Ferdinand Gregorovius
Der Kaiser Hadrian
Ferdinand Gregorovius

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Sechzehntes Capitel.

Das Orakelwesen. Plutarch, sein Verteidiger. Der Mysticismus Hadrians. Die Vergötterung des Antinous.

Das wundersüchtige Jahrhundert, in welchem die Mystik des Orients die alten Götterdienste durchdrang, erzeugte eine Renaissance des Orakelwesens, das im ersten Jahrhundert durch eine rationelle Aufklärung der Geister in Verfall gekommen war. Derselbe Nero, der das Orakel zu Delphi befragt hatte, untergrub dessen Ansehen, indem er den Apollotempel plünderte und seine Güter einzog. Die Pythia verstummte. Sie verdiente längst die Verachtung der Menschen durch ihre Lüge und Bestechlichkeit, wie das schon Cicero bemerkt hatte.Cicero, De divin. II, 57. Dem Muttermörder Nero hatte sie schamlos geschmeichelt, indem sie ihn mit Orestes und Alkmäon zu vergleichen wagte.Lucian, Nero c. 10. Trotzdem wollte Nero die Mündung des pythischen Orakelschlundes verstopfen lassen, damit Apollo für immer schwiege. Indeß Trajan scheint das delphische Orakel hergestellt zu haben, und Hadrian hat es um den Geburtsort Homers befragt.Bouche-Leclerc, Divination dans l'antiquité III, S. 200. Es gibt keine kaiserlichen Münzen aus Delphi als von Hadrian (eine bezüglich auf Antinous), von Antoninus Pius und Faustina. Bormann, Bull. d. inst. 1869 S. 45. Obwol Plutarch das Schwinden der Orakel bezeugt, war doch keines der berühmten erloschen. Nur mochte ihre Anziehungskraft auch dadurch gemindert sein, daß sich die Menge lieber neuen Offenbarungen zuwandte, welche plötzlich in Mode kamen, wie das Glykonorakel zu Abonoteichos. Es dauerten noch immer alte Orakelinstitute fort, so ganz besonders die apollinischen in Delos und Argos, in Xanthus und Klaros bei Kolophon, die des Trophonius in Lebadea, der Branchiden zu Didymi bei Milet, des Sonnengottes in Heliopolis, das zu Hierapolis in Syrien.Döllinger, Heidentum und Judentum, S. 649 f.; Friedländer III, 527 f.; Marquardt, R. Staatsv. III, 95. Die Geschichte der ansehnlichsten Orakel überhaupt bei Bouche-Leclerc. Doch waren sie alle mehr oder weniger abgenutzt.

Plutarch gestand das in seiner Schrift über den Verfall der Orakel mit Schmerz ein, denn er bemühte sich, die wahrsagenden Mächte wieder zu Ehren zu bringen.De Defectu Oraculorum. Im c. 5 beklagt er sich, daß in Böotien, welches früher voll von Orakeln gewesen, nur das zu Lebadea fortbestehe. Siehe auch Cur Pythia nunc non reddat Oracula. Jener Verfall soll sie nach seiner Ansicht nichts angehen, denn sie haben Dämonen zu Orakelvorstehern eingesetzt, und Dämonen sind keine Götter. Vielmehr haben sie eine aus Unsterblichkeit und Sterblichkeit gemischte Natur, und weil ihnen auch leibliche Stoffe anhaften, so können sie, gut oder böse, sich verändern und sogar verschwinden. Er beruft sich dabei auf Plato, Empedokles, Xenokrates und Chrisippus. Um die Sache ganz klar zu machen, erzählt er die Geschichte vom Untergange des Pan. Zur Zeit des Tiberius hörten Schiffer an einer griechischen Küste den Namen des Steuermannes Thamus rufen; eine Stimme sagte: wenn du auf die Höhe von Palodes kommst, dann mache kund, daß der große Pan gestorben sei. So that Thamus, worauf lautes Seufzen gehört wurde. Tiberius ließ den Vorgang untersuchen und beglaubigen. Also können Dämonen untergehen. Wir lächeln auch über die Mühe, welche sich Plutarch im »Dämon des Sokrates« gemacht hat, die Weissagung aus dem Genius zu erklären, dessen Stimme einem Philosophen von so reinem Geiste besonders vernehmbar gewesen sei. Er versteht diesen Genius in der krassesten Weise als einen orakelgebenden Dämon.

