Ferdinand Gregorovius
Der Kaiser Hadrian
Ferdinand Gregorovius

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Zwanzigstes Capitel.

Blüte der Kunst und ihrer Industrie. Geräte, Gemmen, Medaillen. Kostbare Steinarten. Malerei. Marmorporträt. Historisches Relief.

Auf dem Grunde des allgemeinen Schönheitsgefühls konnten die großen Entwürfe der Kaiser entstehen, und diese empfingen den Antrieb dazu ebensosehr vom Sinne ihrer Zeit, als sie ihn derselben gaben. Unberechenbare Summen hat Hadrian für seine Unternehmungen ausgegeben, und andere haben Städte und Bürger aus Patriotismus aufgewendet. Man tadelte zuletzt die Bauwut des Kaisers, wie man später Leo X. wegen derselben Leidenschaft getadelt hat. Marc Aurel rühmte seinen Adoptivvater Antoninus, weil er nicht bausüchtig gewesen sei.In se ips. I, 13. Die Baukunst aber hatte in ihrem Gefolge alle andern bildenden Künste, denn der architectonische Raum vereinigt sie.

Die profane Architectur überwog damals die heilige. Zwar wurden den Göttern, zumal den in Mode gekommenen Asiens, noch später neue Tempel errichtet, und noch Aurelian hat dem Sonnengott Prachtbauten aufgeführt, noch Constantin Göttertempel gebaut; aber im Allgemeinen war doch das Bedürfniß schon zur Zeit Hadrians befriedigt, denn die großen Heiligtümer des griechisch-römischen Cultus standen fertig und zahlreich da, wie heute unsere Dome, denen wir nichts Gleiches hinzuzufügen haben. Man vollendete oder restaurirte mehr alte Tempel, als daß man neue erbaute. Dagegen errichteten Kaiser und Große in unbeschränkter Zahl Paläste und Villen, und Städte ihre Theater und Bäder, Gymnasien und Bibliotheken. Alle diese Räume wurden zu Museen der Kunst. Aus einer einzigen Villa Hadrians sind die Gallerien Europas mit Bildwerken versehen worden.

Alle Kunst- und Industriezweige, die dem vornehmen Luxus dienten, blühten in reichster Fülle. Die Geräte jener Zeit tragen noch den Stempel der classischen Schönheit. Aus der Villa Hadrians stammen die großen Marmor-Candelaber im Vatican, die trefflichsten dieser Gattung des Altertums; ferner reich verzierte große Marmorvasen und Schalen, wie jene von Rosso Antico mit den Schwänen an ihren vier Ecken, und die ägyptisirende Vase aus schwarzem Granit im Capitol. Im Schutte des Tempels der Venus und Roma sind jene colossalen Medusenmasken des Braccio Nuovo gefunden worden, welche zum Beweise dienen, wie großartig schön die Alten die finstern dämonischen Mächte dargestellt haben.

Die Münzen und Medaillen aus der Zeit Hadrians (die großen kaiserlichen Medaglioni von Erz beginnen nach Winckelmann erst mit diesem Kaiser) sind von trefflichem Stil und durch einen erstaunlichen Reichtum der Phantasie in ihrer Symbolik ausgezeichnet, wie vor allen die ägyptischen. Die Medaillen sind kleine Kunstwerke, die das Auge erfreuen und die Einbildungskraft angenehm beschäftigen.Die vorzüglichsten Hadrians hat zusammengestellt W. Froehner, Les Médaillons de l'Empire Romain, im Abschnitt Hadrian. Er nennt die Medaillen des antonin. Zeitalters eine Anthologie nach den großen Dichtern. Ihr bildlicher Inhalt ist freilich entweder aus antiken Motiven zusammengesetzt, oder geradezu nach griechischen Mustern copirt, wie das herrliche Medaillon, welches die geflügelte Victoria auf einer Biga mit zwei die Lüfte durchbrausenden Pferden darstellt.Es ist nur Willkür, wenn Fröhner (S. 34) dieses köstliche Medaillon auf den Judenkrieg bezieht. Andere hadrianische Schaustücke zeigen Götterfiguren griechischen Stils, den tronenden Jupiter mit der Victoria auf der Rechten, die Diana Lucifera, Apollo vor den Musen auf der Lyra spielend, den Asklepios, die Vesta, den Hermes mit dem Widder, die Cybele auf dem von vier Löwen gezogenen Wagen. Manche sind durchaus römisch, wie jene, welche Hadrian darstellt, aufrecht stehend zwischen fünf militärischen Feldzeichen, die er mit einer Handbewegung zu verehren scheint. Andere zeigen die römische Wölfin oder die Moneta Augusti, eine schöne Frauengestalt mit Waage und Füllhorn, oder die Felix Roma, welche über Waffenrüstungen und neben einer Trofäe sitzt, während hinter ihr eine geflügelte Victoria einen Schild erhebt.Auch dies Medaillon (Hadrianus Aug. Co. III, PP. Felix Roma) bezieht Fröhner auf denselben Sieg über die Juden. Eine andere Medaille stellt den Senat und das Volk vor im Bilde eines Greises mit dem Scepter und eines Genius; zwischen beiden steht ein flammender Altar.Imp. Caes. Trajan. Hadrianus. Aug. – Senat. Popolusque Romanus. Vota Suscepta.

