Ferdinand Gregorovius
Der Kaiser Hadrian
Ferdinand Gregorovius

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Zweites Capitel.

Lebensumstände Hadrians bis zur Tronbesteigung des Trajan.

Die Vorfahren des Publius Aelius Hadrianus sollen zur Zeit der Scipionen aus Hadria nach Italica in Spanien übergesiedelt sein. Diese Stadt der Provinz Bätica hatte Scipio im zweiten punischen Kriege gegründet, und erst Augustus zu einem Municipium gemacht. Sie blühte empor und wurde ein großer Ort. Zwei berühmte Kaiser gab sie dem Reich, Trajan und Hadrian. Ihre Ruinen zeigt man noch zu Santiponte, eine Stunde weit von Sevilla. Dort lebten die Aelier in angesehenen Verhältnissen. Ihr Geschlecht war der römischen Tribus Sergia zugeteilt.Inschriften der Aelier, Corp. Inscr. Latin. II, 1130. 1138. 1139. Die berühmte Inschrift auf der Basis der Hadriansstatue im Theater Athens bezeichnet ihn als zugehörig zur Tribus Sergia. Henzen, Annali dell' Inst. 1862, S. 139. C. J. L. III, n. 550.

Am 24. Januar 76, als Vespasian das Reich regierte, wurde Hadrian in Rom geboren. Sein Vater war P. Aelius Hadrianus Afer, ein vornehmer Mann senatorischen Ranges, ein Vetter Trajans. Seine Mutter Domitia Paulina stammte aus Gades, dem heutigen Cadix. Geschwister Hadrians sind nicht namentlich bekannt, außer der Paulina, die sich mit L. Julius Ursus Servianus vermälte.

            M. Ulpius Trajanus.                         Ulpia, seine Schwester,
           ┌─────────┴──────────┐                       verm. mit einem Aelius.
  M. Ulpius Trajanus,       Marciana,                               │
   Kaiser, verm. mit        verm. mit                   P. Aelius Hadrianus Afer
   Pompeja Plotina         C. Matidius                 verm. mit Domitia Paulina.
                            Patruinus.                  ┌───────────┴──────────┐
                                │               P. Ael. Hadrianus,          Paulina,
                            Matidia I.,               Kaiser.              verm. mit
                        verm. mit C. Vibius                                L. Julius
                             Sabinus.                                        Ursus
                 ┌──────────────┴──────────────┐                           Servianus.
             Matidia II.                    Sabina,
                                           verm. mit
                                          dem Kaiser
                                            Hadrian

In seinem zehnten Jahre verlor er den Vater und kam unter die Obhut des Ritters Cälius Attianus und des Exprätors Trajan. So brachten ihn Verwandtschaft und Vormundschaft in nahe Beziehung zu dem Glück eines künftigen Kaisers. In den Schulen Roms lernte der Knabe die Wissenschaften. Sein glänzend begabter Geist wurde besonders von der hellenischen Literatur bezaubert, so daß er darüber die lateinische Sprache vernachlässigte. Man gab ihm den Spottnamen »Gräculus«. Ob er auch in Athen studiert hat, ist ungewiß und wenig wahrscheinlich; denn schon in seinem fünfzehnten Lebensjahre kehrte er nach Spanien heim, wo er Dienste beim Heere nahm.Spart, vita c. 2. Sein Vormund Trajan rief ihn bald nach Rom zurück, nicht nur weil er sich im Uebermaß der Jagdlust ergeben hatte, sondern wahrscheinlich wegen seiner Ausschweifungen überhaupt.

Die Jagd war eine seiner größesten Leidenschaften. Als rüstiger Fußgänger wie als Jäger fand er wenige seines Gleichen. Noch als Kaiser vermochte er zu Roß Löwen zu erlegen. Er verunglückte auf der Jagd, so daß er sich eine Rippe und das Schlüsselbein brach.Spart, c. 26.

Die Leidenschaften der Jugend tödteten in Hadrian nicht den glühenden Drang nach Bildung. Er konnte diesen in Rom, der Hochschule alles Wissens, befriedigen. Er studierte hier mit den Gelehrten und Dichtern, er malte und meißelte in den Ateliers der Künstler. Kein Zweig des Wissens ist ihm fremd geblieben.Dio 69, 3: καὶ γὰρ έπλασσε καὶ έγραφε καὶ ουδὲν ό τι ουκ ειρηνικὸν καὶ πολεμικὸν καὶ βασιλικὸν καὶ ιδιωτικὸν ειδέναι έλεγεν. Ein junger Mann von so viel sprühendem Leben, ein geistreicher Gesellschafter, mußte er in den vornehmen Kreisen Roms eine gesuchte Erscheinung sein und sich besonders die Gunst der feingebildeten Frauen des trajanischen Hauses erwerben, der Marciana, Plotina und Matidia.

Die glückliche Zeit der flavischen Kaiser Vespasian und Titus ging indeß vorüber, und das Antlitz eines brutalen Despoten, Domitians, verfinsterte nochmals die römische Welt. Da hat Hadrian die Tyrannei verabscheuen gelernt. Noch unter ihrem Druck hat er seine Laufbahn im Staat begonnen. Alle Stufen derselben hat er mühsam erstiegen. Er wurde zuerst, um das Jahr 93, Richter bei einem Tribunal in Privatsachen, bekleidete hierauf einige andre Aemter niedrigen Grades und wurde Tribun bei der von Vespasian errichteten zweiten Legion Adjutrix, welche wahrscheinlich damals in Britannien lag.Henzen a. a. O. S. 145.