Die Epikuräer hatten es nicht schwer, die neu aufgestutzte Orthodoxie über den Haufen zu werfen. Schon Oenomaus, dessen Schriften Eusebius ausgezogen hat, verspottete die Orakel als Betrügereien der Gaukler.Eusebius, Praep. Evang. V u. VI: φωρὰ γοήτων. Aber die Kritik der Schule Epikurs und der Witz Lucians fruchteten nichts, denn die Menge nahm keine Kunde von ihr, während es unter den ersten Geistern der Zeit Apologeten der Orakel gab, wie das eben Plutarch bewiesen hat. Wahrsager und Sterndeuter aus Aegypten und Chaldäa schwärmten im römischen Reich umher und machten vortreffliche Geschäfte. Man drängte sich in Aufzügen mit Opfergaben an ihre Altäre, Heiligenbilder und Talismane, und zu ihren mystischen Cabineten, wo man Schatten heraufkommen sah und Todte weissagen hörte. Vergebens haben Lucian und Favorinus die Ansicht lächerlich gemacht, daß unsre Entschlüsse und Handlungen durch die Constellation der Gestirne bestimmt seien.Favorinus über die Astrologie bei Gellius XIV, 1.

Wenn ein so geistreicher Mann wie Hadrian den Geheimnissen der Astrologie ergeben war, und die Künste der orientalischen Mantik betrieb, so mußte sein Beispiel solchem Wahn so viel Kraft geben, als die Bullen der Päpste dem Glauben an das Zauber- und Hexenwesen gegeben haben. Er glaubte an die Schrift der Sterne wie an die Orakelmacht. Vor seinem Regierungsantritt empfing er Anzeichen seiner kaiserlichen Würde aus den sibyllinischen Büchern und den Gesängen des Virgil, vom Orakel des Jupiter Nicephorus und der kastalischen Quelle bei Antiochia, welche er dann als gefährlich vermauern ließ.Ammian. Marcellin. XXII, 12, 8. Sozomen., H. Eccl. V, 19. Als ein gelehrter Astrolog erforschte er seine eigene Zukunft, und man sagte von ihm, daß er seine Handlungen und Erlebnisse für jedes Jahr im Voraus berechnet habe.Die merkwürdige Stelle bei Spartian c. 16: mathesin sic scire sibi visus est ut sero kalendis Januariis scripserit, quid ei toto anno posset evenire, ita ut eo anno quo perit usque ad illam horam qua est mortuus scripserit, quid acturus esset. An Vorbedeutungen und Wunderzeichen glaubte auch der jüngere Plinius so gut wie Sueton, dessen Kaisergeschichten voll von Aufzeichnungen der seltsamsten Prodigien sind. Man sieht, auf welchen fruchtbaren Boden auch die christliche Wundersucht in der römischen Welt gefallen ist.

Die mystischen Neigungen Hadrians hat ein Dichter der Sibyllinen in Versen gezeichnet, worin Rom so angeredet wird:

Aber sobald dich beherrscht hochfahrender Könige fünfzehn,
Die vom Morgen bis tief zum Abend die Völker geknechtet,
Dann wird kommen ein Fürst, grauhaarig, deß Name vom Meer ist,
Der mit unheiligem Fuße die Welt durchwandert, Geschenke
Bringend, und Schätze an Silber und Gold, viel mehr als der Feind hat,
Häuft er in Masse sich auf, mit dem Raub dann segelt er heimwärts.
Alle Mysterien auch, die geheimsten und magischen, kennt er,
Zeigt einen Knaben als Gott, und zerstört was irgend noch heilig,
Allen entriegelnd die Pforte des uralt mystischen Wahnsinns.Sibyll. VIII, 50 f. (ed. Alexandre, Paris 1869):
Καὶ μαγικω̃ν αδύτων μυστήρια πάντα μεθέξει,
Παι̃δα θεὸν δείκνυσιν, άπαντα σεβάσματα λύσει,
Κάξ αρχη̃ς τὰ πλάνης μυστήρια πα̃σιν ανοίξει.

