Ferdinand Gregorovius
Der Kaiser Hadrian
Ferdinand Gregorovius

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Zweiundzwanzigstes Capitel.

Die Colonie Aelia Capitolina.

Da Jerusalem auch in Ruinen fortdauerte und diese vom Erdboden nicht so bald verschwinden konnten, so sollte die ehemalige Hauptstadt Judäas für immer ihre Gestalt und ihren Namen verlieren. Alle Juden, die noch dort und im Stadtgebiet wohnhaft waren, wurden ausgetrieben, und dann römische Veteranen, Phönizier und Syrer in einer neuen Kolonie angesiedelt.Euseb. (H. E. IV, c. 6), welcher sich auf Ariston von Pella beruft, sagt: weil die Stadt nach Austreibung der Juden und dem Untergange ihrer alten Bewohner ganz leer war, wurde die röm. Colonie gebaut: εξ αλλοφύλου τε γένους συνοικισθείσης, η μετέπειτα συστα̃σα ‛Ρωμαϊκὴ πόλις τὴν επωνυμίαν αμείψασα – Αιλία προσαγορεύεται. Diese nannte der Kaiser Aelia Capitolina. Er weihte sie seinem eigenen Genius und dem Jupiter vom Capitol, von welchem der Jehovah der Semiten überwunden worden war. Sein Heiligtum sollte fortan die Stelle des alten Tempels auf Moria einnehmen.Capitolina heißt sie beim Dio, beim Ulpian, in der Peuting. Tafel &c., und nicht Capitolia oder Capitolias. Deyling hat den Irrtum Harduins berichtigt, daß schon Domitian Jerusalem Capitolias genannt habe; dies ist Verwechslung mit Capitolias in Cölesyrien. Sepp I, 102. 179 behauptet, daß der von der 10. Legion besetzte Stadtrest Capitolias geheißen habe, und von ihm die Aelia so benannt sei. Zwei Ausgaben des Ptolemäus (Argentor. 1522, und von Victor Langlois, Paris 1867) haben allerdings Capitolias, die von Wilberg (1838) hat Αιλία Καπιτωλία. Der Sieg Jupiters über Jehovah war indeß nur scheinbar, denn in christlicher Gestalt hat der alte Judengott doch Rom und die Welt erobert.

Plan und Beginn der Colonie fallen vor den Judenkrieg, und gleich nach dessen Ende wurde der Neubau wieder aufgenommen und mit Eifer ausgeführt. Eusebius setzt die (zweite) Gründung der Aelia in das 20., Hieronymus in das 21. Jahr Hadrians, also ist die Colonie im Jahre 136 oder 137 eingeweiht worden.Das Chron. Paschale hat irrig als Gründungsjahr 119. Es ist eine erste Gründung und, nach Unterbrechung durch den Krieg, die zweite zu unterscheiden, was Madden (Hist. of Jew. Coinage) S. 200 richtig erkennt. Er setzt die erste ins J. 131, die letzte 136. Die Annahme, daß die neue Kolonie an den Vicennalien Hadrians geweiht worden sei, hat einige Wahrscheinlichkeit für sich. Deyling S. 293. De Saulcy, Rech., S. 158. Münzen mit der Legende Colonia Aelia Capitolina Condita haben diese Gründung verewigt.De Saulcy (Num. de la T. S., S. 85) gibt 2 solcher Münzen; n. 1 stellt einen Colonen mit 2 Ochsen dar; n. 2, wie er glaubt, den Genius der Colonie in einem Tetrastylon. Dieselben bei Madden, Coins of the Jews S. 249. Dieser hält irrig das Colonialemblem für das aratum templum. Die Fig. n. 2, die auch in einer Münze M. Aurels und des L. Verus sich wiederholt, ist nach ihm entweder Jupiter oder die Stadt. Er setzt die Colonialmünzen ins J. 136, De Saulcy ins J. 137.

