Ferdinand Gregorovius
Der Kaiser Hadrian
Ferdinand Gregorovius

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Dreiundzwanzigstes Capitel.

Bauten Hadrians in Athen und andern Städten Griechenlands. Bauten des Herodes Atticus.

Für kein anderes Land hat Hadrian seine Vorliebe so glänzend bethätigt als für Hellas, und hier ganz besonders für Athen. Es gibt kein stärkeres Zeugniß von der allgemeinen Liebe, welche diese Stadt genoß, als die Reihe fremder Herrscher, die sie noch lange nach dem Untergange ihrer Freiheit voll Pietät wie ein Götterbild verehrt und geschmückt haben. Antigonus und Demetrius, Ptolemäus Philadelphus, Attalus und Eumenes von Pergamon, Antiochus Epiphanes, Cäsar, Augustus und Agrippa, selbst der Judenkönig Herodes, alle beschenkten die Stadt des Solon und Perikles mit Wolthaten und zierten sie mit Prachtgebäuden.Ihre Reihe bei Wachsmuth. Die Stadt Athen, I, 602 f. Noch unter Trajan setzten diese Reihe fürstlicher Mäcene in Athen die Nachkommen des Antiochus IV. fort, des letzten Königs von Kommagene. Ihr Familiengrab, das sogenannte Denkmal des Philopappos, krönt noch zum Teil erhalten den Gipfel des Museion-Hügels.

Der letzte Glanz Athens ist an den Namen Hadrians und der Antonine geknüpft. Jener baute dort soviel, als wollte er in Athen wohnen, und vielleicht würde er diese Stadt zu seiner Residenz gemacht haben, wenn die Pflichten gegen Rom ihm das erlaubt hätten. Er verschönerte und erneuerte sie. Er baute dort einen Tempel des Zeus Panhellenios und der Hera, sodann ein Pantheon, wol nach dem Muster des römischen. An diesem Prachtbau rühmte Pausanias die 120 Säulen von phrygischem Marmor, ans welchem auch die Wände an den Hallen bestanden. Er baute ferner ein schönes Gymnasium mit 100 Säulen aus lybischem Stein und eine Bibliothek. Diese muß ein besonders herrliches Bauwerk gewesen sein, mit vergoldetem Dach und reich geschmückt mit Statuen und Gemälden. So sah sie Pausanias.I, 18, 9. Aristides, Panath. I, 306 (Dindorf) nennt die Bibliothek βιβλίων ταμει̃α, οι̃α ουχ ετέρωθι γη̃ς φανερω̃ς καὶ μάλα τω̃ν ’Αθηνω̃ν κόσμος οικει̃ος. Bibliotheca miri operis, Chron. Euseb. ed. Schöne II, 167.

Eine Inschrift im Pantheon enthielt den Katalog aller Bauten Hadrians in hellenischen und anderen Städten;Pausan. I, 5. 5. um so mehr ist der Verlust dieser Urkunde zu beklagen. Man sieht heute in der Nähe des Bazars und des Tores der Agora eine korinthische Stoa aus grauem Marmor und hält sie für Reste des hadrianischen Gymnasium. Dort haben wol überhaupt jene genannten Tempel einen ganzen Bezirk gebildet, aber mit Gewißheit ist ihre Stelle nicht zu bestimmen.Bursian, Geogr. von Griechenl. I, 291 f. Im Panhellenion ist wahrscheinlich Hadrian im Bilde des Zeus zugleich mit der Juno Sabina dargestellt gewesen.

Der Akropolis, deren Tempel und Weihgeschenke die Felsenfläche in gedrängter Menge bedeuten, konnte Hadrian kaum noch etwas hinzufügen. Man glaubt, daß er die große Treppe aus weißem Marmor, die zu den Propyläen hinaufführte, neu eingerichtet hat.Dies schließt aus Münzen Beulé, Les Monnaies d'Athènes, S. 394 und l'Acropole d'Athènes, S. 129 f. Man schreibt ihm auch einen Umbau des Dionysostheaters zu. Dies ist aus der Einteilung des Zuschauerraumes in dreizehn Abschnitte geschlossen worden, entsprechend den dreizehn Phylen der hadrianischen Zeit, ferner aus Inschriften und dem Umstande, daß im Theater auch eine Bildsäule des Antinous gefunden worden ist.Rhusopulos, Archéol. Ephem. Athen 1862, S. 287; Wachsmuth, Stadt Athen I, 692.

