war im Angesicht der Weltverhältnisse eine That des verzweifelten Wahnsinns, aber auch als solche ehrt derselbe das Judenvolk. Da dieses nicht wie die Hellenen im Stande war, nach dem Falle seines nationalen Staats in den römischen Weltorganismus sich einzufügen und in ihm kosmopolitisch fortzudauern, mußte es, seinem Charakter getreu, auf den Trümmern Judäas heroisch untergehen.

Das Schicksal Barkocheba's ist unbekannt. Glücklicher als Simon Giora scheint er den Tod des Kriegers gefunden zu haben. Die Reste der Rebellen wurden niedergemacht und Tausende von Hebräern als Gefangene hinweggeführt. Die Römer verkauften sie zum Preise von Pferden auf dem Markt an der Terebinthe Hebrons, der Stätte Abrahams. Was hier nicht losgeschlagen wurde, bot man in Gaza feil oder schleppte man in die Sclaverei nach Aegypten und Rom.Hieron. in Jer. c. 31; in Zachar. c. 2. Einige versprengte Scharen konnten sich in die Wüste Arabiens und nach Babylonien flüchten.

Wenn die Talmudisten erzählen, daß die Blutströme Judäas bis nach Joppe ins Meer geflossen seien, so ist ihnen diese Hyperbel zu verzeihen, da selbst Dio Cassius die Menge der im Kriege durch das Schwert gefallenen auf 580 000 angibt, ohne solche zu zählen, welche Hunger und Pest getödtet hatten. Seine Zahlen sind wahrscheinlich amtlichen Berichten, vielleicht sogar der verlorenen Selbstbiographie Hadrians entlehnt. Man pralte vor dem Senat mit der Masse der Erschlagenen, denn Kriegslorbern empfangen ihren Wert auch vom Blut, in welches sie getaucht sind.Noch heute. Die Depesche des Sieges Wolseleys über die armseligen Fellahin des Arabi Pascha meldete im September 1882 »volle 2000 getödtet«. (Allgemeine Zeitung.) Palästina war ein Leichenfeld und eine starrende Wüste. Durch die verödeten Landschaften und die zertrümmerten Städte schweiften Hyänen und Schakale.Καὶ λύκοι, ύαιναι τε πολλαὶ ες τὰς πόλεις αυτω̃ν εσέπιπτον ωρυομέναι.

An den Gräueln des Judenkriegs scheiterte die Humanität Hadrians, und hier endete auch das Bewußtsein des Glücks, welches er, die Welt in Frieden durchwandernd, bisher genossen hatte. Er hat nie mehr Asien wiedergesehen. Den duldsamsten, vor jedem Kriege zurückschreckende Kaiser hatte die Notwendigkeit zum Vollstrecker des furchtbarsten Urteils der Geschichte gemacht. Er vollzog dieses als Römer mit kaltem Blut, und man darf vielleicht sagen, mit mehr Recht, als es Titus zu seiner Zeit gehabt hatte. Kein fühlender Mensch wird dem Schicksal des Judenvolks seine Teilnahme versagen, aber kein ruhig denkender sich vorstellen, daß der Sieg eines Akiba und Barkocheba einen Fortschritt in der geschichtlichen Entwicklung auch nur Asiens würde bezeichnet haben. Die Herstellung eines selbständigen Judenstaates war undenkbar und unmöglich. Er hätte die ganze Schöpfung Roms in Syrien, vom Euphrat bis zum roten Meer zersprengt, und an die Stelle der hellenisch-römischen Cultur den beschränkten semitischen Fanatismus und die religiöse Unduldsamkeit gesetzt. Die kosmopolitische Idee des Römerreichs hatte keinen gleich hartnäckigen Feind als das Judenvolk, und deshalb wurde dieses aus Staatsprincip umgebracht. Sein letzter heldenhafter Todeskampf erschien den Römern und Griechen nur wie eine wahnsinnige Empörung gegen die humane Regierung Hadrians. Pausanias redet einmal von diesem Judenkriege und sagt: »Hadrian, der bis auf meine Zeit herab Kaiser war, hat die Götter am höchsten geehrt und für das Glück aller seiner Untertanen am meisten gesorgt. Niemals führte er aus Willkür einen Krieg, aber die Hebräer in Syrien warf er mit Gewalt nieder, weil sie sich gegen ihn empört hatten.«‛Αδριανου̃ – τω̃ν αρχομένων ες ευδαιμονίαν τὰ μέγιστα εκάστοις παρασχομένου· καὶ ες μὲν πόλεμον ουδένα εκούσιος κατέστη, ‛Εβραίους δὲ τοὺς υπὲρ Σύρων εχειρώσατο αποστάντας. Renan, L'église chrét., S. 213: Les fanatiques d'Israël combattaient pour la théocratie, pour la liberté de vexer les païens, d'exterminer tout ce qui leur semblait le mal.