Hier wird von Hadrian behauptet, daß er allerlei Mysterien erforscht habe, und dies stimmt durchaus mit dem überein, was Tertullian und Julianus von ihm gesagt haben.Das Wort Tertullians von Hadrian: quamquam curiositatum omnium explorator bezieht sich wol auch auf die religiösen Geheimnisse, da es in Verbindung mit dem Christentum gesagt ist: Apologet, adv. gentes, c. 5. Obwol es nicht bekannt ist, daß er andre als die eleusinischen Weihen genommen hat, so ist es doch unzweifelhaft, daß er sich auf seinen Reisen die Kenntniß von vielen Mysterien Griechenlands, Syriens und Aegyptens erworben hatte. Denn sein Forschungstrieb ist gewiß ebenso groß gewesen, wie der des Septimius Severus, von welchem Dio gesagt hat, daß er nichts Menschliches noch Göttliches unerforscht gelassen habe.μη̃τε ανθρώπινον μη̃τε θει̃ον αδιερεύνητον καταλιπει̃ν, Dio 75, 13. Als Sohn seiner Zeit bietet auch Hadrian Züge dar, welche ihn einem Peregrinus und Alexander verwandt erscheinen lassen. Auch er sinkt zum religiösen Gaukler herab; er erfindet einen neuen Gott und ein Orakel, welches Geltung gewinnt, wie das paphlagonische des Glykon. War dies Herrscherlaune aus Bewußtsein seiner ihm wie allen Cäsaren vom Knechtssinn der Menschen angedichteten Götterkraft? Sein Versuch Religionsstifter zu werden kann auch Ironie gewesen sein. Hat Hadrian den Blödsinn der Menschen verachtet und sie deshalb zum Besten gehabt? Ist er nur ein Künstler gewesen, als er den Gott Antinous, »den verkörperten Sohn der Schönheit« erschuf? War er wie Lucian und die Epikuräer im Grunde ein Atheist? Niemand weiß es zu sagen. Die Religion dieses rätselhaften Menschen ist ein Geheimniß für uns. Auch zu einem philosophischen System hat er sich nicht bekannt. Spartian sagt von ihm, daß er den römischen Götterdiensten eifrig ergeben war, und die fremden verachtete, worunter wol die syrischen und ägyptischen zu verstehen sind.Sacra Romana diligentissime curavit, peregrina contempsit, Spart, c. 22. Tiberius verbot aegyptios judaicosque ritus, Sueton, Tiber, c. 36. Als Oberhaupt des Staats hat er der Staatsreligion die ihr gebürende Ehrfurcht erwiesen. In Rom hat er alte Tempel hergestellt und neue erbaut. Auf Münzen Hadrians sieht man die drei Staatsgötter des Capitol. Eine Medaille stellt Jupiter als Beschützer des Kaisers selbst dar; der Gott steht da in colossaler Gestalt, die Rechte mit dem Blitz über Hadrian ausgestreckt, während er ihn mit dem Mantel beschirmt. Der Kaiser macht die Bewegung eines Flehenden; er ist in kleiner Figur dargestellt, so daß er an die Demut christlicher Könige oder der Päpste erinnern kann, welche sich, die heidnische Vorstellungsweise nachahmend, auf Musiven vor Christus als Zwerge abbilden ließen.Froehner, Les Médaillons de l'Empire Romain, Paris 1878, S. 28: Hadrian. Aug. Cos. III, PP. – Jovi Conservatori. Dasselbe Motiv mit der Legende Conservatori Patris Patriae hat bereits eine große Bronze Trajans, und Fröhner schreibt es den Flaviern zu. Aehnlich sind Medaillen, auf welchen Jupiter Custos die Kaiser Marc Aurel und L. Verus beschirmt. – S. 29: Medaillen Hadrians, Hadr. Aug. PP. – Jovi Opt. Maximo SPQR. Andre hadrian. Medaillons in Bezug auf die capitolischen Götter S. 26 f.

