Ferdinand Gregorovius
Der Kaiser Hadrian
Ferdinand Gregorovius

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Sechstes Capitel.

Rückkehr Hadrians nach Rom über Illyricum. Krieg mit den Roxolanen. Ordnung der Verhältnisse in Pannonien und Dacien. Die Verschwörung und Hinrichtung der vier Consularen. Ankunft Hadrians in Rom, im August 118.

Nachdem Hadrian den Frieden im Orient gesichert und L. Catilius Severus zum Legaten Syriens ernannt hatte, verließ er Antiochia, um nach Italien zurückzukehren.Auf die Ordnung des Orients beziehen sich wahrscheinlich Münzen bei Eckhel VI, 475. 476: Oriens – Concordia – Justitia – Pax. – Ueber Catilius Severus, einen Freund des Jüngern Plinius, und seinen Proconsulat in Asien von 117–119 Waddington, Fastes des Provinces Asiatiques S. 134. Spartian sagt, daß er seinen Weg nach Rom über Illyrien nahm. Unter Illyricum begriff man zunächst die östlichen Küsten am adriatischen Meer, doch seit Trajan das große Ländergebiet längs der Donau bis nach Macedonien, Mösien, Pannonien, Dalmatien, Dacien und selbst Rhätien und Noricum.Marquardt, R. Staatsv. I, 295. Jung, Rom. Sandsch. S. 333. Hadrian schenkte diesen Provinzen schon deshalb seine Aufmerksamkeit, weil er in Mösien als Tribun gedient, Pannonien als Legat verwaltet und in Dacien an der Seite Trajans gekämpft hatte.

Die Zeit seines Aufbruchs von Syrien läßt sich nicht genau feststellen. Nur dies ist gewiß, daß von seinem Regierungsantritt bis zu seiner Ankunft in Rom ein ganzes Jahr verfloß. Deshalb erscheint die Vermutung gerechtfertigt, daß der Kaiser auf seiner Rückkehr aus Syrien einen Kriegszug gegen die Sarmaten und Roxolanen unternommen hat.Nach dem Vorgange Flemmers (De itiner. et reb. gestis Adriani S. 2) ist das die Ansicht Dürrs, Reisen Hadrians S. 16. Sie widerstreitet den Angaben Spartians (c. 5), welcher die Rückkehr über Illyricum nach Rom und jenen Kriegszug von einander trennt. Ich lege weniger Gewicht auf Euseb., der den Sarmatenkrieg ins 4. Jahr Hadrians setzt, da seine röm. Zeitrechnung unbrauchbar ist. Auch Spartian ist chronologisch ganz verworren. Gründe des Zusammenhanges der Ereignisse machen aber die Ansicht Dürrs annehmbar. Die mutmaßliche Anwesenheit Hadrians in Juliopolis am 12. Nov. 117, nach einem Brief des Kaisers an die pergamen. Epheben (Curtius, Hermes VII, 37. 38) kann indeß nicht erwiesen werden, da die geograph. Ortsbestimmung zweifelhaft ist, und die Iterationszahl der Trib. pot. fehlt, wenn Dürr (S. 24) aus den Opfern, welche die Arvalen wegen des Adventus des Kaisers auch der Victoria darbrachten, schließt, daß damit der Sieg über die Roxolanen gemeint sei, so übersieht er, daß der Senat Hadrian den parthischen Triumf an Stelle Trajans zuerkannt hatte. Wenn diese Voraussetzung richtig ist, so ist Hadrian, nachdem er seine Truppen nach Mösien vorausgeschickt hatte, durch den Hellespont und Bosporus in die Donauländer gezogen, und nach Beendigung des Feldzuges aus irgend einem illyrischen Hafen nach Brundisium gesegelt.

Mösien, eine in zwei Verwaltungsbezirke geteilte kaiserliche Provinz, welche die Donau von Dacien und der Hämus von Thracien trennte, hatte für das Reich nicht geringe Wichtigkeit als Gränzland am schwarzen Meer, wo die unruhigen sarmatischen Völker vom Dniepr nach den Donaumündungen vorzudringen suchten. Sie reichte seit Nero über Tyras, die Colonie Milets, bis zu den Gebieten der bosporanischen Könige, gegen deren Angriffe die Reste der freien Griechenstädte am Nordrande des Pontus Euxinus nur durch die benachbarten römischen Truppen verteidigt werden konnten. In Trösmis deckte die 5. macedonische Legion die Donaumündung, während in Tomi und Odessus (Varna) eine kleine Flotte von Kriegsschiffen aufgestellt war.