Das größte Werk Hadrians in Athen war der Tempel des olympischen Zeus. Den Bau diesem berührten Heiligtums hatte Pisistratus begonnen, aber nach der Vertreibung seines Hauses blieb er unvollendet, und erst Antiochus Epiphanes gab dem römischen Architecten Cossutius den Auftrag, den in Vergessenheit geratenen Tempel auszubauen. Auch er blieb unvollendet. Doch konnte Livius von ihm sagen, daß er einer von denen in der Welt sei, deren Anlage der Größe des Gottes würdig erscheine.Livius 41, 20. Das Olympieion ruhte lange Zeit. Es hatte das Schicksal mancher Dome des Mittelalters; denn auch die Absicht befreundeter Fürsten und Bundesgenossen Roms, den Tempel auf gemeinschaftliche Kosten auszubauen und dem Genius des Augustus zu weihen, wurde nicht durchgeführt.Sueton, Aug. c. 60. Hadrian fand den Tempel des Cossutius als ein Gebäude vor, welches an den Fronten je 10 und an beiden Seiten je 20 korinthische Säulen in Doppelreihen hatte.Vitruv. 3, 2. 7. Hirt, Gesch. der Baukunst bei den Alten II, 151. Der Tempel war in Athen der einzige von der Art Hypaethros Decastylos. Daß er den Tempel wirklich vollendete, bezeugen Spartian, Dio und Philostrat, welcher sagt, das Olympieion sei nach 560 Jahren (was von Pisistratus bis auf Hadrian zu gering gerechnet ist) endlich fertig geworden, Hadrian habe dieses große und mühsame Werk der Zeiten eingeweiht und der Sophist Polemon die Festrede gehalten.Philostr. (Kayser), Vol. II, S. 44.

Nach Pausanias hatte das Olympieion vier Stadien im Umkreis. Das Tempelgebäude war 173 Fuß breit und 359 Fuß lang und hatte einen Peristyl von 132 Säulen aus phrygischem Marmor, deren Durchmesser über der Basis 6½Fuß, deren Höhe etwa 60 Fuß betrug. Im Tempel ließ Hadrian einen goldelfenbeinernen Zeuscoloß aufstellen, welchem das olympische Meisterwerk des Phidias wahrscheinlich zum Vorbilde gedient hatte.Abbildung auf einer athen. Münze bei Beulé, S. 396. Pausanias sah daselbst auch zwei Statuen Hadrians aus thasischem, zwei andere aus ägyptischem Marmor, und Erzbilder, ihm von den Colonien errichtet, standen vor den Säulen. Ueberhaupt war der Peribolus von Statuen des Kaisers erfüllt, während die Stadt Athen ihm am Opisthodom einen Ehrencoloß aufgestellt hatte. Soviele langweilige Wiederholungen einer und derselben Gestalt in denselben Räumen waren nur das klägliche Zeugniß des Knechtssinnes der Hellenen gegen den allmächtigen Kaiser, ihren politischen Gott. Mit Statuen des einen Hadrian hatte man außerdem die Theater, Hallen und Straßen Athens erfüllt, denn Privatpersonen, Priester, Phylen und Vereine wetteiferten mit einander, ihrem »Wolthäter« zu huldigen.Die Reihe in I. A. n. 487 f. Pausanias sah ihn in der Stoa Basileios neben Konon und Timotheus als Zeus Eleutherios aufgestellt.I, 3, 2. In der Burg hatten der Areopag, der Rat der Fünfhundert und der Demos ihm zum Dank für »alle Wolthaten« eine Ehrenbildsäule errichtet.I. A. n. 465. Die Namen der Bildhauer der Hadriansstatuen im Olympieion sind untergegangen bis auf zwei, Xenophanes des Chares Sohn, der die thasische, und Aulus Pantulejus des Cajus Sohn, welcher die milesische gefertigt hatte. I. A. n. 476, n. 480, und Hirschfeld, Tituli statuarior. n. 159. 160. Xenophanes wird in der Inschrift τεχνείτης genannt, Pantulejus ονδριαντόποιος und bezeichnet als ’Εφέσιος ο καὶ Μειλήσιος (εποίει).

