Ferdinand Gregorovius
Der Kaiser Hadrian
Ferdinand Gregorovius

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Dreizehntes Capitel.

Hadrian in Rom. Der Titel Pater Patriae. Der Kaiser geht nach Africa. Verhältnisse dieser Provinz. Karthago. Lambäsis.

Der ruhige Zustand Roms während der langen Abwesenheit des Kaisers lieferte den Beweis, daß die Monarchie auf den Grundlagen der trefflichen Verwaltung fest stand, welche Hadrian von seinem Vorgänger überkommen und selbst verbessert hatte. Nicht Prätorianer und Heere gaben seinem Trone Sicherheit, sondern die Weisheit und Gerechtigkeit seiner Regierung. Das Gleichgewicht zwischen Kaiser, Senat und Heer war vielleicht nie vollkommener gewesen. Nichts aber ist erstaunlicher, als der Anblick dieser majestätischen und doch so disciplinirten Waffenmacht des Reichs. Die Legionen, welche Trajan mit Kriegsruhm verwöhnt hatte, waren jetzt zu friedlichen Gränzwächtern geworden; sie arbeiteten emsig und ohne Murren an Schanzen und Mauern, und fügten sich der strengen Zucht, die ihnen der Kaiser auferlegte.

Er war nach Rom zurückgekommen griechischer, als er es je gewesen, und das hat gewiß manchen Römer aus der Schule Trajans mit Unwillen erfüllt. So mächtig wirkte der Zauber Athens auf Hadrian, daß er griechische Gebräuche, selbst die Feier der Eleusinien in Rom einführte. Sein Hof nahm immer mehr einen hellenischen Charakter an. Griechische Sophisten und Gelehrte umgaben ihn; sein Liebling war der junge Antinous, ein Bithynier aus Claudiopolis, den er in Kleinasien kennen gelernt und mit sich geführt hatte. Hadrian gründete, wol nach seiner Rückkehr, in Rom eine Akademie, welcher er den Namen Athenäum gab.Ueber die Einführung des Hellenismus in Rom durch ihn Aurelius Victor, Epit. 14.

Seine Heimkehr bot dem Senat neue Gelegenheit dar, ihm mit Beweisen der Ehrfurcht entgegenzukommen. Moralische Gründe können daher die Ansicht unterstützen, daß ihm derselbe den Antrag machte, den Titel Vater des Vaterlandes endlich anzunehmen.Flemmer S. 44 macht diese Gründe geltend. Hadrian that dies, wie es scheint, am Tage der Dedication des Prachttempels der Roma und Venus, und diese Feier konnte nicht passender als am Geburtstage der Stadt, den 21. April, begangen werden. Das Jahr, in welchem sie stattfand, und Hadrian jenen Titel, seine Gemalin Sabina den der Augusta annahm, ist ungewiß, aber wol eher 128 als 127 gewesen.Siehe die gründliche Auseinandersetzung bei Dürr S. 28 f.

Der Kaiser blieb jetzt längere Zeit in Rom, plante jedoch wieder neue Reisen. Selbst seine Biographen hat dies ruhelose Wandern nervös gemacht. Spartian schreibt wie ein Courier; nachdem er Hadrian aus Sicilien nach Rom hat heimkehren lassen, sagt er in einem hastigen Atemzuge: »von hier ging er nach Africa«, und dann setzt er wie erschreckt hinzu: »niemals hat ein Fürst so viele Länder so schnell durchreist«.Spart, c. 13: nec quisquam principum tantum terrarum tam celeriter peragravit. Dieselbe Unruhe muß noch heute jeden Biographen dieses Kaisers ergreifen, um so mehr als er an die zerstückelten Berichte Spartians und Dios gebunden ist und mit ihnen in verzweifelter Hast Länder und Meere durchjagen muß. Indeß zu wenig Ruhe hat Spartian diesmal dem Kaiser in Rom gelassen.

Erst im Sommer 128 wird Hadrian in Africa sichtbar. Sein Besuch in dieser Provinz fällt zwischen die erste und zweite Orientreise. Spartian erwähnt desselben zweimal, zuletzt mit dem Zusatz: »als er nach Africa kam, fiel bei seiner Ankunft wieder Regen, welcher fünf Jahre ausgeblieben war, und deshalb wurde der Kaiser von den Africanern geliebt«.Spart, c. 22. Es war nicht das erste und letzte Mal, daß Schmeichelei der Untertanen Ereignisse der Natur mit dem Erscheinen des Fürsten in Zusammenhang zu bringen wußte. Die Völker Africas haben jedoch ernsthaftere Ursachen gehabt, den Kaiser, welcher sie besuchte, zu ehren. Im Jahre 128 bereiste er Numidien und richtete die militärische Verfassung des Landes besser ein.

