Ferdinand Gregorovius
Der Kaiser Hadrian
Ferdinand Gregorovius

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Achtzehntes Capitel.

Die Nilreise Hadrians. Memphis. Heliopolis. Tod des Antinous. Theben. Der Memnoncoloß. Koptos. Myos Hormos. Mons Claudianus. Rückkehr nach Alexandria.

Die Wunder Aegyptens kennen zu lernen, unternahm Hadrian von Alexandria aus die Nilreise. Sie war längst in Mode. Denn die Monumente der grauen Vergangenheit und die Ufer des geheimnißvollsten der Ströme übten auf Griechen und Römer mächtige Anziehung aus, wie sie noch immer seit der Expedition Napoleons die Menschen aller Nationen anziehen. Wie mußte nicht der seit Jahrtausenden unveränderte Thierdienst, dies Rätsel menschlicher Religion, die Neugierde der Fremden reizen. In dieser Vergötterung der Thiere lag die größeste Verachtung des Menschengeistes und die boshafteste Satire auf die Apotheose von Königen und Kaisern. Denn was bedeutete die Gottheit des Sesostris, des Alexander, des Augustus oder Hadrians neben der himmlischen Majestät des Ochsen Apis oder der heilig gesprochenen Katzen, Hunde, Reiher, Krokodile und Götteraffen?

Aegypten war schon damals ein Museum der Pharaonenzeit und ihrer einbalsamirten Cultur. Die fremdartigen Bauwerke, die seltsamen Sculpturen, Hieroglyphen und Gemälde erfüllten noch die uralten Städte, wenn auch deren Glanz verschwunden war. Memphis und Heliopolis, Bubastis, Abydos, Sais und Tanis und das hunderttorige Theben waren längst verfallen, wenn auch noch bewohnt.

Es muß ein ungewöhnliches Schauspiel gewesen sein, welches die kaiserliche Reisegesellschaft darbot, als sie auf einer Flotte von Dahabien stromaufwärts ruderte. Aegyptische Gelehrte vom Museum,. Hermeneuten, Priester und Astrologen werden den Kaiser begleitet haben. In seinem Gefolge waren Verus und der schöne Antinous. Auch die Kaiserin begleitete ihn. Sie hatte unter ihren Hofdamen eine griechische Dichterin, Julia Balbilla. Man landete an den Ufern des Nil, wo es etwas Merkwürdiges zu betrachten gab, und davon gab es damals mehr, als am heutigen Tage. Man bewunderte die großen Pyramiden, den Sphinxcoloß und die heilige Stadt Memphis.

Memphis, der alte Herrschersitz der Pharaonen, und noch zur Zeit Strabo's als zweite Stadt Aegyptens angesehen, war damals noch nicht vom Sande der Wüste begraben, aber doch schon im Versinken begriffen. Unter den Ptolemäern hatte sie manches Material ihrer Tempel und Paläste für Alexandria hergegeben. Die große Pharaonenburg lag längst zerstört. Doch manche ehrwürdige Monumente, wie der Tempel des Ptah, die Pyramiden, Nekropolen und das Serapeum dauerten mit ihrem uralten Cultus fort. Noch immer war diese Stadt ein Hauptsitz der ägyptischen Hierarchie und die Residenz des Apis; gerade deshalb hatte sie die römische Regierung zu einer der stärksten Militärstationen Aegyptens ausersehen, denn hier lag eine Legion. Hadrian konnte im Bezirk des Serapeum jenen weißstirnigen Apis betrachten, dessen Auffindung kurz vor seiner Ankunft Priester- und Volkstumulte veranlaßt hatte; denn die Alexandriner wollten den Besitz des Stiers den Memphiten nicht gönnen, diese aber hielten ihn siegreich fest. Der Kaiser konnte die halbversunkenen Sphinxalleen durchschreiten, die zu den wunderbaren Grüften führten, wo die lange Reihe einbalsamirter Götterstiere ruhte, ein jeder wie ein Pharao in einem riesigen Sarkophag von GranitEine hadrianische Münze von Memphis hat den Apis, Mionnet V, S. 534. Heute liegt dies ägyptische Serapeum vom Sand bedeckt. Mariette entdeckte dort Stiergrüfte von der 18. bis auf die 26. Dynastie. Nur die der letzteren von Psametich an sind jetzt sichtbar. Gegenwärtig (Sommer 1883) hat Maspero Gräber der sechsten Dynastie ausgegraben. Mit minderer Mühe, als wir heutigen Reisenden, hat Hadrian das sculpturenreiche Grabmal des Ti bewundert, eines ägyptischen Reichsbeamten aus der fünften Dynastie. Jetzt hat der Wüstensand die Paläste, die Götterbilder und fast alle Pyramiden verschlungen. Elende Araberdörfer, wie Sakkara, haben sich im Schutte von Memphis angesiedelt, und im dichten Palmenhain sieht der Reisende mit Verwunderung den Torso des gewaltigen Pharao Ramses II. einsam daliegen als letzten Zeugen der Pracht des Ptahtempels, vor dem dieser Coloß einst aufgestellt gewesen war.