Die Roxolanen hatten damals mit den Jazygen gemeinschaftliche Sache gemacht, um in die Provinzen Mösien und Dacien einzufallen, und deshalb sah sich Hadrian gezwungen, einen Feldzug gegen sie zu unternehmen. Indeß zu einem ernstlichen Kriege ist es nicht gekommen; vielmehr scheint der Kaiser jene Barbaren durch das bloße Schauspiel seiner Heeresmacht und ihre taktische Fertigkeit – die batavische Reiterei ließ er in Waffen durch die Donau schwimmen – so geschreckt zu haben, daß sie sich unterwarfen und ihn zum Schiedsrichter ihrer eigenen Streitigkeiten annahmen.Dio 69, 6. C. I. L. III, n. 3676: Inschr. auf einen Krieger der batavischen Kohorte, welcher die Donau durchschwommen hatte. Der Grundsatz, welchem Hadrian in seinem Verhalten zu Barbarenfürsten immer gefolgt ist, war dieser, sie nicht durch Kriegsgewalt, sondern durch Unterhandlungen zur Ruhe zu bringen. Er bewilligte ihre Forderungen, wo er sie als gerecht erkannte, und schon seit langer Zeit hatte sich die römische Regierung dazu bequemt, solchen Fürsten Pensionen zu zahlen. Der Roxolanenkönig Rasparasanus, einer dieser von Rom besoldeten Häuptlinge, hatte sich beschwert, daß ihm seine Stipendien verringert worden seien; Hadrian gewährte ihm die Fortsetzung der Zahlungen, aber er machte ihn auch für immer unschädlich. Der sarmatische König mußte um die Ehre bitten, in die Gens Aelia aufgenommen zu werden, und fortan scheint er als römischer Staatspensionar mit seiner ganzen Familie zu Pola in Istrien in der Verbannung gelebt zu haben.Inschriften aus Pola, C. I. L. V, 32: P. Aelio Rasparasano regi Roxolanorum, und 33 sein Sohn Aelius Peregrinus, welcher nicht als rex bezeichnet ist. Hier werden Roxolani und Sarmati gleichgeltend gebraucht.

Hadrian verstärkte die römischen Standlager in Untermösien, aber es bleibt ungewiß, ob er dies schon im Jahre 118 oder erst später gethan hat. Münzen und Inschriften beziehen sich auf die dortige Thätigkeit des Kaisers.Advent. Moes. – Exercit. Moesiacus, Eckhel VI, 491. Eine hadr. Münze mit Aeliana Pincensia bezieht Eckhel n. 447 auf metalla in Mösien. Inschr. aus Tomi, der Metropolis von Moesia inferior: C. I. L. III, 765 add. S. 997. Trösmis (Iglitza) wurde unter Hadrian eine Lagerstadt, Renier, Rev. Arch. XII, 414. C. I. L. III, 2. n. 6166. Nikopolis nennt sich Adrianopolis, Mionnet I, p. 359. Mommsen, Eph. ep. III, 234. Den Namen Aelium führt Viminacium, C. I. L. III, S. 264. Mösien wurde unter seiner Regierung von Dalmatien abgetrennt und zu einem besondern Verwaltungsbezirk gemacht.Henri Cons (La prov. rom. de Dalmatie 1882, S. 267) bezieht sich dafür auf C. I. L. III, 2829; C. I. L. III, 4115. 2828, Ehreninschrift für Hadr. aus Burnum v. J. 118.

Auch mit der Ordnung der Dinge in Pannonien und Dacien jenseits der Donau war der Kaiser damals beschäftigt. Er rief den Marcius Turbo aus Mauretanien ab und übertrug ihm die zeitweilige Verwaltung dieser consularischen Provinzen, indem er ihm zugleich die Würde eines Präfecten Ägyptens verlieh, um seine Autorität zu erhöhen.Spart, c. 6. 7. Ehreninschr. des Turbo aus Sarmizegethusa, C. I. L. III, n. 1461. Dacien hat Hadrian, ungewiß in welcher Zeit, in zwei Bezirke (inferior und superior) geteilt und einem prätorischen Legaten übergeben.Im Jahr 129 erscheint als Legat in Dacia inferior Plautius Cäsianus, C. I. L. III, n. 876. Marquardt, R. St. I, 309. Und doch hat man ihm den Plan zugeschrieben, auch diese Provinz, die wichtigste aller von Trajan gemachten Eroberungen, aufzugeben, und zur alten Donaugränze zurückzukehren. Nur die Vorstellungen seiner Freunde, daß die römischen Colonisten, welche sein Vorgänger dort in großer Zahl angesiedelt hatte, rettungslos der Wut der Barbaren zum Opfer fallen würden, sollen ihn bewogen haben, Dacien festzuhalten.Eutrop. VIII, c. 6.