Domitian fiel am 18. September 96 unter den Dolchen der Verschwörer, und diese erhoben auf den Tron den edeln Senator Coccejus Nerva. Ein neues Zeitalter ging jetzt über der Menschheit auf. Die Majestätsprocesse wurden abgeschafft, die Kerker geöffnet, die Exilirten zurückgerufen. Was mit einander unvereinbar erschien, die Monarchie und die Freiheit, versöhnte Nerva nach dem Urteile des Tacitus.Agricola c. 3. Ein Gott gab dann diesem von den Prätorianern und dem Pöbel Roms bedrängten Kaiser die einzige große Tat seiner Regierung ein: er adoptirte Trajan. In derselben Stunde wurde der Glücksstern Hadrians am Horizont sichtbar.

Er war damals Militärtribun bei der 5. Legion Macedonica im unteren Mösien. Von dort überbrachte er (im Jahre 97) die Glückwünsche des Donauheers an Trajan, welcher als consularischer Legat das obere Germanien verwaltete. Trajan behielt ihn bei sich als Tribun der 22. Legion. Der designirte Kaiser scheint die Verwaltung des ganzen Germanien übernommen zu haben, während an seiner Stelle Servianus, der Schwager Hadrians, Legat im oberen Germanien wurde.Henzen S. 147. Joh. Dierauer a. a. O. I, 29. Plinius (Ep. VIII, 23) nennt Servianus exactissimus vir.

Unterdeß starb Nerva am 27. Januar 98, und auf den Tron des Reichs sollte jetzt der erste Provinziale steigen, ein Bürger derselben spanischen Italica, welche die Vaterstadt Hadrians war. Dieser eilte nach Cöln, wo sich damals Trajan befand, um ihm als der erste die große Botschaft zu überbringen. Jedoch sein eigener Schwager hielt den Eilfertigen zurück; er ließ ihm sogar heimlich den Wagen zerbrechen, worauf Hadrian, ein schnellfüßiger Wandrer, kurz entschlossen, einen Eilmarsch nach Cöln machte, und die Boten jenes überholte. Servianus war ein ernster Mann, dem die geistreiche Art seines Schwagers nicht behagte. Dem neuen Kaiser hat er alsbald das wahrscheinlich sehr ansehnliche Schuldenregister des jungen Verschwenders vorgelegt.Qui et sumptibus et aere alieno ejus prodito Traiani odium in eum movit. Spart, c. 2. Vielleicht war er selbst ehrgeizig und gönnte Hadrian die Gunst Trajans nicht. Einst sollte er, noch im höchsten Alter, seinen Ehrgeiz mit dem Tode büßen.

Nur langsam hat Hadrian das Wolwollen Trajans erlangt, und dieses verdankte er hauptsächlich der Freundschaft der Kaiserin, die man dann in niedriger Weise verläumdet hat. Auch abgesehen von ihrem officiellen Preise im Panegyricus des Plinius, spricht alles dafür, daß Pompeja Plotina eine wahrhaft edle und königliche Frau gewesen ist. Als sie zuerst als Kaiserin den Cäsarenpalast betrat, wandte sie sich von den Stufen zu den Römern und sagte ihnen: »So trete ich hier ein, wie ich einst herauszugehen wünsche.« Nie hat sie als Augusta einen Tadel verdient.Dio 68, 5. Dagegen faßt derselbe Dio 69, 1 u. 10 die Gunstbezeugungen Plotinas für Hadrian in gehässiger Weise auf, εξ ερωτικη̃ς φιλιάς. – Plin., Paneg. c. 83. Ihren strengen Charakter bekunden noch heute ihre Büsten, welche ein Antlitz von finsterem, ja unnahbarem Ernste zeigen.

Der neue Kaiser verwaltete noch einige Zeit das wichtige Germanien, und erst in der zweiten Hälfte des Jahres 99 kam er nach Rom, wahrscheinlich von seinem Vetter begleitet. Daß Hadrian seine Neider und auch das Mißtrauen Trajans zu besiegen verstand, wurde bald offenbar. Denn um das Jahr 100 gab ihm dieser, von Plotina und seinem Freunde Sura dazu beredet, Sabina zum Weibe, die Enkelin seiner eigenen Schwester Marciana, deren Tochter Matidia sich mit L. Vibius Sabinus vermält hatte. So wurde Hadrian mit Trajan doppelt verwandt.Siehe die Stammtafel bei Dierauer u. bei J. Centerwall, Spart. vita Hadriani comment. illustrata in Upsala Universitets-Arsskrift, Ups. 1869, I S. 27. Es verlautet nicht, daß Sabina jemals in die geistige Sphäre ihres Gemals eingetreten ist, und er selbst scheint sie nicht geliebt zu haben. Sie muß damals noch in sehr jugendlichem Alter gewesen sein.Mommsen (Abhandl. der Berl. Akad. 1863, Grabrede des Kaisers Hadrian auf die ältere Matidia, S. 483) bemerkt in der Stammtafel zu Sabina, daß sie spätestens i. J. 88 geboren sei.


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