Pausanias hat Hadrian sogar einen der gottesfürchtigsten Kaiser genannt, und dabei sicherlich seine Tempelbauten im Sinne gehabt.‛Αδριανου̃, τη̃ς τε ες τὸ θει̃ον τιμη̃ς επὶ πλει̃στον ελθόντος, Attica V, 14. So galten auch als gottesfürchtig im Mittelalter alle Könige, welche Kirchen und Klöster bauten, und Wilhelm von Sicilien wurde deshalb der »Gute« genannt. Er baute Tempel genug, aber das kann er auch als Künstler gethan haben, und außerdem hat er sie keinem Gotte zugeschrieben, sondern namenlos gelassen.Lamprid., Alex. Sever., c. 43. Das ist Thatsache, daß er seine eigene Erhebung zum olympischen Zeus sich gerne gefallen ließ.

Wenn man nun seiner Majestät Tempel errichtete, sollte nicht auch derjenige sie haben, den er selbst zu seinem Gottgenossen gleichsam adoptirt hatte? Mit der Vergötterung des Antinous hat Hadrian sein kaiserliches Siegel auf den Aberglauben des Jahrhunderts gedrückt. Aber diese Handlung machte viel weniger Eindruck auf die Mitwelt, als sie ihn noch auf die Nachwelt macht. Die Apotheose war im Altertum die höchste Ehre, die man Sterblichen erwies, indem man sie den Göttern als Heroen beigesellte und ihr Andenken mit Festspielen ehrte. Aus dem Heidentum ging die Menschenvergötterung in die christliche Kirche über, in der Form der Beatification und Canonisation. Als Heroen des Glaubens erhielten auch die Heiligen ihre Altäre. Die Italiener der Renaissance erkannten den Zusammenhang beider Apotheosen, der heidnischen und christlichen, ganz richtig, indem sie die Heiligen als Divi bezeichneten. Im Ganzen aber war das Heidentum mit seinen Apotheosen doch sparsamer, als die christliche Kirche. Der antike Heroenkalender verschwindet gegen die Myriaden christlicher Heiligen und die 60 Foliobände der Acta Sanctorum. Man wird die Spartaner nicht tadeln, weil sie ihren Lykurg vergötterten, noch die Smyrnäer, weil sie dem Homer Opfer darbrachten, noch die Athener, welche die bei Marathon gefallenen Helden den Unsterblichen beigesellten. Aber die Griechen nahmen sich leider die niedrige Schmeichelei der Kleinasiaten zum Beispiel, und sie vergötterten die Macht. In der Diadochenzeit haben sie die Nachfolger Alexanders noch bei ihrem Leben als Götter geehrt, und dann auch die Feldherren Roms Flaminius und Sulla in den Himmel erhoben. Dieser Menschendienst konnte in Aegypten weniger auffallen, wo die Lagiden die Götterehren der Pharaonen geerbt hatten. Als Sohn der Sonne ist Augustus in hieroglyphischen Inschriften verherrlicht worden.Döllinger, Heidentum und Judentum, S. 14.

Die Römer selbst nahmen die Apotheose von den Griechen auf; zuerst erhielt Cäsar als Divus Julius die Consecration. Ein Komet wurde für seine Seele erklärt, die zum Aether emporgestiegen sei.Sueton., Caes., c. 88. Er erhielt zuerst einen Tempel auf dem Forum durch Augustus, den wahren Urheber des Kaisercultus. Siehe über diesen überhaupt Preller, R. Mythol. im betreffenden Abschnitt. Hierauf wurde der Kaisercultus die wahre Religion des Staats, und zu ihr mußten sich auch die Provinzen Europas bekehren. Tacitus hat erzählt, wie die Städte Asiens durch Abgesandte wetteifernd von Tiberius die Gunst erbettelten, ihm einen Tempel zu errichten.Tacit. Ann. IV, 55. In Griechenland gab es kaum eine namhafte Stadt, die sich nicht um die Ehre der Neokorie beworben hätte, das heißt um die Auszeichnung des Tempeldienstes für die Kaiser Roms.Hermann, Gottesdienstliche Altertümer der Griechen, § 12. Jeder Kaiser war schon bei seinem Leben ein Gott. In einem Kunstwerk ist schon Augustus als Jupiter abgebildet, den Fuß auf den Erdball gesetzt, neben Livia, die als Venus dasteht. So stellt ihn ein berühmtes Marmorrelief zu San Vitale in Ravenna dar.A. Konze, Die Familie des Augustus, ein Relief in S. Vitale zu Ravenna, 1867. Als Jupiter stellt den Augustus auch eine herkulanische Bronzestatue dar. Wenn zu seiner Zeit, wie das seine Schmeichler im Plane hatten, das Olympieion in Athen vollendet worden wäre, so würde schon er dort vor Hadrian als Zeus verehrt worden sein.