Die Provinz Africa und das mit ihr bis auf Septimius Severus vereinigte Numidien erstreckte sich von den Gränzen Mauretaniens bis zur Cyrenaika und der großen Syrte.Die Provinzen Roms in Africa waren überhaupt Africa und Numidia, die beiden Mauretanien, Creta und Cyrenaika, Aegyptus. Es war ein fruchtbares Ländergebiet, eine der besten Kornkammern Roms, erfüllt von mehr als 300 blühenden Städten. Es lieferte köstliche Früchte, wilde Thiere für die Arena, Elfenbein, gelben Marmor (giallo antico) für die Prachtbauten der Kaiser, und kunstreiche Gewebe. In keiner Provinz gab es so viele kaiserliche Domänen als in Africa, dem Lande der großen Latifundien. Die Kaiser beuteten diese aus, und namentlich hat Trajan seine Familie dort mit Gütern ausgestattet. Die mißlichen Verhältnisse der Kleinpächter oder Colonen zu den Großpächtern regelte dort Hadrian selbst in humaner Weise.Bull. d. Corresp. Africaine Alger 1882, fasc. II, 62. Ueber die dortigen Verhältnisse Boissière, l'Algérie Romaine, Jung, Rom. Landsch. S. 194. L. Friedländer, Das röm. Africa, Deutsche Rundschau, Heft 4 und 5, 1883.

Africa war wie Asien eine senatorische Provinz höchsten Ranges und von einem Proconsul verwaltet, aber seit Caligula befehligte ein vom Kaiser ernannter Legat selbständig die 3. Legion Augusta, welche Octavian dorthin verlegt hatte.Legatus Augusti propraetore legionis. Marquardt, R. St. I², 468. Arnold, Rom. Prov. Admin. S. 108. Die Romanisirung des Landes war weit vorgeschritten, wenn auch das punische Sprach- und Volkselement mit dem alten Cultus des Moloch und der Astarte noch immer fortdauerte. Karthago war der Mittelpunkt dieser phönizischen Religion; denn dort stand der Tempel der Juno Cälestis oder Astarte, der heiligen Himmelskönigin, welche nicht allein in Africa, sondern seit dem dritten punischen Kriege auch in Rom große Verehrung genoß.Preller, R. Mythol., Juno Cälestis.

Es gab kaum anderswo so viele römische Colonien als in Africa. Hadrian selbst vermehrte sie, denn von ihm erhielten Utica, Zama, Thänum das Colonialrecht.Zumpt, Comm. Ep. I, 421. C. I. L. VI, n. 1686: Coloni Coloniae Aeliae Hadrianae Aug. Zamae Regiae. Colon. Aeliae August. Mercurialis Thaenitana, n. 1685, und Gruter 363. Col. Julia Aelia Hadriana Augusta Utikensis (Janssen, Inscr. musei Lugduno – Batavi S. 80, bei Dürr S. 40). Karthago, die Residenz des Proconsuls, nahm den Namen Hadrianopolis an.Spart, c. 20. Dies beweist, daß der Kaiser sie besonders ausgezeichnet und wol auch mit Monumenten geschmückt hat. Die neue Karthago der Römer, die Gründung Cäsars, hatte schon seit Augustus ihren alten Rang in Africa wieder eingenommen. Sie war die zweite Stadt im Abendlande, die dritte im Reich überhaupt an Größe, Schönheit und Volkszahl, da sie nur von Rom und Alexandria übertroffen wurde; ein Handelsplatz von vielleicht einer Million Einwohnern, mit prachtvollen Straßen, glänzenden Tempeln, Theatern und Villen, und dem unvergleichlichen Hafen, welchen, wie zur Zeit Hamilkars, die Schiffe der seefahrenden Nationen belebten. Karthago vermochte sich sogar bis zur Vandalenzeit als Sitz der feinsten lateinischen Bildung zu behaupten, und berühmte Männer gingen daraus hervor, wie Apulejus und Tertullian, Cyprianus, Lactantius und Augustinus. Die lateinischen Studien blühten überhaupt in Africa bis tief in Numidien hinein; selbst der große Jurist Hadrians Salvius Julianus war ein Africaner aus Hadrumetum, und der Rhetor Fronto stammte ans Cirta, der Hauptstadt Numidiens.