In der Nähe von Memphis lag Heliopolis, die Stadt des Sonnengottes mit dessen uraltem Tempel und einer Schule ägyptischer Weisheit. Strabo fand sie bereits verödet, aber man zeigte ihm noch die Priesterhäuser, in welchen Plato und Eudoxos dreizehn Jahre lang die Geheimnisse der Götter sollten studirt haben.Strabo 806. In Heliopolis dauerte der Cultus des Gottes Râ fort, dessen Mittelpunkt der heilige Stier Mnevis, ein Nebenbuler oder Gefährte des Apis, war. Der rohe Kambyses hatte die Tempel und selbst die Obelisken zum Teil zerstört, welche dort die Pharaonen im Lauf der Jahrhunderte jenem Sonnengott errichtet hatten; denn nirgend in Aegypten gab es deren so viele, als dort und in Theben. Wie Strabo so sah auch Hadrian ihrer manche halbverbrannt auf dem Boden liegen. Zwei größere fehlten; den Obelisken Ramses II. hatte Augustus als sein Siegesdenkmal nach Rom gebracht und im Circus Maximus aufgestellt. Er steht heute auf dem Platz del Popolo. Mit dem andern hatte Caligula den vaticanischen Circus geziert, und noch heute schmückt er den St. Petersplatz. Den größesten aller, den Totmes IV., hat erst Constantin hinweggeführt und dann Constantius im Circus Maximus aufstellen lassen. Er steht jetzt vor dem Lateran. Heute ist auf der von Saatfeldern grünenden Stätte des alten Heliopolis nur noch ein einziger Obelisk aufrecht geblieben, welcher als der älteste aller gilt, und von Usortesen I. aus der zwölften Dynastie errichtet worden ist. Wespennester haben seine Hieroglyphenschrift zugedeckt.

Die Nilfahrt fortsetzend war die erlauchte Reisegesellschaft nach Besa gekommen, einem Ort am rechten Flußufer, gegenüber Hermupolis, als ein seltsames Ereigniß stattfand, der Tod des Lieblings Hadrians. Antinous, einen jungen Griechen aus Claudiopolis, hatte seine Adonisgestalt zum Ganymed des Kaisers erniedrigt. Dieser liebte ihn mit Leidenschaft, und auch in dem Laster des Orients, welches selbst dem großen Trajan nicht als solches gegolten hatte und nur von wenigen edlen Menschen, wie von Plutarch, verabscheut wurde, war Hadrian vollkommen Hellene. Es ist unbekannt wo der Kaiser den schönen Jüngling kennen gelernt hatte, dies konnte in seinem Vaterlande Bithynien geschehen sein. Erst in Aegypten wird er sichtbar als unzertrennlicher Gefährte Hadrians, was seine Gemalin tief verletzen mußte. Die unglückliche Augusta wurde in Besa von dem verhaßten Anblick befreit, denn dort ertrank Antinous im Nil.