Die Vergötterung des Antinous verliert daher ihre Grellheit, sobald man sie mit den Vorstellungen der Zeit in Zusammenhang bringt, aber sie behält ihre moralische Ungeheuerlichkeit, wenn man erwägt, was dieser apotheisirte Knabe im Leben gewesen war. Jeder Mann wußte das so genau, wie die Bürger von Abonoteichos die Abkunft ihres Propheten Alexander kannten. Selbst vor dem Urteile denkender Zeitgenossen konnte die gottlose Laune Hadrians kaum durch die Vorstellung gemildert werden, daß der Opfertod jenes Knaben den Ruhm einer heroischen Handlung beanspruchen dürfe.So will das Hausrath auffassen, Neutestamentliche Zeitgesch. III, 480. Ich glaube freilich, daß der Opfertod des Antinous an den Tod des Osiris und Adonis erinnern sollte. Dio sagt ausdrücklich, der Kaiser sei zum Gespött geworden, als er den Stern des Antinous gesehen zu haben beteuerte.Διὰ ταυ̃τα μὲν ου̃ν εσκώπτετο – Dio 69, 11. Aber das ist eben das Furchtbare, daß die Götter überhaupt zum Spott geworden sind nicht allein für die Kritik des Atheisten, sondern auch für den Glauben an den Altären aus Knechtssinn und Menschenfurcht.

In Antinoe setzte Hadrian seinem Liebling einen Orakeldienst ein mit Wahrsagern und allem andern nötigen Theaterapparat.Der προφήται oder Orakelpriester des Antinous in Antinoe gedenkt Hegesippos bei Euseb., H. E. IV, c. 8. Er verfuhr also ganz wie der Lügenprophet Alexander, und auch wie dieser ließ er sich herab, Orakelverse zu dichten.Spart, c. 14: et Graeci quidem volente Hadriano eum consecraverunt oracula per eum dari adserentes, quae Hadrianus ipse composuisse iactatur. Es ist schwer zu begreifen, wo Hadrian Fragenden Orakel erteilen konnte, da der Antinoustempel in Besa erst nach seiner Abreise aus Aegypten vollendet werden konnte. Da es nun an jenem Ort, dem alten Besa, bereits einen äthiopischen Orakelgott gab, so hat ihn der Kaiser mit diesem in eine Person verschmolzen. Die Aegypter konnten in ihm noch jenen Besa verehren, während er für die Griechen Antinous war.Bouche-Leclerc III, 394.

Wenn sich der Gebieter der Welt zum Propheten der neuen Gottheit machte, so war er sicher, für seine Creatur Anerkennung zu finden, so lange er selbst lebte. Aber nichts zeigt so schlagend, wie übermächtig das Bedürfniß der Divination im damaligen Menschengeschlecht gewesen ist, als die Thatsache, daß auch dies Antinousorakel noch im dritten Jahrhundert fortgedauert hat. Origenes glaubte, daß in Antinoe Zauberer und Dämonen ihr geheimnißvolles Wesen trieben.Origenes in Cels. 3, 36; Tertullian. Apol, c. 13; Clem. Alex. Protrept. S. 43.