Es ist nur eine Sage der Christen, daß Hadrian den Bau des neuen Jerusalem dem Griechen Akylas aus Sinope übertragen hatte, welcher erst Christ geworden, dann aus der Gemeinde ausgestoßen und zum Judentum übergetreten war.Dies erzählt Epiphanius aus Eleutheropolis in Palästina, Bisch. in Cypern um 367, de pond. et mens. c. 14. Wunderlicher Weise macht er Akylas zum Schwager (πενθερίδης) Hadrians. Nach ihm Chron. Paschale ad a. 132. Er hat sich als Uebersetzer der Bibel ins Griechische berühmt gemacht. Wenn die Talmudisten erzählen, daß der Kaiser Jerusalem zum Zeichen der Entweihung umgepflügt und dann die neue Stadt erbaut habe, so erklärt sich diese Fabel aus der Colonialmünze mit dem herkömmlichen Symbol des Ackermanns, oder aus dem römischen Ritus, den Umkreis einer zu gründenden Stadt mit der Pflugschar zu umziehen.Grätz IV, Note 14, S. 451.

Die Colonie wurde auf der Stelle der alten Stadt erbaut, nur im verkleinerten Umfange. Denn die östlichen Abhänge nach der Kidronschlucht und im Süden der Berg Zion sind außerhalb der hadrianischen Mauern geblieben, wie das von allen Palästinaforschern anerkannt wird.Robinson II, 467. Sepp I, 241 f. Die Aelia hat den Grundriß des nachjüdischen Jerusalem festgestellt, und es ist die Stadt Hadrians gewesen, welche Constantin und Helena vorfanden, als sie dort ihre berühmten Kirchen aufführten, und so haben Jerusalem, die Verwandelungen der Zeit abgerechnet, auch die Araber und die Kreuzfahrer überkommen.

Hadrian ließ die neue Stadt in sieben Quartiere einteilen, denen er Beamte (Amphodarchen) vorsetzte. Er errichtete zwei Marktplätze, ein Theater für Gladiatorenkämpfe und andre öffentliche Gebäude, deren manche wol erst nach seiner Zeit vollendet wurden.Diese Angaben nur im Chron. Pasch. zum Jahr 119: έκτισε τὰ δυὸ δημόσια, καὶ τὸ θέατρον, τὸ Τρικάμαρον, – Τετράνυμφον – Δωδεκάπυλον τὸ πρὶν ονομαζόμενον ’Αναβαθμοὶ, καὶ τὴν Κόδραν – επτὰ άμφοδα . . . Manche Bezeichnungen sind unerklärlich. Da die Militärcolonie ein fester Platz sein sollte, mußte sie auch ein Castell erhalten, und dieses kann nur die Stelle des heutigen der Türken eingenommen haben, nämlich die Davidsburg am Jaffator, wo die unzerstörlichen Reste der herodischen Türme sicher schon von Hadrian zur Festung benutzt worden sind.Vielleicht war das Castell jenes Dodekapylon; Robinson II, 454 versetzt den Bau der Citadelle durchaus in die Zeit Hadrians.

