Ferdinand Gregorovius
Der Kaiser Hadrian
Ferdinand Gregorovius

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Zweites Capitel.

Die Provinzen des Reichs, ihre Verwaltung, ihr Verhältniß zur Centralgewalt. Ihr friedliche Culturentwicklung. Die Sclaverei.

Das Verhältniß der von Rom eroberten Länder zur Centralgewalt hatte Augustus im Jahre 27 v. Chr. geregelt, indem er alle Provinzen des Reichs, welche in den letzten Zeiten der Republik sieben consularische oder kriegerische und acht friedliche, prätorische, umfaßt hatten, in kaiserliche und senatorische teilte.Dio 53, 12. Sueton, Aug. c. 17. Eckhel IV, 236. Diejenigen, welche keine Kriegsmacht erforderten, gab er dem Senat zur Verwaltung. Er selbst behielt alle andern, worin es starker Besatzungen bedurfte, wie die Länder am Rhein, an der Donau und am Euphrat. Unter seinen Nachfolgern vermehrte sich die Zahl der Provinzen durch Eroberung oder durch Teilung größerer Landgebiete, so daß es zur Zeit der Tronbesteigung Hadrians deren 45 gab, von denen nur neun dem Senat gehörten.Marquardt, R. St. I², 489.

Die Kriegsmacht der 30 Legionen, welche das Reich schützte, war an dessen Gränzen, nicht im Innern aufgestellt. In ganz Italien standen keine Truppen. Gallien hatte nur eine Garnison von 1200 Mann in Lyon (cohors I Flavia urbana); Aegypten deckten nur zwei, dann nur eine Legion. In keiner einzigen der fünfhundert Städte Asiens wurde ein Soldat gesehen.Arnold, Roman System of Provincial Administration, S. 103. Die Seemacht Roms beschränkte sich auf die Flotten zu Ravenna und Misenum, im Pontus Euxinus, in der Nordsee, auf der Donau und dem Euphrat, und auf wenige andre Stationen. 350,000 Mann römischer Bürger und Hilfstruppen reichten aus, diesem ungeheuern Reich die Ruhe zu sichern, während heute Europa allein unter der Last von mehr als zwei Millionen im Frieden bewaffneter Krieger seufzen muß.Friedensstärke des Deutschen Reichs 449,000; Englands 190,000; Frankreichs 470,000; Italiens 220,000; Rußlands 950,400; Spaniens 135,000. Die geringe Stärke des Heers gibt vielleicht dem römischen Reich das größte Recht auf Bewunderung, und sie erklärt auch die Fülle der öffentlichen Werke des Gemeinnutzens in ihm, den Wolstand schön geschmückter Städte und die Blüte des allgemeinen Verkehrs.

Der Kaiser hatte also dem Senat die Militärmacht entzogen, während es schien, als habe er aus Großherzigkeit nichts für sich behalten als Lasten und Gefahren.Dio 53, 12. In Wirklichkeit hatte er auch die »Provinzen des Senats und Volks« in seiner Gewalt, da alle Proconsuln und Proprätoren unter seiner das ganze Reich umfassenden proconsularischen Befugniß standen.Dio 53, 15.

Die Statthalter für die Provinzen des Senats wurden aus dessen Mitte jährlich unter Consularen und Prätoren gewählt. Sie führten im Allgemeinen den Titel »Proconsul«. Im Range gingen sie den kaiserlichen Legaten voran. Sie hatten zehn oder zwölf Lictoren.Dio 53, 13. 14. Eckhel IV, 237. Asia und Africa wurden nur von solchen Proconsuln regiert, die wirklich Consuln gewesen waren. Daher hießen diese Länder vorzugsweise proconsularische, und ihre Vorsteher hatten 12 Lictoren. Ein glänzender Hof umgab sie, dessen Erhaltung der Provinz zur Last fiel. Aber sie besaßen keine militärische Gewalt, also auch nicht das Jus gladii, doch hatten sie gegen Provinzialen das Urteil über Leben und Tod. Die letzten Reste jener Tyrannei, welche die Proconsuln zur Zeit der Republik in den Provinzen ausübten, konnten unter den Kaisern wol noch hie und da zu Tage treten, doch nicht mehr so furchtbare Folgen haben. Nichts aber gab der Monarchie ein stärkeres Ansehen, als die unläugbare Thatsache, daß die kaiserlichen Provinzen die am besten verwalteten und am wenigsten bedrückten waren.