Antinoe war eine griechische Stadt, und im Allgemeinen waren es Griechen, die den hadrianischen Gott anerkannten und seinen Cultus verbreiteten.Das lehrt auch die Stelle bei Spartian c. 14. Es konnte ihrer Nationaleitelkeit schmeicheln, daß die Ehre des Olymp einem ihrer Landsleute zu Teil geworden war. In ihren Augen mochte Antinous Hellas selbst bedeuten, und weiter konnte der Kaiser seine philhellenischen Sympathien nicht treiben, als indem er einen Griechen zum Gott erhob. Zu einer wirklichen Cultusmacht ist aber Antinous doch nicht gelangt, obwol Griechenland und Asien wetteiferten, ihn durch Altäre und Bildwerke zu feiern. Sein Hauptsitz in Hellas war Mantinea. Denn der Kaiser benutzte eine weithergeholte Genealogie, wonach die Nikopoliten in Bithynien Colonisten Mantineas gewesen sein sollten, um dort seinem Adonis einen Tempel zu gründen.Pausanias VIII, 9, 7. Münze bei Fabretti 462. Er stiftete ein Jahresfest der Einweihung und fünfjährige Spiele.Euseb., H. E. IV, c. 8 führt Hegesippos an, zu dessen Zeit noch der αγὼν ’Αντινόειος gefeiert wurde. Dieser Kirchenschriftsteller lebte in der Mitte des 2. Jahrh. Pausanias sah viele Bildsäulen des Antinous in Mantinea und schöne Gemälde im dortigen Gymnasium, die ihn als Dionysos darstellten.

Auch in Athen wurde er mit Spielen geehrt. Seine Statue ist im Schutte des Theaters gefunden worden. Selbst einen Marmorsessel hatte man im Zuschauerraum dem Antinouspriester als Ehrensitz aufgestellt.‛Ιερέως ’Αντινόου, Ephemer. Archeol. 1862, S. 162, n. 158. Rhusopulos, ibid. S. 215 Über jene Statue; S. 202 über die ’Αντινόεια εν άστει: Erwähnung eines ιερεὺς ’Αντινόου εφήβου, wonach Semiteles annimmt, daß Antinous als Ephebos in Athen verehrt worden sei. In Eleusis galt er als Jakchos, und auch hier wurden ihm Festspiele gehalten.’Αντινόεια εν ’Ελευσι̃νι, unterschieden von denen Athens εν άστει: Lenormant l'Antinoüs d'Eleusis, Rev. Arch. 1874, S. 217.

Viele andre hellenische Städte haben ihn auf Münzen als Dionysos oder Jakchos, als Heros und Gott verherrlicht. Solche sind aus Tarsus, Adramytion, Adrianotherä, Amisus, aus Ancyra, Mantinea, Bithynium, aus Korinth und Delphi, aus Hierapolis, Cyzikus, Nicomedia, Nikopolis, aus Sardes, Tyana, Smyrna und Alexandria.Eckhel VI, 528 f.; Cohen II, 267. Auf einer korinthischen Münze hält Antinous den geflügelten Pegasus am Zügel, und dieses Roß soll Borysthenes sein, das Leibpferd Hadrians.Maffei Gemme antiche II, 193. Eins der schönsten Brustbilder des Antinous zeigt eine Medaille aus Nikopolis oder Bithynium, seiner Vaterstadt.ΑΝΤΙΝΟΟΝ ΘΕΟΝ Η ΠΑΤΡΙ C, R) ΒΕΙΘΥΝΙΕΩΝ ΑΔΡΙΑΝΩΝ, Mionnet, Suppl. V, pl. 1. Die von Smyrna, Schmeicheleien des Polemon bei Cohen II, 268, und ebendaselbst Münzen mit Antinous u. Hadrian.

Bald ist er mit Harpokrates seinem Genossen im Göttercollegium zusammengestellt, bald mit Apollo oder Hermes. Ein Greif, ein Bock oder Stier, ein Panther und der Thyrsusstab, Mond und Sterne bezeichnen ihn als diesen oder jenen Gott, dessen Incarnation er ist. Denn Antinous ist niemals als eine neue Gottheit gedacht worden, sondern nur als neue Offenbarung eines der bestehenden Götter. Das gleiche Verhältniß hat auch bei den apotheosirten Kaisern stattgefunden. Am häufigsten erscheint er in der Gestalt des Dionysos, weil diese seiner jugendlichen Schönheit am meisten entsprach. Sie hat auch viel dazu beigetragen, daß der Cultus des Antinous nicht mit Hadrian erlosch, denn die Kunst hat ihn als einen jugendlichen Typus im Vorstellen der Menschen befestigt.