Kenner behaupten, daß die geschnittenen Steine aus der Zeit des Augustus, Werke des Dioskorides, den hadrianischen an Schönheit überlegen sind, da die glyphische Kunst schon unter Claudius von ihrer Höhe herabgesunken war.King, Antique Gems and rings I, 190. Doch zeugt die wundervolle Gemme des Claudius und seiner Familie schwerlich von solchem Verfall.Eckhel, Pierres gravées pl. 7. Hadrian selbst sammelte mit Leidenschaft geschnittene Steine und kostbare Gefäße. Die kaiserliche Schatzkammer war daran so reich geworden, daß Marc Aurel damit die Kosten des Markomannenkrieges bestritt, nachdem die Versteigerung dieser Sammlungen auf dem Forum Trajanum zwei Monate gedauert hatte.Jul. Capitol, M. Aurel. c. 17. Es haben sich schöne Cameen mit den Büsten Hadrians und auch des Antinous erhalten.Eckhel, Pierres gravées pl. 8. in Sardonix; doch scheint mir die Porträtähnlichkeit fraglich; pl. 8 Antinous in Sardonix, mit einer Silensmaske auf dem Haupt. Mariette, Traité des pierres grav. pl. 64. Hadrian auf einem weißen Agat, Sabina auf einem Cornalin. Als besonders schön gilt der Smaragd, in welchen die Köpfe Hadrians und der Sabina geschnitten sind. Die Hauptfundgrube dieses Steins war am Djebel Zaborah in Aegypten.Friedländer III, 72, nach King S. 297, 8.

Die Bergwerke dieses Landes und Numidiens lieferten das Material von farbigem Marmor und seltenen Steinen, mit welchen die Häuser der Reichen geschmückt wurden. Griechenland hat solchen Marmorluxus nicht gekannt. Man sucht heute vergebens in Athen nach Resten davon, während die nicht zu erschöpfende Fülle von bunten Steinen aus der Kaiserzeit in Rom fortdauernd eine blühende Kunstindustrie ernährt. Die übertriebene Verwendung des genannten Materials bezeichnet freilich den Verfall des Geschmacks in das Barocke, doch ist sie schon älter als die hadrianische Zeit, wenn auch der Luxus farbiger Steinarten damals am größten gewesen sein mag.Dies letztere glaubt Friedländer III, 66. Denn aus hadrianischen Bauten stammen die meisten Bildwerke von seltenem oder colossalem Stein.Gerhard, Roms ant. Bildwerke; Röm. Stadtbeschr. I, 297. Den Porphyr verwendete man damals architektonisch, aber noch nicht zu Statuen, obwol Bildsäulen aus diesem Material schon von Vitrasius Pollio dem Kaiser Claudius aus Aegypten gebracht worden waren. Plinius, der das erzählt, sagt, daß sie keinen Beifall und keine Nachahmer fanden, und nicht vor dem Kunstverfall des dritten Jahrhunderts ist Porphyr zu Statuen gebraucht worden.Plin., H. N. 36, 11, 3; Letronne, Inscr. de l'Egypte I, 142. Doch wurden Bildsäulen aus Rosso Antico gearbeitet.Nach Friedrichs, Bausteine n. 760, ist kein Bildwerk aus diesem Material nachweisbar vorhadrianisch. Selbst bunten Alabaster verwendete man geschmacklos genug zu Büsten. Solche Hadrians und der Sabina befinden sich im Capitol. Eine des Kaisers hat sogar das Antlitz von Alabaster, doch kann sie späteren Ursprungs sein. Es gibt in farbigem Marmor gemeißelte große Scarabäen, welche die Wiederbelebung dieser ägyptischen Kunst durch Hadrian beweisen. Daß die Vorliebe für köstlichen Marmor wirklich dazu beigetragen hat, den Geschmack an Erzbildern abzuschwächen, ist immerhin wahrscheinlich. Während noch Pompeji und Herkulanum einen reichen Schatz von Bronzen geliefert haben, ist in der Villa Hadrians nichts Nennenswertes dieser Art gefunden worden.Gerhard a. a. O., S. 297. Die Museen Roms, welche wesentlich Reste von Kunstwerken der Kaiserzeit enthalten, sind überhaupt arm an schönem Erz.