Für den neuen Tempel des Römergottes konnte keine Stelle geeigneter sein, als die von Riesenmauern gestützte Felsenfläche Moria. Zwar lag sie seit Titus mit Trümmermassen auch des herodischen Tempels bedeckt, aber diese minderten sich, weil das Material zum Bau der neuen Stadt diente. Das Heiligtum des Zeus wurde schon vor dem Kriege begonnen, denn Dio hat seine Errichtung auf der Stelle des Jehovahtempels als eine der Ursachen der Rebellion Judäas angegeben.Eusebius und Chron. Pasch. nennen den Zeustempel nicht, und die Kirchenväter reden nur von Bildsäulen des Zeus und Hadrians auf dem Tempelplatz. Hieron. in Isaiam II, c. 2: Ubi quond. erat templum Dei – ibi Adriani statua et Jovis idolum collocatum est. Die Reiterfigur H.'s sah Hieron. noch in ipso sancto sanctor. loco (in Math. c. 24, 15). Aber er sagt auch, daß eine Zeusstatue über dem Grabe Christi stand, ad Paulin. Ep. 18. – Joh. Chrysost. (Adv. Judaeos V, c. 11) spricht nur im Allgem. von einer Statue Hadrians in Jerusalem. Noch im 4. Jahrhundert, wo dieser hadrianische Bau nicht mehr bestand, sah der Pilger von Bordó, wie nach ihm auch Hieronymus, auf dem Tempelplatz die Reiterfigur Hadrians und den »durchlöcherten Stein« (heute el Sachra), welchen die trauernden Juden zu salben pflegten. Der hadrianische Tempel kann nur von kleinen Verhältnissen gewesen sein, denn er fehlt im Katalog der Bauten des Kaisers in Jerusalem, welchen die alexandrinische Chronik zusammengestellt hat. Münzen der Aelia zeigen einen kleinen Rundbau mit der Figur des Zeus in der Mitte, entweder allein oder zwischen Pallas und Hera:, doch ist es fraglich, ob darunter jener Zeustempel zu verstehen ist.De Saulcy, N. de la T. S. S. 85, n. 3. Madden S. 250. Jupiter sitzend, zu seinen Seiten Minerva und Juno oder vielleicht der Genius der Stadt. – Münze des M. Aurel bei Vogüé, Le Temple de Jerusalem, S. 62, ein Tetrastylon, in der Mitte Jupiter sitzend in einer gewölbten Nische, ringsum Col. Ael. Cap. Im Uebrigen haben die Münzen der Colonie außer dem Bilde des Zeus, auch das der Astarte, des Serapis (dieses ist seit Marc Aurel häufiger), des Apollo, Dionysos und der Dioscuren. Sie beweisen, daß nicht der Jupiter Capitolinus allein dort seinen Cultus gehabt hat.Eckhel III, S. 1.

Als unter Constantin Jerusalem wieder die heilige Stadt der Christen wurde, ist der Zeustempel sammt allen andern Heiligtümern der Götzen zerstört worden. Da nun die Christen heidnische Capellen und Idole auch dort fanden, wo nach ihrem Glauben der Calvarienberg und das Grab Christi lagen, so behaupteten sie, daß die Römer diese heiligen Stätten mit Absicht entweiht und unkenntlich gemacht hatten. Ueber dem Grabe des Erlösers, so erzählen sie, stand ein Heiligtum der Astarte oder syrischen Aphrodite; auf dem Calvarienberge dieselbe Göttin, und Tammus oder Adonis wurde in der Grotte zu Bethlehem verehrt.Euseb., Vit. Const. III, 26 (Aphrodite in der Grabhöle, doch spricht er nur von άθεοί τινες) Hieron. ad Paulin., Ep. 58 (in crucis rupe statua Veneris; Adonis in Bethlehem). Sokrates, H. E. I, c. 17 (Grab Christi, Tempel und Bild Aphrodite's), ebenso Sozomenus, H. E. II, c. 1. Paulinus, Ep. XI. ad Severam (simulacrum Jovis in loco passionis; Adonisheiligtum in Bethlehem). Tobler, Golgatha S. 50 f. Sepp (a. a. O. S. 419) glaubt an eine absichtliche Schändung der Stätten durch Hadrian und seine Nachfolger, aber Robinson II, 73, Renan und Tobler bezweifeln die verworrenen Angaben der Kirchenväter. In dem marmornen Bilde eines Schweines auf dem nach Bethlehem führenden Tore konnte Hieronymus nicht ohne Grund eine Beschimpfung der Juden sehen, obwol dies der Ceres geheiligte Thier eins der Feldzeichen der Römer war.Hieron., Chron. Ueber das Symbol Spanheim, Hist. Christ, saec. II, S. 687.