Eine große Militärstraße mit dem Mittelpunkt Lambäsis deckte das ganze Gebiet Numidiens südwärts gegen die Raublust der Beduinenvölker. Schon im Jahre 123 hatte Hadrian durch die 3. Legion Augusta unter seinem Legaten P. Metilius Secundus eine Straße von Karthago nach Theveste bauen lassen, einem numidischen Ort nur einige Meilen östlich von Lambäsis entferntInschr. auf einem Meilenstein, Guerin, Voyages archéol. dans la Régence de Tunis II, 75. C. I. L. VIII, n. 10049. In diesem Lambäsis erhielt dieselbe Legion ihr Standlager unter dem Nachfolger des Secundus, dem Legaten Q. Fabius Catullinus, welcher dann nach Abgabe seines africanischen Legionscommando am 1. Januar 130 mit M. Antonius Asper den Consulat geführt hat.Die Legaten der legio III Aug. führten das Kommando 3 Jahre lang, und wurden darauf zum Consulat befördert. Henzen, Diploma militare d'Adriano, Annali d. Inst. 1857, S. 20. Wilmanns, Die Röm. Lagerstadt Africas (Comment Philol., Berlin 1877), S. 209 berechnet nach Henzen die Dauer des Commando des Catullinus auf Mitte 126 bis Mitte 129.

Hadrian besichtigte die Legion, und von dieser Musterung gibt eine lange Marmorinschrift Kunde, welche die Ansprache des Kaisers an die Truppen und sein rühmendes Zeugniß ihres militärischen Eifers unter der Führung des Catullinus enthält. Das Datum des Tagesbefehls ist annähernd das Ende des Juni oder die Mitte des Juli 128.Die von Renier gefundene Inschr. Bei Wilmanns a. a. O., und C. I. L. VIII, n. 2532.

Lambäsis, dessen Ruinen am Djebel Aures liegen, bietet eines der merkwürdigsten Beispiele der Thätigkeit römischer Legionssoldaten dar, denn jene Stadt verdankte ihren Ursprung dem Lager der 3. Legion, dessen Umwallung noch erhalten ist. Diese Legion blieb daselbst lange Zeit, und sogar noch um das Jahr 400 ist sie in Numidien sichtbar.Dedicationsinschr. für Hadrian der Veteranen dieser Legion in Lambäsis unter P. Cassius Secundus und Q. Fabius Catullinus bei Renier, Inscr. rom. de l'Algérie, n. 1 f. – Ueber Lambäsis Boissière, l'Algérie Romaine S. 333 f. Aus den Canabä, den Ansiedlungen der Veteranen und Kaufleute entstand der Ort als Stadt unter Marc Aurel. Leider haben die Franzosen seit 1844 das antike Standlager als Steinbruch ausgebeutet und daher zerstört.

Wie weit Hadrian seine Reise in Africa ausgedehnt hat, ist unbekannt. Die Provinz verdankte ihm die Anlage von mehren Municipien und Colonien, die sich den Namen Aelia beilegten.Dürr S. 40 f. hat die Beziehungen Hadrians zu Aelia bei Thysdrus, zu Aelium, Colonia Aelia Banasa, Aeliura Choba u. a. verzeichnet. Eine Straße von Cirta nach Rusicade ließ er durch den Legaten der 3 Legion, C. Julius Maior, wie es scheint, nach seinem Abgange ans Africa, bauen.Ex auctor. Imp. Caes. Hadriani Aug. pontes viae novae Rusicadensis . . . Renier, Inscr. rom. de l'Algérie n. 1296, n. 3842 Inschr. von Quiza und Arsennaria. Vielleicht führte er damals auch Colonien nach dem durch die Rebellion der Juden verwüsteten Libyen, während er in der Cyrenaika die Stadt Hadriana oder Hadrianopolis gründete.Sie ist genannt im Itinerar. Anton, und der Peutingerschen Tafel. Die Münze Restitutori Libyae bezweifelt Eckhel VI, 497.


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