Ihre Statthalter (legati Augusti pro praetore, legati praetorii) wurden vom Kaiser selbst gewählt, gewöhnlich aus Consularen oder Exprätoren, sogar aus gewesenen Aedilen und Quästoren. Sie blieben nach seinem Gutdünken kürzere oder längere Zeit, meist drei und mehr Jahre auf ihrem Posten. Ihr Rang war geringer als jener der Proconsuln; sie hatten nur fünf Lictoren;Mommsen, Bull. d. Inst. 1851, S. 172. aber ihre Gewalt war größer, da sie sich sowol über Provinzialen als römische Bürger ausdehnte. Sie besaßen die höchste Civil- und Militärmacht in der Provinz.Savigny, röm. Gerichtsv. II, 76 f. 81 f. Sie sprachen in ihrer Residenz und in den Conventen oder Gerichtssprengeln Recht. Legaten der Legionen und Legati juridici, welche der Kaiser ernannte, standen ihnen zur Seite.Marquardt I², 551 f. Die betreffenden Abschnitte bei Arnold, R. Prov. Administr. Da sie vom Kaiser überwacht wurden und seine Befehle auszuführen hatten, konnten sie in der Provinz nicht mehr als Despoten schalten. Gegen Erpressungen sollte auch die Besoldung schützen, die für die kaiserlichen bis zu 200,000, für die senatorischen Statthalter bis zu einer Million Sesterzien stieg.

Das Finanzwesen verwalteten Quästoren in den Provinzen des Senats und Procuratoren in denen des Kaisers, und dieser schickte solche auch in die Senatsprovinzen, wo sie unabhängig vom Proconsul Abgaben erhoben, welche in den Fiscus flossen.Dio 53, 15. Höck, Röm. Gesch. I, 2, 200. Sie hatten nur nach Umständen Jurisdiction und erhöhte Gewalt, doch regierten Judäa, Mauretanien, Thracien und andre kleinere Länder Procuratoren, welche auch die vollständige Landesverwaltung besaßen.

Die Finanzbeamten gehörten dem Ritterstande an, oder sie waren Freigelassene des Kaisers, die ein so einträgliches Amt nicht immer uneigennützig führten. Hadrian, der seinen Freigelassenen nichts einräumte, bestrafte schuldige Verwalter mit Strenge.Spart, c. 16: Et circumiens quidem provincias procuratores et praesides pro factis supplicio affecit.

Die Provinzialsteuer bestand in dem Kopfgelde (tributum capitis), einer Abgabe von dem Vermögen, und im Grundzins (vectigal), von welchem jeder mit italischem Recht begabte Boden befreit war.Siehe die treffliche Darstellung bei Höck I, 2, 204 f., und Savigny, R. Steuerv. in Zeitschr. für gesch. Rechtswissensch. VI. Die Grundsteuer wurde meist in Baarem festgestellt, nachdem Augustus begonnen hatte, die Grundstücke zu vermessen. Hierzu kamen die verpachteten Zölle, Einfuhr- und Ausfuhrsteuern, Hafengefälle, Wege und Brückengelder. Der ganze Staatshaushalt, die Ausgaben für das Militär, dessen Budget schon unter Augustus 90 Millionen Mark betrug, die Besoldung der Provinzialbeamten, die Getreidespenden, das Post- und Straßenwesen und die öffentlichen Bauten wurden von den Provinzen aufgebracht. So floß mehr Geld aus ihnen als in sie hinein, während die Masse römischer Beamten, die Versetzung der Eingeborenen als Soldaten in fremde Länder, die lateinische Sprache bei Gerichtsverhandlungen viel dazu beitrugen, Provinzen ohne eigene Kultur zu romanisiren.

Die Einkünfte der senatorischen Provinzen flossen gemäß der Anordnung des Augustus in das Aerarium, den Staatsschatz, die der cäsarischen in den Fiscus, welchen der Procurator a rationibus als Finanzminister verwaltete. Beide Kassen blieben lange Zeit neben einander bestehen. Noch Marc Aurel anerkannte das Recht des Senats, über das Aerarium zu verfügen, und selbst noch im 3. Jahrhundert haben Proconsuln in den senatorischen Provinzen Tribute erhoben.Ueber diese Verhältnisse O. Hirschfeld, Unters. über röm. Verwaltungsgesch. I, S. 11 f. Indeß lag es in der Natur des Prinzipats, daß er seine Macht auch in der finanziellen Sphäre des Senats allmälig zur Geltung brachte, so daß die Bedeutung des Aerarium verschwand. Hadrian setzte eine neue Behörde, die Advocati fisci ein, welche in den Provinzen die Rechte der kaiserlichen Kasse vor den Gerichten vertraten.Spart, c. 20: fisci advocatum primus instituit. So beugte er dem Unterschleif und der unrechtmäßigen Aneignung von Staatsgut vor.