Aber sein Götterdienst blieb im Orient localisirt. Im lateinischen Abendlande hat er keinen Eindruck auf die Phantasie der Menschen gemacht. Hier hat man sich mit dem griechischen Knaben nicht viel beschäftigt. Schon dies ist auffallend, daß Marc Aurel, wo er in seinen Selbstbetrachtungen die vertrautesten Freunde Hadrians mit Namen nennt, wie Celer, und die sonst unbekannten Chabrias und Diotimus, des Antinous mit keiner Silbe gedacht hat.Marc Aurel VIII, 25, 37: sitzen etwa, so fragt er, noch am Grabe Hadrians Chabrias und Diotimus? Es wäre lächerlich. Dies Schweigen konnte nur absichtlich sein. Als Stoiker hat Marc Aurel die Antinouskomödie verachtet. Wir wissen nicht, ob sich Hadrian überhaupt bemüht hat, seinen Gott in Rom einzubürgern. Oeffentlich ist er hier niemals anerkannt worden, da es dazu eines Decrets des Senats bedurft hätte. Er hat in Rom keinen Tempel gehabt. Es gibt auch keine römische Antinousmünzen, aber einige Inschriften beweisen doch das Eindringen seines Cultus dort und in Italien, und wol sind es Griechen gewesen, die dem Kaiser diesen Dienst erwiesen haben. Indeß auch unter Römern und Lateinern konnte es nicht an Knechtsseelen mangeln. Aus Augendienerei und Furcht, wie Justinus Martyr gesagt hat, wird mancher dem neuen Gott geopfert, und sein Bildniß in sein Haus aufgenommen haben. Eine im Marsfeld gefundene, vom dortigen Isistempel stammende Inschrift nennt Antinous den Mittronenden der Götter Aegyptens; er hat also in dem ägyptischen Heiligtum Roms seinen Altar gehabt.’Αντινόω συνθρόνω τω̃ν εν Αιγύπτω θεω̃ν Μ. Ούλπιος ’Απολλώνιος Προφήτης C. I. G. III, n. 6007. Es ist ungewiß, ob diese Inschrift der Zeit Hadrians angehört. Aber man wird kaum irren, wenn man annimmt, daß erst der Tod seines Lieblings im Nil den Kaiser selbst zu einem Anhänger des Isisdienstes gemacht hat. Zwar rühmt ihm Spartian nach, daß er fremde Götter verachtet habe, und es ist auch nicht bekannt, daß Hadrian, wie Domitian und später Commodus und Caracalla, öffentlich an den Isismysterien in Rom sich beteiligt habe. Indeß die tiburtinische Villa legt ein Zeugniß von seinem Verhältniß zu den Göttern Aegyptens ab, mag dieses immerhin nur ein künstlerisches gewesen sein. Aus jener Villa stammt der Marmorcoloß im Vatican, welcher Antinous als Osiris vorstellt, und auch der Harpokrates des Capitols, sein Göttergenosse, der als Genius des Schweigens vorgestellt ist, mit dem Finger auf dem Munde.