Wie die decorative Kunst des Marmorarbeiters, so war auch jene des Malers im ganzen Reich in Thätigkeit. Ohne Zweifel hatte Hadrian seine Villa bei Tibur mit vielen Wandgemälden schmücken lassen, und diese haben auch Scenerien von Städten und Gegenden dargestellt, die er selbst auf seinen Reisen bewundert hatte; zumal wird die bei den Römern beliebte Nillandschaft nicht gefehlt haben. Da der Kaiser in seiner Villa auch das Tempe-Tal symbolisch nachbilden ließ, so scheint er einen lebhaften Sinn für landschaftliche Schönheit besessen zu haben. Jedoch keine Ausgrabung hat Reste von bedeutenden Malereien aus dem Tiburtinum an den Tag gebracht; nur einige schöne Mosaiken jener Villa haben sich erhalten. Der Vatican bewahrt das große Maskenmosaik des Dionysos und Apollo mit vielerlei ländlichen Scenen, und ein anderes mit allegorischen Darstellungen des Nil, im Capitol befindet sich das berühmte Taubenmosaik, die römische Nachbildung eines Werkes des Sosos von Pergamon.

Wir haben keine gründliche Ansicht davon, ob während der Kaiserzeit die decorative Kunst des Bildhauers und Malers nur die antiken Muster wiederholt, oder auch Eigenartiges geleistet hat. Es gab nur ein künstlerisches Gebiet, auf welchem die Römer von den Griechen nicht abhängig waren, nämlich das Porträt und die historische Darstellung in Relief. Die Cultur des Porträts entsprang bei den Römern aus dem Familiengeiste und dem geschichtlichen Sinn, und bei keinem andern Volk der Welt hat die Porträtkunst einem so allgemeinen Bedürfniß gedient. In der Kaiserzeit sind auch die Büsten der großen Hellenen massenhaft zum Schmuck von Palästen und Gärten angefertigt worden.

Das Porträt der Römer erhielt sich auf derselben achtungswerten Höhe bis in die Zeit der Severe. Die vor wenigen Jahren ausgegrabene Büste des Commodus Herkules im neuen Museum des Capitol zeigt noch die gleiche technische Schule der Zeit Hadrians. Porträtfiguren und Büsten dieses Kaisers und seiner Gemalin sind in allen Museen Europas häufig, denn kaum wurden einem andern Fürsten von Städten, Körperschaften und Privatpersonen so viele Ehrenbilder gesetzt. Seine berühmtesten Büsten sind im Capitol, im Vatican und in Neapel, einige schöne im Louvre. Am meisten getreu scheint die ausgezeichnete Hadriansbüste im Treppenhause des Conservatorenpalastes zu sein; leider ist der Marmor durch einen Flecken am Kinn entstellt. Von den vielen Statuen des Kaisers in Athen hat sich nichts Nennenswertes erhalten.In den dortigen Sammlungen finden sich wenige Hadriansbüsten, im Nationalmuseum eine fragliche vom Dionysostheater, und eine sichere; im Varvakion ein fraglicher Kopf des jugendl. Hadrian, der zusammen mit dem Colossalkopf des Luc. Verus im Dionysostheater gefunden wurde. Milchhöfer, Die Museen Athens, 1881.

Wie andre Kaiser ist auch Hadrian in Götterform abgebildet worden; so als Mars in einer Statue des Capitols, und ebendaselbst steht seine überlebensgroße Figur, die ihn opfernd darstellt.Siehe bei Cohen II n. 950 die Münze Marti. Bemerkenswert ist die als Hadrian erkannte Imperatorstatue im Museum des alten Serai zu Constantinopel; der Kaiser ist gepanzert und in so kriegerischer Haltung, daß er seinen Fuß auf einen liegenden Gefangenen setzt.Hadrien statue trouvée en Crète, von Sorlin-Dorigny, Gazette Archéol. 1880, VI S. 52 u. Pl. 6.