Die Siegesehren für das zermalmte Judäa würde Hadrian verschmäht haben, auch wenn er selbst sie persönlich errungen hätte. Keine Münze mit der Inschrift Judaea Devicta, wie sie auf den Sieg des Vespasian und Titus geprägt worden war, hat Hadrian schlagen lassen.Daß die Münze Exer. Judaicus (Eckhel VI, 496) eine Denkmünze des Krieges sei, wie Grätz IV, 169 glaubt, ist sehr fraglich. Zwei Medaillen H.'s bezieht Fröhner, Les Méd. de l'Emp. Rom., S. 34 auf den Judenkrieg; die erste zeigt eine Victoria auf einer Biga, die zweite Roma, sitzend auf Rüstungen, neben einer Trophäe, hinter ihr eine Victoria, unten Felix Roma. Die Hypothese Fröhners fällt, weil in den Legenden der Titel Imp. II. fehlt. Nur den Titel Imperator hat er in Folge der Beendigung des Judenkrieges zum zweiten Male angenommen.Borghesi VIII, 580. Im Militärdiplom (C. I. L. III, 1, n. 35) vom 15. Sept. 134 fehlt Imper. II. Es war also der Krieg damals nicht beendigt. Dagegen hat es n. 36 vom 16. Jan. 138. Den Titel Imp. erhielt Antonin nach dem Britenkriege, ohne daß er dabei war. Die mit gewagter Ergänzung von Henzen 5457 auf H. als Befreier der Republik (im Judenkrieg) bezogene Inschrift lasse ich auf sich beruhen. Keine bekränzten Heere kehrten aus Palästina nach Rom zurück, um durch den Bogen des Titus auf das Capitol zu ziehen, triumfirend mit schauprangender Beute. Was hatten sie auch in Judäa noch zu erbeuten vermocht? Die Generale, welche dort den Krieg geführt hatten, wurden durch Belohnungen ausgezeichnet.So Q. Lollius Urbicius, Renier, Inscr. de l'Algßerie n. 2319: Legato imp. Had. in exped. Judaica, qua donatus est hasta pura, corona aurea; n. 2320 seine Familie. Als Legat in Britannien (140–143) baute er den Wall des Antoninus, C. I. L. VII, S. 192. – Henzen 6501, Kellermann, Vigiles n. 247: Ehreninschrift des C. Popilius, ehemals Legat der Legio X Fretensis, Tribun der Legio III Cyrenaica, donato donis militarib. a. Divo Hadr. ob judaicam expedit. – Mommsen, I. R. N. 3542, Verleihung von Ehrenzeichen an C. Nummius Constans ob bellum Judaicum. Dem wahren Bezwinger der Juden Julius Severus verliehen Kaiser und Senat die Ehrenzeichen des Triumfators.Cursus honor., C. I. L. 1, III, n. 2830: ornamenta triumphalia decrevit ob res in Judaea prospere gestas. Vielleicht war Severus der letzte, der diese Ehren erhielt. Vorher hatte sie Cornelius Palma erhalten. Derselbe General erhielt die Statthalterschaft Syriens, während jener Tiberius Severus, welcher dieses Land stellvertretend für Marcellus verwaltet hatte, Legat Bithyniens wurde. Diese Provinz war bisher proconsularisch gewesen, wurde aber jetzt kaiserlich, und an ihrer Stelle erhielt der Senat Pamphylien.Dio 69, 14. C. I. G. 4033. 4034. Nach seiner Mission in Syrien wurde Tib. Severus Proconsul in Achaja, dann Corrector und Curator in Bithynien. Borghesi und Hübner (Rhein. Mus. XII, 1857, S. 58 f.) haben ihn mit Jul. Severus verwechselt, welcher nichts mit Bithynien zu thun gehabt. Dies hat Waddington berichtigt, Mém. sur Ael. Aristid. a. a. O., S. 227 f.