Indeß ein Blick auf das so schnell romanisirte und von mehreren Legionen gedeckte Land würde hingereicht haben, Hadrian zu überzeugen, daß diese Donauprovinz als ein Bollwerk des Reichs und namentlich Italiens römisch bleiben müsse. Deshalb ist auch die Sage nicht glaublich, daß er die große Donaubrücke Trajans bei Turn Severin und Arsova, den bewunderten Bau des Architecten Apollodorus, bis auf die Pfeiler habe abtragen lassen, um die barbarischen Völker von Einfällen in die Länder am rechten Stromufer abzuhalten.Dio 68, 13. Die Brücke von 20 steinernen Pfeilern war 150 F. hoch und 60 breit. J. Aschbach, Ueber Trajans steinerne Donaubrücke in Mittheil. d. k. k. Centralcomm. d. Erforsch. u. Erhalt. o. Baudenkmale, Wien 1858, III, 197 f. Noch Aschbach glaubte an die sinnlose Fabel, daß Hadrian auch diese Brücke aus Neid gegen Trajan zerstört habe. Duruy IV, 331 bezweifelt mit Recht den Abbruch derselben.

Das Werk der Colonisirung des großen Donaulandes wurde auch unter der Regierung Hadrians eifrig fortgesetzt, und das beweisen dortige Denkmäler. Die von Trajan gegründete Colonie Ulpia Sarmizegethusa (ihre Ruinen zeigt man heute bei Varhely in Siebenbürgen), die Hauptstadt Daciens und der Sitz des Augustuscultus, setzte dem Kaiser Hadrian eine Ehrenstatue, deren Inschrift seinen zweiten Consulat (118) verzeichnet.C. I. L. III, n. 1445. 1446. Der Legat Hadrians Cn. Papirius Aelianus erbaute dort eine Wasserleitung (a. 132–133). Eine hadr. Inschrift aus Sarm. mit der Phrase cujus virtute Dacia imperio addita felix est hält Zumpt, Rhein. Mus. für Phil. 1843, S. 257 gegen Eckhel VI, 494 für echt, Mommsen für falsch. Münzen mit Exercit. Dac. und Dacia Eckhel VI, 494. Dürr S. 19 bezieht die Gründung röm. Gemeinden zu Drobeta (C. I. L. III, 1581), Nikopolis und Viminacium auf Hadrian. Zu dessen Zeit stand bei Heviz in Dacien die Legio XIII Gemina. C. I. L. III, n. 953. In manchen Städten Daciens erscheint der Name Aelius unter angesehenen Bürgern. Jung, R. Landsch. S. 397.

Während er noch in den Donauländern beschäftigt war, bildete sich eine Verschwörung gegen seinen Tron und sein Leben. Getäuschter Ehrgeiz verführte einige der bedeutendsten Männer Roms zu dem Versuch, den Nachfolger Trajans durch eine Umwälzung zu stürzen, welche, wenn sie gelungen wäre, die Welt um das glückliche Zeitalter der Antonine würde gebracht haben. Als Häupter dieser Mißvergnügten galten die Consularen Lusius Quietus, Publilius Celsus, Avidius Nigrinus, und Cornelius Palma, der ruhmgekrönte Eroberer der Provinz Arabia. Sie vertraten die militärische und politische Schule Trajans, deren Grundsätze der neue Kaiser, ein Emporkömmling ohne Kriegsruhm und ein Günstling der Weiber, verläugnete. Diese Großen, alte Nebenbuler Hadrians, waren durch ihre Dienste wol berechtigt ehrgeizige Hoffnungen zu nähren. Wenn auch Trajan niemals den Gedanken hatte, dem maurischen Abenteurer Quietus die Nachfolge im Reiche zu bestimmen, so hatte er den kühnen Mann doch so groß gemacht, daß Hadrian ihn fürchtete und exilirte.Das Lob des Quietus bei Ammian. Marcellinus ed. Gronov. S. 619, und bei Themistius orat. 16, S. 205 (Dindorf). Im besondern war Nigrinus als möglicher Tronerbe Trajans bezeichnet worden. Noch in der letzten Zeit dieses Kaisers hatte er Achaja als Proconsul verwaltet.Als proprät. Legaten zwischen 114 u. 117 bezeichnet ihn eine delphische Inschr. C. Wescher, Étude sur le monum. bilingue de Delphes, Paris 1868, p. 23 f. Seine Tochter war mit Ceionius Commodus vermält, welcher einst als Aelius Verus der Adoptivsohn Hadrians und der Vater des Kaisers Lucius Verus werden sollte.Deshalb sagt Spart, (c. 7) irrig von Nigrinus, daß ihn Hadrian zu seinem Nachfolger ersehen hatte.