Weil im Tempel der Polias eine Erechtheusschlange verwahrt wurde, so wollte der Kaiser auf ähnliche Weise im Olympieion seinen Genius darstellen, und er ließ dort eine indische Schlange hineinsetzen – eine lächerliche Komödie, welche keinen Schritt weit von der Glykonschlange Alexanders entfernt war. In seiner unermeßlichen Eitelkeit scheute er sich nicht, sich als Mitgenosse des Zeus zu betrachten, denn ihm selbst war das Olympieion geweiht worden. Nur gingen denn doch weder sein Ehrgeiz, noch die gottlose Schmeichelei der Athener so weit, daß der Tempel einfach Hadrianeion genannt wurde. Ein gemeinschaftlicher Priester verrichtete in ihm den Dienst für die beiden Olympier, den Gott des Himmels und seinen kaiserlichen Affen.

Von der Pracht des Tempels ist jetzt nichts mehr übrig als die Fundamente und fünfzehn noch aufrecht stehende Säulen. Diese Colosse wirken noch heute wie etwas durchaus Fremdartiges in Athen; sie scheinen eher nach Baalbek und Palmyra zu gehören, als in diese Musenstadt, wo trotz des ernsten dorischen Stils alles den Charakter des schönen Maßes und der Grazie getragen hat. Vielleicht gab es auch in dem damaligen Athen noch Menschen, die dem antiken Parthenon den Vorzug vor diesem riesigen Tempel gaben. In derselben Stunde, als der Sophist Polemon die Einweihungsrede des Olympieion hielt, betete vielleicht eine verachtete Christengemeinde in dem Hause ihres Bischofs an jenem Areopag, wo Paulus vor einigen 70 Jahren das Evangelium gepredigt hatte. Einige Jahrhunderte später haben die Christen Athens in dem verödeten Zeustempel dem Apostel Johannes eine Kapelle eingerichtet, und diese hat wahrscheinlich die Reste des Prachtbaues Hadrians vor dem gänzlichen Untergange bewahrt.Die Kapelle hieß σταὶς κολόνναις oder εις τὰς κολόννας von den Säulen des Tempels, an welchen sie angelehnt war. A. Mommsen, Athenae christianae; ecclesiae prope Ilissum sitae.

Das Olympieion bildete den Mittelpunkt der hadrianischen Neustadt Athen, die sich vom Ostabhange der Akropolis nach dem Ilissos hinzog, und ihr war wol die dreizehnte Phyle Hadrianis zugeteilt. Der Kaiser scheute sich nicht, diese Neustadt Hadrianopolis zu nennen.Spart, c. 20: Novae Athenae heißt sie in der Inschrift der Wasserleitung; νέαι ’Αθη̃ναι ’Αδριαναί bei Stephan. Byz. sub v. Olympieion. Wachsmuth I, 688. Auf dem marmornen Ehrenbogen, welcher zu ihr und dem Tempelbezirk führte, liest man noch auf beiden Seiten nach Athen wie nach dem Olympieion hin folgende Trimeter: Dies ist Athen, die alte Stadt des Theseus; dies ist die Stadt des Hadrianus und nicht des Theseus.ΑΙ Δ ΕΙΣ ΑΔΡΙΑΝΟΥ ΚΟΥΧΙ ΘΗΣΕΩΣ ΠΟΛΙΣ
ΑΙ Δ ΕΙΣ ΑΘΗΝΑΙ ΘΗΣΕΩΣ Η ΠΡΙΝ ΠΟΛΙΣ
In den beiden Nischen des zweiten Stockwerks des Eingangstores sind ohne Zweifel die Statuen des Theseus und Hadrians aufgestellt gewesen.Forbiger, Hellas und Rom III, 210. Der Bogen ist fast ganz erhalten, und kein unbefangener Beschauer wird urteilen, daß dieses kleinliche Werk zur Größe des olympischen Tempels ein richtiges Verhältniß haben konnte. Die Hadriansstadt war übrigens nicht ummauert, vielmehr wurde die östliche Stadtmauer abgebrochen, als man die Neustadt anlegte.E. Burnouf, La ville et l'acropole d'Athènes aux diverses époques, S. 9. Ein Aquäduct versorgte sie und ihre Gartenanlagen mit Wasser, welches von Kephisia herkam und am Lykabettos in einem mit jonischen Säulen geschmückten Castell gesammelt war. Der Kaiser Antoninus Pius hat diese Wasserleitung im Jahre 140 vollendet.C. I. L. III, n. 549.