Ans dem Tiburtinum kann auch eine lateinische Inschrift nach Tivoli verschleppt worden sein, wo sie gefunden worden ist; sie vergleicht Antinous mit Belenus.Antinoo et Beleno par aetas formaque par est cur non Antinous sit Belenus. Q. Siculus. Orelli 828. Belenus war ein celtischer Gott und als Apollo romanisirt, Fabretti 325. Preller, Röm. Myth. I³, 270. Die Inschrift sieht ironisch aus; ob sie den celtischen Gott meint, oder ob Belenus ein schöner Knabe des Siculus gewesen ist, der ihm die Götterehren des Antinous zu verdienen schien, lasse ich unentschieden. Nun beweist aber auch eine lateinische Inschrift aus Lanuvium, dem heutigen Civita Lavigna, daß es dort, in der Nähe Roms, schon im Jahre 133, also nur drei Jahre nach dem Tode des vergötterten Knaben einen Tempel gab, mit der dazu gehörigen Bruderschaft von Verehrern der Diana und des Antinous, eine Verbindung von Gottheiten, welche seltsam genug ist.Henzen 6086: in templo Antinoi . . . cultorum Dianae et Antinoi. Die Geburtstage der Diana wie des Antinous (V. Kal. Dec.) wurden gefeiert, aber dieses Datum kann nicht als Geburtstag des Antinous angenommen werden; siehe zu dieser Inschrift die Bemerkungen Mommsens, De collegiis et sodaliciis Romanorum, S. 114. Eine andre Inschrift gibt von einer Genossenschaft der Verehrer des Antinous in Neapel Zeugniß, und daß sich eine solche in einer griechischen Stadt gebildet hatte, kann nicht befremden.Orelli 2252. Das Municipium Bovillä bei Rom setzte diese Inschrift einem römischen Ritter Myron, also einem Griechen, welcher unter andern Titeln auch bezeichnet wird als Fretriacus Neapoli Antinoiton et Eunostidon, also Mitglied oder Vorstand einer Phratrie cultorurn Antinoi et Eunosti war. Aber auch in Ostia scheint ein Heiligtum des hadrianischen Gottes bestanden zu haben, denn dort ist die Statue des lateranischen Museum gefunden worden, die ihn als Vertumnus darstellt.Benndorf und Schöne, Die antiken Bildwerke des lateran. Museum, n. 79. War sie eine Tempelfigur, oder hat sie eine öffentliche Anlage geziert, oder gehörte sie dem Privatbesitz an? Dies ist unbekannt. Da die Colonie Ostia vom Kaiser viele Wolthaten empfangen hatte, so konnte sie leicht dazu bewogen werden, ihm durch die Anerkennung seines Gottes sich dankbar zu erweisen.

Es kann nicht auffallen, daß Lucian, welcher doch alle legitimen wie barbarischen Götter mit seinem Spott lächerlich macht, den Antinous verschont hat. Als ein weltkluger Mann hat er weder die vergötterten Kaiser, noch die vergötterte Creatur eines Kaisers verhöhnen wollen. Der Name des Antinous wird von ihm nicht ausgesprochen; nur an einer einzigen Stelle seiner Götterversammlung mag er beim Ganymed an Antinous gedacht haben.Götterversammlung c. 8. Er wagte es nicht ihn im Olymp auftreten zu lassen; und diese Anerkennung hat ihm auch der Kaiser Julianus versagt. Denn in seiner Spottschrift auf die Cäsaren läßt er beim Erscheinen Hadrians im Olymp den Silen sagen, daß dieser vergebens den Antinous suche, der nicht hier, unter den Göttern sei. Wie Marc Aurel hat auch Julian diese Antinouskomödie verachtet.Julian Caesares c. 9. Den Christen bot der Ganymedes Hadrians, wie noch Prudentius den Antinous genannt hat, Stoff genug dar, um die grenzenlose Unsittlichkeit der heidnischen Religion zu brandmarken. Die Apologeten konnten dem Kaiser sogar dankbar sein; vom Antinous reden sie alle.Justin. Mart. Apol. II, 72: του̃ ’Αντινοόυ του̃ νυ̃ν γεγενημένου, ὸν καὶ πάντες ως θεὸν διὰ φόβου σέβειν ώρμηντο, επιστόμενοι τίς τε η̃ν καὶ πόθεν υπη̃ρχεν. Athenag. Apol. 34. Tatian contra Graecos, S. 149. Prudent. contra Symmach. I, 271. Sie haben keine zu starken Farben aufgetragen, wenn sie von der Unzucht der asiatischen Priester und selbst von Menschenopfern reden. Hadrian soll diese beim Mithrasdienst abgeschafft, aber Commodus sie wieder erlaubt haben. Und war am Ende der Tod des Antinous etwas anderes, als ein mystisches Menschenopfer?Von den Menschenopfern Justin. Mart. Apol. I, S. 50; Tatian. contr. Graec., S. 165; Lactantius Divin, inst. I, c. 21; Tertullian. Apol., c. 9. Man vergleiche was Lampridius c 8 vom Heliogabal erzählt: caedit et humanas hostias lectis ad hoc pueris nobilibus et decoris.


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