Ob Julius Severus als Legat Syriens fortfuhr, Judäa zu verwalten, oder ob der Kaiser dem unseligen Lande einen neuen Verwalter gab, ist ungewiß. Von Tineius Rufus wird nichts mehr gehört.

Furchtbare Verfolgungen ergingen jetzt gegen die Anhänger Barkocheba's; Mitglieder der Synagoge in Jamnia wurden hingerichtet, und auch Akiba erduldete einen qualvollen Martertod. Mit äußerster Härte ließ Hadrian den mosaischen Cultus unterdrücken; es erging sogar das Verbot der Beschneidung. Dies Edict hat dann selbst noch die kümmerlichen Reste des Judenvolks unter dem Nachfolger Hadrians zum Aufstande getrieben, und Antoninus Pius sich gezwungen gesehen, es aufzuheben. Nur blieb den Juden die Beschneidung von Nicht-Hebräern untersagt; sie durften keine Proselyten machen.Dig. XLVIII, Tit. 8. 1. 11; Tit. 2. 1. 3, § 3.

Die letzte Männerkraft Israels war mit den vornehmen Geschlechtern, den Priestern und Lehrern des Volks vernichtet worden. Aber auch die Christengemeinden litten unter dieser Verfolgung. Wenn sie frohlockten, daß ihre dogmatische Ansicht vom wahren Messias durch den Untergang des falschen erwiesen sei, so wurden sie doch in das Verderben der Rebellen hineingezogen. Während des Krieges soll die Christengemeinde Jerusalems in der Dekapolis jenseits des Jordan ein Asyl gesucht haben.Grätz IV, 182. Sie litt auch dort so gut wie die Juden unter der römischen Rache. Die Schrecken dieses Judenkrieges und seiner Nachwehen haben sich in den synoptischen Evangelien abgespiegelt.Grätz, Note 15, zu Math. 24, 15, Marcus 13, 14, was nach ihm fälschlich auf die Zeit des Titus bezogen worden ist. Da die Christengemeinde bisher den mosaischen Ritus festgehalten hatte, entsagte sie ihm, um ihr Schicksal von den Juden zu trennen. Sie wählte zum ersten Mal einen Bischof aus den Unbeschnittenen, Marcus mit Namen, und so wurde das letzte Band zerrissen, welches die Christen Palästinas noch an das Judentum gefesselt hatte.Euseb, H. E. IV, 6. Sulpicius Severus H. Sacra 11, 31.

Den Dienst, welchen Titus der neuen Religion geleistet hatte, vervollständigte eben so ahnungslos Hadrian. Denn erst nachdem Jerusalem als Hauptstadt der Juden für immer untergegangen und die jüdische Nation ausgerottet war, konnte die christliche Kirche kosmopolitisch werden. Das Judentum selbst blieb freilich unzerstörlich. An die Stelle seines Tempels traten das Gesetzbuch, die Mischna und der Talmud, deren Anfänge in das Zeitalter des Akiba fallen. Dieses Werk theologischer Erneuerung war die letzte Nationalthat des Volkes, welches in seiner Zerstreuung über die Erde namenlosen Leiden überliefert wurde, aber in der Knechtschaft dem Gott der Väter unerschütterlich treu bliebe das einzige Beispiel in der Geschichte der Menschheit, daß ein Volk ohne Vaterland fortdauern und diesem durch die Religion ersetzen kann.


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