Keiner dieser Großen stand an der Spitze trotzender Legionen, keiner hatte die Prätorianer für sich, noch den Senat, welcher im Gegenteil von den Versprechungen und Schmeicheleien Hadrians bezaubert war. Da alle thatsächlichen Umstände dieser Opposition für uns dunkel geblieben sind, erscheint sie aus der Ferne gesehen so ohnmächtig oder so sinnlos, daß es aussieht, als hätten erst die guten Freunde des Kaisers dem Mißvergnügen jener Männer den Charakter einer Staatsverschwörung angedichtet. Es hieß, daß Hadrian auf der Jagd oder beim Opfer sollte ermordet werden, und daß der Plan verraten ward. Der dienstfertige Senat beeilte sich, dem Kaiser ein Zeugniß seiner Ergebenheit abzulegen, indem er die Unglücklichen ergreifen und sofort hinrichten ließ. Palma fand den Tod in Tarracina, Celsus in Bajä, Quietus an einem ungenannten Ort auf der Reise, und Nigrinus in Faventia. Auch die Verschiedenheit des Orts ihrer Hinrichtung muß Verdacht erregen, denn entweder ergriff man die Consularen, als sie sich auf der Flucht zerstreut hatten, oder man überraschte jeden einzeln da, wo er sich eben befand.Spart, c. 7. Dio 69, 2.

Als Hadrian die Kunde dieser Vorgänge empfing, konnte er dem Senat danken, weil er ihm selbst eine Blutschuld erspart oder doch die Möglichkeit geboten hatte, solche von sich abzuwälzen. In seiner verlorenen Selbstbiographie soll er behauptet haben, der Senat habe wider seinen Willen den Tod jener Großen anbefohlen.Invito Hadriano, ut ipse in vita sua dicit occisi sunt. Spart, c. 7. Dies konnte möglich sein; unter Trajan war nur ein einziger Senator verurteilt worden, und dieser vom Senat selbst ohne Wissen des Kaisers.Eutrop. VIII, 4. Ganz besonders hat Hadrian die Blutschuld den Ratschlägen des Präfecten Attianus zugeschrieben.Spart, c. 9: quorum quidem necem in Attiani consilia refundebat. Ob aber diese Ratschläge dem Senat oder ihm selber gegeben waren, ist zweifelhaft geblieben. Spartian spricht sich darüber nicht aus, während Dio durchblicken läßt, daß er den Kaiser nicht für unschuldig hält. Die Mächtigsten der Gegner hatten ihm seine diensteifrigen Freunde hinweggeräumt, und dieser blutige Act warnte die Uebrigen. Grausamkeit lag sonst nicht in der Natur Hadrians. Er ist bis an sein Ende, wo seinem Argwohn wieder einige Große zum Opfer fielen, der humanste Fürst gewesen.

Man murrte in Rom. Die ersten Männer des trajanischen Staats, vier Consularen, waren ohne Proceß hingerichtet worden. Die Aristokratie mußte trotz der Willfährigkeit des Senats tief beleidigt sein und die Wiederkehr der Schreckenszeit Domitians fürchten. Deshalb eilte Hadrian nach Rom, um die schlimme Meinung, die sich über ihn gebildet hatte, niederzuschlagen. Noch von Illyrien aus hatte er das römische Volk durch Geschenke zu gewinnen gesucht: je drei Goldstücke wurden für den Mann verteilt, und größere Wolthaten sollten über das vergossene Blut wie ein Strom hinwegfließen. Hadrian traf in Rom ein am 7. oder 8. August 118.Das Datum der Ankunft in Rom ergibt sich aus den Acten der Arval. Brüderschaft, welche verzeichnet hat, daß sie sich im Tempel der Concordia versammelt, den Kaiser Hadrian an Stelle Trajans in ihrem Verein cooptirt und wegen seiner Ankunft geopfert habe. Henzen, Acta Arval. S.  CLIII f.; C. I. L. VI, S. 536 f. Als Consuln sind verzeichnet L. Pomp. Bassus, L . . . inius B(arbar)us. Die Begründung des Datums bei Dürr S. 21 f. – Adventsmünzen des Senats in Gold und Silber; lorberbekränzter Kopf Hadrians, Roma sitzend auf einem Panzer und Schilde, die Hand des Kaisers fassend, Eckhel VI, 476. Cohen II², n. 91: Imp. Caes. Trai. Hadr. Aug. – Adventus Aug. Pont. Max. Tr. Post. Cos. II. S. C. – Die ordentlichen Consuln in der ersten Hälfte 118 waren Hadrianus iterum und Gn. Pedanius Fuscus Salinator, Schwiegersohn der Domitia Paulina, der mit Servianus vermälten Schwester Hadrians: Borghesi II, S. 212 – L. Pomp. Bassus und sein College waren suffecti.


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