Es gab Länder, welche der Kaiser für sich selbst beanspruchte und durch Procuratoren verwalten ließ. So war Aegypten von Octavian nach seinem Siege über Antonius zu seinem Hausbesitz gemacht worden.E. Kühn, Die städt. u. bürgerl. Verfass. des röm. Reich.. II, 80. Die Kaiser schickten dorthin ihre Vicekönige mit dem bescheidenen Titel praefectus, welche den Procuratoren kleiner Provinzen gleichstanden, wie die Alpes maritimae und Cottiae, Rhaetia und Noricum, und auch diese Länder waren kaiserlich.Kuhn II, 83. 84. Ueber Noricum, welches selbst noch im 2. Jahrhundert officiell Königreich hieß: J. Jung, Römer und Romanen in den Donauländern, S. 25.

Die tiefen Schatten, die das Römerreich über die von ihm umfaßten Völker warf, waren der Verlust ihrer politischen Selbständigkeit, welcher ihnen mit der Zeit auch die Kraft der Selbsterhaltung raubte, und die bureaukratische Maschinerie des Despotismus, die das nationale Leben vollends erstickte, während das Heil der unterworfenen Völker im Grunde von der zufälligen Gesinnung des Monarchen abhängig blieb. Das Ende war nach einem Jahrhundert des Glücks unter der Adoptivfamilie des Nerva die sich steigernde Satrapenwirtschaft, die Verarmung und der Verfall der Nationalgeister. Indeß im zweiten Jahrhundert waren diese Uebel noch nicht so fühlbar, und den Untergang der Freiheit einst großer, aber schon erschöpfter Culturländer konnte die Monarchie wenigstens durch deren Teilnahme an einer allgemeinen Wolfahrt und gesetzlichen Ordnung entschädigen.

Die Bewegung des Verkehrs war so unbeschränkt, wie sie es seit dem Falle Roms nie mehr gewesen ist. Eine und dieselbe Münze hatte von den Säulen des Herkules bis zum Euphrat Geltung. Das große System der Kunststraßen umfaßte das ganze Reich und verband alle seine Provinzen mit einander. Die Reichspost (cursus vehicularius oder publicus) war schon von Augustus eingeführt worden. Sie diente freilich nur ausnahmsweise dem Privatverkehr, im Allgemeinen nur den Staatszwecken und der Person des Kaisers.Postdiplome oder Freipässe wurden als Vergünstigung erteilt, so von Trajan und Hadrian an den Sophisten Polemon und seine Familie. Philostr. (Kayser) II, S. 44. Dieser mißbrauchte oft sein Recht, so daß die Reichspost für Italien und die Provinzen eine drückende Last wurde. Man kann diese mit dem lästigen Fodrum der römischen Kaiser im Mittelalter vergleichen, wenn sie auf ihren Romfahrten Italien durchzogen und brandschatzten. Nerva befreite zuerst Italien, und Septimius Severus auch die Provinzen von der Verpflichtung, die Reichspost zu unterhalten. Aber auch von Hadrian wird berichtet, daß er sie auf den Fiscus übertrug, und zwar in allen Provinzen des Reichs. Kein Kaiser konnte so viel Veranlassung haben, diese Anstalt zweckmäßig einzurichten, als er, der große Reisende. Er setzte eine Oberpostdirection in Rom ein unter dem Titel praefectus vehiculorum.Spart, c. 7: cursum fiscalem instituit, ne magistratus hoc onere gravarentur. E. Hudemann (Gesch. des röm. Postwesens während der Kaiserzeit 1878, S. 22) bezieht die magistratus mit Recht auf die Municipalbeamten (später Decurionen) in den Ortschaften, wo Poststationen waren. Eine Reihe der praef. vehiculor. bei Henzen, Annal. d. Inst. 1857, S. 95. – Vom Reichspostwesen Mommsen, R. St. II, 2, S. 956; O. Hirschfeld I, 98 f.; H. Stephan, Das Verkehrsleben im Alterthum (Raumers Hist. Taschenb. 1868).