Von den Bauten Hadrians in Jerusalem ist kein Rest erhalten oder doch nicht als solcher sicher erkennbar, denn es ist nur Vermutung, wenn man im Eccehomo-Bogen, in der prächtigen Porta aurea, in dem dreifachen Tor, in den Säulentrümmern des Bazars, oder in den Unterbauten am Damascustor hadrianische Anlagen sehen will.Robinson I, 437. Tobler, Topogr. I, 158. Keine Marmorinschriften in Jerusalem geben heute von diesem Kaiser oder der Aelia Capitolina Kunde. Während so viele Städte des Reichs inschriftliche Denkmäler für die Wissenschaft geliefert haben, hat Jerusalem ihr diesen Dienst versagt; denn nur eine einzige Kaiserinschrift mit dem Namen Antoninus Pius ist dort gefunden worden, und auch diese ist wertlos, während ein glücklicher Zufall eine authentische griechische Inschrift vom herodischen Tempel an den Tag gebracht hat, welche den Nichtjuden das Betreten des heiligen Bezirks bei Todesstrafe untersagt.Tito Aelio Hadriano Antonino Aug. Pio. P. P. Pontif. Augur. (?) D. D., bei Vogüé, Le Temple, pl. V, und daraus in C. I. L. III, n. 116. Die Inschrift ist verkehrt eingefügt in die Südmauer des Harâm, über dem Doppeltor unter der Aksa; Tobler, Topogr. I, 60. – Die Stele mit der griech. Inschr. entdeckte Clermont-Ganneau an der Harâmmauer, Comptes rendus in Acad. d. Inscr. 1872, S. 177. Sie befindet sich heute als die einzige Reliquie vom Tempel des Herodes im Louvre.

Hadrian ließ in der Aelia ohne Zweifel die 10. Legion Fretensis stehen, und auch die 6. Ferrata blieb als Besatzung in Judäa zurück.Pfitzner S. 188. 242. Er verbot den Juden, Jerusalem und die Umgegend der Stadt zu betreten, und dies unmenschliche Gesetz blieb Jahrhunderte lang in Kraft; nur wurde den Juden im Laufe der Zeit von den römischen Wachen für Geld gestattet, einmal im Jahre, am Erinnerungstage der Zerstörung ihrer Stadt durch Titus, auf den Tempelplatz zu kommen und dort zu weinen. Der Pilger von Bordó sah daselbst Statuen Hadrians und den heiligen Stein; ihn salbten die Juden an jenem Tage mit Oel, unter Weinen und Klagen und Zerreißen der Kleider, und darnach gingen sie wieder fort.Itiner. Hierosol. ed. Wesseling, S. 591. Ueber das Verbot seit Hadrian: Justin. Apol. II, 84. Tertull. Adv. Jud. c. 15. 16. Apolog. c. 16. Celsus bei Orig., Ende L. 8. Gregor. Naz. orat. 12, S. 202. Sulp. Sever. II, 45. Euseb. Dem. II c. 38. Hilar. Psalm. 58, S. 219. Euseb. und Hieron., Chron. Ergreifend redet darüber Hieron., Sophon. c. II. Diese ergreifende Gedächtnißfeier, die älteste der Geschichte, wiederholt sich noch heute an der Klagemauer Jerusalems als historischer, wenn auch theatralisch gewordener Traueract.Ich war dort ihr Zeuge in der Osterzeit des Jahres 1882.

Die Aelia Capitolina dauerte als heidnische Stadt bis auf Constantin. Der Kaiser Commodus muß sich besondere Verdienste um sie erworben haben, denn er legte ihr den Namen Commodiana bei.Col. Ael. Capit. Aurelia Commodiana Pia Felix (De Saulcy S. 94) zuerst auf Münzen unter Caracalla. Der Name Jerusalem erlosch freilich nicht nach Hadrian; er lebte vielmehr im Andenken der Menschen fort, und namentlich die Bischöfe gebrauchten ihn, doch war er durch den Namen Aelia officiell verdrängt worden. Dieser hat sogar noch drei Jahrhunderte nach Constantin für die Stadt und das Bistum Jerusalem fortbestanden.In der Zeit, als die Kaiserin Eudokia Jerusalem besuchte, und noch im Jahr 536 heißt es in den Acten einer Synode in Jerusalem: In colonia Aelia metropoli sive Hierosolyma; Harduin, Concil. II, 1412, bei Robinson II, S. 9. Er war noch im Jahre 637 im amtlichen Gebrauch, denn als der Khalif Omar die heilige Stadt einnahm, nannte er sie in seinem ihr erteilten Freibriefe nicht Jerusalem, sondern Aelia.Tobler, Golgatha S. 104. Bei de Saulcy (S. 185, pl. 19) die elfte vom arabischen Eroberer in Jerusalem geprägte Münze mit der kufischen Inschrift Aelia.


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