Im Allgemeinen ist die Production von Porträtfiguren in jener Zeit erstaunlich groß gewesen. Eine kaum übersehbare Masse von Inschriften, welche heute der Geschichtsforschung als Urkunden dienen, gehört den Postamenten von Ehrenstatuen an. Der Kaiser selbst setzte solche zahlreich seinen Lieblingen. Mit Bildern des Antinous und des Aelius Verus bedeckte er gleichsam die Welt; aber auch vielen andern, ihm minder teuern Personen sowol Todten als Lebenden weihte er Statuen.Dio 69, 7: όθεν καὶ εικόνας πολλοι̃ς – ες τὴν αγορὰν έστησεν. Selbst dem Barbarenkönige Pharasmanes setzte er eine Reiterfigur im Tempel der Bellona. Dio bemerkt, daß er den Turbo und Similis mit öffentlichen Bildsäulen geehrt habe.Dio 69, 18. Leider sind diese und die Bildnisse anderer Freunde und Staatsmänner Hadrians verloren gegangen oder für uns nicht mehr erkennbar, weil namenlos. Wen stellt der geistreiche Porträtkopf dar, welcher im Braccio nuovo nicht weit von der Bildsäule des Demosthenes die Betrachtung auf sich zieht? Ein junger Elegant Roms mit schön gepflegtem Bart und genial über die Stirn geworfenem Haar. dieser Kopf spiegelt die vornehme Welt der hadrianischen Zeit ab, und er ist zugleich ein Muster glänzender Behandlung des Porträts.

Auch das geschichtliche Relief der Römer hat etwas Eigenartiges. Es entsprach dem lateinischen Sinn für die Individualität. Große nationale Ereignisse, Kriege und Schlachten, Aufzüge und Triumfe konnten hier historisch porträtirt werden. Die Römer haben freilich keinen Phidias gefunden, der für sie einen Tempelfries mit den idealen Gestalten eines Festpompes verziert hätte; doch an den Triumfbogen und Ehrensäulen, welche ihrem geschichtlichen Cultus eigen angehören, hat sich jene Reliefkunst fortgebildet. Die Zeugnisse derselben in Rom sind für uns leider sehr trümmerhaft, auch stellen sie nur die kurze Blüte dieser historischen Plastik in einem halben Jahrhundert dar.Ad. Philippi, Ueber die röm. Triumfalreliefe, VI. Bd. der Abh. der phil. hist. Classe der k. sächs. Ges. der Wiss. III, 1872. Nach ihm umfaßt jene Blüte die Zeit von Titus bis Trajan, 81–117. Da die vielen Triumfbogen Domitians untergegangen sind, besitzen wir nur die Bruchstücke der altertümlichen Sculpturen des Claudiusbogens in der Villa Borghese, die idealen Reliefs des Titusbogens, die realistischen vom Triumfbogen Trajans und die seiner Säule, worin die römische Kunst der Entfaltung geschichtlicher Vorgänge in Bildergruppen wahrscheinlich ihren Höhenpunkt erreicht hat. Sodann sind uns die Reste der an künstlerischem Wert schon viel geringeren Sculpturen des Bogens Marc Aurels und die Reliefs seiner Säule erhalten, endlich die Darstellungen auf den Bogen des Severus und Konstantin, und diese bekunden schon den Verfall der Kunst.

Hadrian war kein Kriegsfürst; er hat keine Siege zu verewigen gehabt. Wenn man ihn als Mars dargestellt hat, so galt diese Schmeichelei nur seiner Sorgfalt für das Heerwesen überhaupt. Nur von einer Reiterfigur Hadrians haben wir Kunde; sie war vor dem Zeustempel in der römischen Colonie Jerusalem aufgestellt. Auch in Antinoe stand wol am Triumfbogen ein Reiterbild Hadrians. Der historischen Plastik hat dieser Kaiser keinen Stoff dargeboten. Vielleicht aber beziehen sich auf ihn die zwei mit Reliefs versehenen Marmorschranken, welche im Jahre 1872 auf dem römischen Forum ausgegraben worden sind. Sie zeigen auf der Innenseite die Colossalfiguren der drei Opferthiere (Suovetaurilia), auf der anderen feierliche Staatshandlungen, hier die Verbrennung von Schuldregistern, dort eine Scene vor dem Kaiser, welche sich auf die Institute für arme Kinder zu beziehen scheint. Ihr Stil ist jenem der Zeit Trajans oder Hadrians gleich. Nichts hindert, in der ersten Scene ein Monument des großen Schuldenerlasses zu sehen, während auch die andere sehr gut die Erweiterung der Alimenta Italiae Trajans durch seinen Nachfolger vorstellen kann. Diese wolthätige Anstalt wurde öfters auf Medaillen und in Marmor symbolisirt, so auf den trajanischen Triumfbogen in Rom und in Benevent, und auf die Spenden des Antoninus an arme Mädchen (Puellae Faustinianae) bezieht sich ein Relief in der Villa Albani.Henzen, Bull. d. Inst. 1872, S. 273 f. hat zuerst jene Reliefs auf dem Forum erklärt und dem Trajan zugewiesen. Die Literatur darüber bei Orazio Marucchi, Descrizione del Foro Rom., 1883, S. 87. Henzen neigt heute (April 1883) selbst dazu, die Reliefs auf Hadrian zu beziehen.


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