Die Verbindung zu Wasser war nicht weniger erleichtert. Von Ostia fuhr man in sieben Tagen nach Gibraltar, in zehn nach Alexandria.Plin., H. N. XIX, 1. Der Welthandel stand nie in größerer Blüte. Die Stadt Rom allein bezeugt das; denn hier strömten die Producte aller drei Weltteile auf den Markt, und »was nur die Jahreszeiten und Himmelsstriche, die Flüsse und Seen, die Künste der Hellenen und Barbaren hervorbrachten, das wurde aus jedem Lande und jedem Meere dorthin geführt«.Aristides, Encom. Romae (Dindorf) I, 326. Der Orient entsandte seine Schätze, selbst die des entlegenen Indiens durch armenische Kaufleute an das schwarze Meer, nach Dioscurias und an den Phasis.Plin., H. N. VI, 19. Strabo XI, 506. Handelsstädte wie Ephesus, Smyrna und Apamea vereinigten die Waaren Babyloniens, Persiens, Indiens auf ihren Märkten. Aus den Häfen Arabiens und des roten Meeres kamen sie auf dem Nil nach Alexandria. Myos Hormos entsandte jährlich Flotten nach Indien und Ceylon, und diese kehrten im Januar zurück.Ueber den alexandrinisch-indischen und arabischen Handel vergleiche man den Peripl. Maris Erythraei, der fälschlich dem Arrian zugeschrieben, wol unter Nero verfaßt worden ist. Im September war der Handel auf dem arab. Meerbusen am lebhaftesten, Häfen sind: Myos Hormos, Aduli, Tapara, Malao, Mundi, Tabae, Opone, Muza etc. bis Taprobana.

Freilich verzichteten die Provinzen darauf, noch etwas durch sich selbst zu gelten. Ihr nationaler Zusammenhang war aufgelöst und künstlich in Gemeindewesen und Gerichtssprengel zersplittert. Ihre alten Bündnisse waren abgeschafft; denn überall, wo Rom Eroberungen gemacht hatte, beeilte sich der Senat, solche Conföderationen aufzuheben.So schon unter Mummius in Griechenland. Pausan., Achaica VII, 16, 6. Zwar besaßen die Provinzen das Recht, für gemeinsame Angelegenheiten Vereine von Städten zu bilden und sogar Abgeordnete zu einem Landtage zu versammeln, welcher unter dem Vorsitze des Oberpriesters jährlich in dem Hauptort zusammentrat (commune, concilium, oder κοινόν im Orient); wenn aber auch diese Provinzialparlamente über die Statthalter Beschwerden aufnehmen und sie durch Gesandte an den Kaiser bringen durften, so war es ihnen doch nicht erlaubt, über innere Verwaltungsangelegenheiten zu beraten. Ihr wesentlicher Zweck war, Bestimmungen zu treffen über gemeinsame Opfer und Festspiele.Kuhn, städt. Verf. I, 111 f. Marquardt, R. St. 503 f., 510 f., und in Ephem. Epigr. 1872, S. 200 f., die Zusammenstellung der Provinzialconcile. Arnold, Roman System of Prov. Adm., S. 202. Die κοινά in Asien bei Perrot, Rev. Arch. 1874, S. 11 f. Denn der Mittelpunkt des provinzialen Lebens war jetzt der Altar des Genius Roms und des Augustus, oder der Tempel seiner vergötterten Nachfolger. Tarraco hatte zu allererst von Octavian die Ehre erbeten, ihm einen Altar zu errichten, und das Beispiel dieser niedrigen Schmeichelei ahmten andere Provinzen nach.Ueber den Kaisercultus in Tarraco Hübner, Hermes I, 1866, S. 111. Uebrigens war dieser Kaiserdienst von Asien ausgegangen; unter Augustus waren Ephesus, Nicäa, Pergamon und Nicomedia seine privilegirten Sitze. Krause, Neokoros, S. 12. Die Provinziallandtage im Reich dienten daher im Ganzen nur zur Befestigung des Gehorsams gegen das Kaisertum, welches mit dem Nimbus der Religion umgeben wurde.