Ein mystisches Geheimniß umgab seinen Tod. War er Zufall? War er ein Opfer? Die Humanität Hadrians schützt ihn vor dem Verdacht, daß er seinen Liebling kaltblütig geopfert habe, wie einst Tiberius den schönen Hypatos in Capri. Hatte sich der schwärmerische Jüngling den Todesgöttern freiwillig dargebracht, um das Leben des geliebten Kaisers zu retten? Hatten ägyptische Priester in den Sternen ein Hadrian bedrohendes Unheil gelesen, welches nur durch den Opfertod des ihm Teuersten abzuwenden war? Ein solcher Wahn stimmte zu dem Aberglauben der Zeit, zu diesem Lande und dem geheimnißvollen Nil. Er stimmte auch zu den astrologischen Künsten des Kaisers selbst. War Antinous, als er sich in die Fluten des Nil stürzte, versichert, daß er aus ihnen als Gott wieder emporsteigen werde? In seinen Memoiren hat Hadrian behauptet, daß sein Liebling durch Zufall im Nil ertrunken sei; aber man hat ihm das nicht geglaubt.Spart, c. 14 läßt die Frage unentschieden. Dio 69, 11 hält es für wahr, daß Antinous sich geopfert habe, denn Hadrian, welcher magische Künste trieb, brauchte für das, was er vor hatte, eine sich freiwillig opfernde Seele. Er sagt: είτ' ου̃ν ες τὸν Νει̃λον εκπεσὼν, ως ‛Αδριανὸς γράφει, είτε ιερουργηθείς, ως η αλήθεια έχει. Aber nach seiner Ansicht war das Opfer freiwillig. Aurel. Victor (Ep. 14) neigt zu dem Glauben, daß sich Antinous geopfert habe, um das Leben des Kaisers zu verlängern. Die göttlichen Ehren, zu welchen er den Todten erhob, lassen denn doch vermuten, daß sie ein Lohn des freiwilligen Opfertodes gewesen sind, und dieser konnte, unter welchen Bedingungen er auch vollzogen worden war, für die damalige Welt immer die Anerkennung einer sittlichen Handlung aus heroischer Hingabe beanspruchen. Wir wollen annehmen, daß dies Opfer ohne den Willen Hadrians in den Nil versank.

Mit unermeßlichem Schmerz, mit »weibischen Tränen« beweinte er Antinous.Antinoum suum, dum per Nilum navigat, quem muliebriter flevit, Spart, c. 14. Jetzt war er Achill an der Leiche des Patroklos, und Alexander am Scheiterhaufen des todten Hephästion. Feierlich ließ er den Jüngling in Besa bestatten – eine Nilscene von der ausgesuchtesten Fantastik, wobei der trauernde Kaiser Roms und die lachende Augusta mit ihrem Hofgefolge die Handelnden sind. Dies bizarrste Intermezzo aller Nilreisen gab dem hinschwindenden Heidentum einen neuen Gott und der antiken Kunst ihre letzte Idealgestalt. Wahrscheinlich erblickten schon während der Todtenfeier scharfsichtige Höflinge den Stern des Antinous am Nachthimmel Aegyptens, und Hadrian hat ihn dann selbst gesehen. Das Sternbild dauert noch fort. Es steht an der Milchstraße zwischen dem Adler und dem Thierkreise, denn die Astronomen haben die Götterfabel des Antinous anerkannt wie das Haar der schönen Berenike, welches ein Sternseher ihrem Gemal Ptolemäus zu Liebe am Himmel erblickt hatte, wo es noch am Löwen erglänzt. Im mystischen Wunderlande Aegypten konnte selbst noch am hellen Tage der römischen Weltgeschichte unter Hadrian das Leben eine Dichtung sein.

Im October 130 scheint der Tod des jungen Bithyniers sich ereignet zu haben.Ihn in diese Zeit zu setzen liegt nahe. Nach dem Chron. Alexandrinum 254 ist Antinoe am 30. October gegründet worden; daraus hat Dürr S. 64 geschlossen, daß dieser Tag das Todesdatum des Antinous sei. Das Jahr 130 ergibt sich als sicher aus den Memnonsinschriften, wovon weiter unten. Nachdem der Kaiser Befehl gegeben hatte, zu Ehren seines Freundes auf der Stelle Besas eine prachtvolle Stadt zu gründen, setzte er die Nilreise fort. Denn die kaiserliche Gesellschaft wird im November 130 in den Ruinen Thebens sichtbar.

Theben, die älteste Stadt Aegyptens, vielleicht der Welt, war in früheren Jahrhunderten erst durch Memphis verdunkelt, dann von Kambyses zerstört worden. Seit den Ptolemäern hieß sie Diospolis, und nicht sie, sondern Ptolemais war die Hauptstadt der Thebais. Schon Strabo fand sie in Flecken aufgelöst.Κωμηδὸν συνοικει̃ται C. 816. Diospolis war das eigentliche Theben oder die Ammonsstadt. Der ganze westliche Theil am linken Ufer war die Memnonia. R. O. Müller, Osymandias und sein Grabpalast, Encykl. von Ersch u. Gruber, S. 260. Sie bildete diesseits und jenseits des Nil ähnliche Gruppen von riesigen Tempeln und Palästen, von Pylonen und Königsgräbern, wie sie heute in Luxor, Karnak, Medinet Habu, Der el Bahri und Kurna zerstreut sind.