Viele andere griechische Städte schmückte Hadrian mit öffentlichen Werken, die Pausanias in seiner Beschreibung der einzelnen Landschaften verzeichnet hat. Er baute in Korinth Bäder und einen Aquäduct, welcher das Wasser aus dem stymphalischen See in die Stadt führte; er ließ den Apollotempel zu Megara neu bauen, und die schmale, gefährliche Isthmusstraße nach dem Peloponnes, den Felsenweg des Skiron, durch riesige Unterbauten so erweitern, daß auf ihm Wagen einander ausweichen konnten. Im phokischen Abä errichtete er einen Tempel dem Apollo, eine Stoa zu Hyampolis; im Tempel der Juno zu Argos stiftete er einen mit Edelsteinen geschmückten Pfau von Gold. Viel that er des Antinous wegen für Mantinea. Er gab dieser Stadt ihren alten Namen wieder, denn dem macedonischen Könige Antigonus, dem Vater des Perseus zu Ehren war sie Antigoneia genannt worden. Er erneuerte dort den Tempel des Poseidon Hippios, indem er den ursprünglichen Bau von Holz mit einem neuen umgeben ließ. Dem Antinous erbaute er in Mantinea einen prächtigen Tempel, welcher dessen Statuen und Gemälde enthielt. Dem Epaminondas weihte er eine Grabstele mit selbstverfaßter Inschrift. Auch Eleusis, wo er die Mysterienweihe genommen hatte, zierte er ohne Zweifel mit Bauten, und wahrscheinlich stammte die Idee zu den großartigen Propyläen des Heiligtums der Demeter dort von ihm her.

Es ist bezeichnend für diese kunstliebende Zeit, daß auch ein griechischer Privatmann mit Hadrian wetteifern konnte, nämlich Herodes Atticus. Pausanias bemerkt, was dieser reiche Sophist für Athen und andere Städte gethan hat. Es wollte wenig für ihn sagen, daß er im Tempel des isthmischen Poseidon vier vergoldete Pferde mit elfenbeinernen Hufen und zwei goldelfenbeinerne Tritonen, im Gymnasium zu Olympia zwei Bildsäulen der Demeter und Proserpina weihte. Er baute zu Athen dem Andenken an sein Weib Regilla zu Ehren ein prächtiges Odeum, dessen Reste römischen Stils noch erhalten sind. Er ließ das panathenaische Stadium über dem Ilissus mit penthelischem Marmor belegen. Zur Zeit des Pausanias war dasselbe noch ein Wunderwerk, und hatte auch an Größe wenig seines Gleichen, denn Hadrian ließ darin einmal tausend Thiere jagen. Herodes baute auch zu Delphi ein Stadium aus Marmor, ein Theater in Korinth, Bäder in Thermopylä, eine Wasserleitung in Olympia, eine andere zu Canisium in Italien, und eine prachtvolle Villa Triopium bei Rom an der Via Appia, wo heute das Tal Cafarelli liegt. Kein Wunder, daß auch diesem großartigen Menschen alle attischen Phylen Ehrenstatuen geweiht haben.


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