Für Länder, die der Freiheit nicht mehr fähig waren, ist trotzdem die römische Regierung segensreich gewesen. Sie schützte sie vor Bürgerkriegen, welche sie zerfleischt hatten, als sie noch in kleine Staatswesen voll Ehrgeiz und Eifersucht zersplittert waren. Zu seiner Zeit sagte Plutarch von Griechenland: »Jetzt herrscht hier voller Frieden und Ruhe; es gibt keine Kriegszüge, Exile und Revolutionen mehr, noch Tyrannenherrschaften, noch andre Uebel der Hellenen.«Cur Pythia nunc non reddat oracula, Moral. 11, 460 (Wittenbach). Er hätte freilich hinzusetzen können, daß es auch kein politisches und geistig schöpferisches Leben mehr in seinem Vaterlande gab. Denn die Republiken in Hellas sind wie die späteren Italiens in Künsten des Friedens groß gewesen gerade unter dem Waffenlärm des Kriegs und dem Tumult der Revolutionen. Aber diese Blütezeit der kleinen Aristokratien und Demokratien war abgelaufen. An die Stelle der localen Leidenschaften war die Weltgeschichte, an die Stelle von Stadt und Stamm die Menschheit getreten. Plinius konnte die »unendliche Herrlichkeit des römischen Friedens« preisen, welcher die entferntesten Länder und ihre Produkte zu einem Gemeingut Aller gemacht habe.Hist. Nat. XXVII, 1: immensa romanae pacis majestas. Länder, die zur Zeit der Republik halb verödet waren, blühten im Frieden wieder auf, wie Spanien, Gallien und Africa. Asien und Syrien erlebten ihre letzte glückliche Zeit. Ganze Landstriche Asiens wurden dem Nomadentum durch die Römer entrissen, und erst die Saracenen haben dort die Barbarei des Beduinenwesens wieder zurückgebracht.Renan, Mission en Phénicie, S. 837.

Das Glück der friedlichen Entwicklung der Provinzen unter einer gerechten Regierung ist daher nicht zu unterschätzen, und es bleibt wahr, was Aristides und nach ihm Gibbon gesagt haben, daß der Gehorsam der Welt gegen Rom ein freiwilliger geworden war. Nur unter den Barbaren an den Gränzen lebte noch der aus den alten Culturstaaten verbannte Sinn der Freiheit. Mit einem Seufzer hat deshalb Tacitus auf die Germanen geblickt. Dem kosmopolitischen Organismus des Reichs sich einzufügen und aus ihm neue Quellen des Lebens zu ziehen, mußte das Bestreben auch der hochgebildetsten Völker sein, welche Rom mit Waffengewalt unterworfen hatte. Sie ergaben sich in ihr Los, um so mehr als das im Ganzen weise Regierungsprincip der Monarchie ihre heimische Religion und Verfassung achtete. Sie hatten jedem Widerstande gegen die römische Herrschaft entsagt, oder ihr Kampf mit dieser bestand nur in dem Bemühen, sich in allen politischen und bürgerlichen Rechten den Römern gleich zu setzen. Die Provinzen selbst des Abendlandes wetteiferten bereits mit Rom durch ihre Bildung und die Menge einheimischer Talente. Sie bereicherten die römische Literatur mit glänzenden Namen in jedem Zweige des Wissens, selbst in der Jurisprudenz. Spanien, Gallien, Africa, Illyricum gaben mit der Zeit dem römischen Staat große Feldherren und auch Kaiser. Rom civilisirte den Westen und vollendete im Osten das Werk Alexanders des Großen.

Die Monarchie hob allmälig die rechtlichen Schranken zwischen den beherrschten Ländern und der herrschenden Stadt auf. Schon Mäcenas hatte Octavian geraten, den Provinzen gleiche Rechte und Gesetze zu geben und allen Bürgern gleiche Steuern aufzulegen. In der ersten Stunde der Monarchie war demnach als ihr Ziel die Gleichheit aller Nationen erkannt worden. Nicht nur Städten, sondern Ländern haben die Kaiser das latinische und römische Recht erteilt. Ganz Spanien hatte von Vespasian die Latinität erhalten, Hadrian gab sie der Provinz Narbonensis, und er schenkte dem ganzen oberen Pannonien das Bürgerrecht.Zumpt, Comm. Ep. I, 410. Mommsen, C. I. L. III, 496. 498. Wenn er hier nur dem Beispiele seiner Vorgänger zu folgen schien, so hat doch kein Kaiser vor ihm im Allgemeinen den Provinzialen die Erlangung einer gesetzlichen Stellung im Organismus des Reichs durch die Gleichberechtigung mit Rom so sehr erleichtert.Finlay, Griechenl. unter den Römern, S. 55. Der Titel »Mehrer der Bürger« (Ampliator Civium) hätte schon ihm gebührt; er findet sich erst auf einer Medaille des Antoninus.S. P. Q. R. Ampliatori Civium. Froehner, Les Médaillons de l'Empire Romain, S. 61. Die Erteilung der Civität war freilich meist eine Finanzspeculation, indeß die socialen Verhältnisse nötigten dazu, und die Zeit war nahe, wo Caracalla auch die letzten rechtlichen Unterschiede im Reiche aufhob. Das große kosmopolitische Princip Roms würde ein wahrhaft erhabener Abschluß der antiken Geschichte zu nennen sein, wenn es ein wirklich humanes gewesen wäre und das Bürgerrecht mit dem Menschenrecht vereinigt hätte. Aber nur theoretisch ist dies von den Stoikern, von Seneca, Epiktet und Marc Aurel angedeutet worden. Die bürgerliche Gesellschaft und die ganze Oekonomie des Staats ruhte fortwährend auf der Sclaverei, dem unsittlichsten und verhängnißvollsten aller Institute des Altertums, und selbst die gepriesene Blüte der Industrie im Zeitalter der Antonine war wesentlich das Product der Sclaven. Der Begriff der freien Arbeit als der höchsten Betätigung des Willens und der Lebenskraft, wie der Quelle alles volkswirtschaftlichen Reichtums war noch von keinem Nationalökonomen entdeckt worden. Die Arbeit blieb im Allgemeinen die erzwungene That der Sclaven.

Die Sclaverei war die einzige Grundlage für die Unabhängigkeit der regierenden Menschenrasse. Eine solche Summe von Kraft lag in ihr versammelt, daß ein Stillstand der Sclavenarbeit, wenn dieser in der modernen Weise der Vereinbarung hätte geschehen können, die Fortdauer der Gesellschaft würde unmöglich gemacht haben. Die Zahl dieser unseligen Menschen betrug etwa ein Drittel der Bevölkerung der römischen Monarchie. In einem merkwürdigen Brief an den Senat sprach sich Tiberius über diese ungeheure Menge der Sclaven aus, welche er neben den Latifundien als den Verderb des Staats bezeichnete, und er nannte sie Nationen.Tacit., Ann. III, c. 53: quid enim primum prohibere et priscum ad morem recidere aggrediar? villarumne infinita spatia? familiarum numerum et nationes? Er verzweifelte daran, diese furchtbaren Uebel zu heilen. Glücklicher Weise gab es doch Ursachen, welche die Sclaverei minderten. Eroberungskriege waren ihre Hauptquelle gewesen; als sie aufhörten, versiegte auch diese. Denn immer seltener geschah es, daß von Staatswegen Bevölkerungen von Städten als Kriegsbeute sub hasta oder corona verkauft wurden. Aber daß es doch noch geschehen konnte, hat das Schicksal der Juden nach dem Falle Bethers unter Hadrian gezeigt. Je mehr nun der Sclavenstand sich verringerte, desto besser gestaltete sich das Los der freien Landbauern und Arbeiter; die Kaiser bemühten sich um die Verbesserung ihres Schicksals.Jung, Bevölkerungsverhältnisse des röm. Reichs, Wiener Stud. 1879, S. 195. Ueber den Aufschwung der freien Arbeit seit dem 2. Jahrh. Walon, Hist, de l'Esclavage III, c. 3.

Eine andre Ursache der Minderung der Sclaverei war die Freilassung. Schon seit den Bürgerkriegen hatte sie so zugenommen, daß die Furcht entstand, der römische Bürgerstand werde durch die Aufnahme so vieler ehemaliger Sclaven ganz verderben. Denn die wenigsten unter diesen konnten tugendhafte Menschen sein; vielmehr mußte lange Verknechtung ihre Menschenwürde vernichtet haben. Die Freilassung selbst wurde in Rom zuletzt eine Art Luxus, denn jeder Große pralte ebensosehr mit der Zahl von Sclaven, die er besaß, wie der Freigelassenen, die seinen Hof bildeten. Augustus hatte durch die Lex Aelia Sentia und Furia Caninia die Freilassung zu beschränken gesucht, und Tiberius gemäß der Lex Junia Norbana den ohne feierliche Form Losgesprochenen nur ein beschränktes latinisches Recht gestattet. Libertini aber füllten bald alle Stände der Gesellschaft an; sie bemächtigen sich des Hofes und seiner Verwaltung, und sie tyrannisirten als Günstlinge und Hausbeamte der Kaiser Rom und das Reich.


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