Zur Zeit Hadrians muß das Ramesseum, das sogenannte Grab des Osymandias, auf dem Westufer des Nil, der Wunderbau Ramses II., noch in großen Massen erhalten gewesen sein. Diese Pylonen, Säulen, Arkaden und Höfe, diese prächtigen Säle mit ihren von Sculpturen bedeckten Granitwänden (auch eine Bibliothek befand sich dort) scheinen sogar die römische Kunst der Kaiserzeit beeinflußt zu haben. Man will ihren Reflex im Forum Trajans wieder erkennen, dessen Mittelpunkt ebenfalls das Kaisergrab war.Froehner (La Colonne Trajane, S. 49) findet diese Analogien nach der Beschreibung des Ramesseum von Diodor I, 45, und die Säule Trajans soll eine Nachahmung des Panium Alexandrias sein.

Das größeste Wunder unter den Grabtempeln Thebens war das Memnonium. Zwei nackte monolithe Colosse des Pharao Amenhoteph III. von der achtzehnten Dynastie (um 1500 v. Chr.), aus gelbem Sandstein gehauen, tronten daselbst vor dem Amenophium. Ein Erdbeben hatte um 27 v. Chr. die obere Hälfte des einen herabgestürzt, und die bei Sonnenaufgang strömende Luft erzeugte in den Rissen der Bildsäule jenen klingenden Ton, welchen die Griechen als den Morgengruß des von Achill vor Ilium getödteten Aethiopen Memnon an seine Mutter Eos erklärten. Ringsumher lagen staunenswürdige Reste von Tempeln, die jener König dem Ammon geweiht hatte.Strabo 816 erwähnt zuerst des Klanges, welchen er selbst gehört hatte. Sodann Philostr. (Apollon. 6, 4). Plinius (H. N. 36, 58) bezeichnet zuerst den Coloß als Memnon. Sept. Severus ließ ihn restauriren und seitdem verstummte er. Seit Nero pflegten Reisende ihre Namen auf den Schenkeln jenes Colosses einzumeißeln, und einer weit verbreiteten Eitelkeit verdankt die Wissenschaft eine der merkwürdigsten epigraphischen Sammlungen. Gelehrte haben seit Pococke die Inschriften vom Memnonsbilde abgeschrieben. Die meisten gehören der Zeit Hadrians an, nämlich zehn fallen vor 130, siebzehn in dieses und in die späteren Jahre des Kaisers. Er selbst hat seinen Namen griechisch eingraben lassen, und dasselbe that mit dem ihren die Kaiserin. Diese war von der Dichterin Julia Balbilla begleitet, welche von einem syrischen Könige Antiochus abzustammen behauptete und so viel Ruf genoß, daß ihr später die Stadt Taormina als dem Ausbunde aller Tugend, Sittsamkeit und Weisheit eine Ehrenstatue errichtete.C. I. G. II. 5904. Der kaiserliche Besuch des Memnon bot der Griechin eine erwünschte Gelegenheit dar, ihr Talent leuchten zu lassen. Wir lesen noch die Verse in äolischem Dialekt, mit welchen sie den melancholischen Memnon wiederholt heimgesucht hat. Aber der Gott ließ sich doch einmal nicht herab, seine Schmerzenslaute ertönen zu lassen; die Hofdame verwunderte sich, daß er zu schweigen wagte, obwol die erhabene Augusta ihn zu hören begierig war, und sie drohte ihm sogar mit dem Zorn des Kaisers. Dies fruchtete, denn Memnon erklang mehrmals zu Ehren des Augustus. Glücklicher Weise hat Balbilla in einer Inschrift verzeichnet, daß sie mit der »lieblichen Königin« Sabina den Gott gehört habe, im 15. Jahre Hadrians, am 24. und 25. des Monats Athyr. So kennen wir das Datum der Anwesenheit des Kaisers im Memnonium, nämlich den 20. und 21. November 130.Letronne, La Statue vocale de Memnon, Paris 1833, S. 152 f. Die Verse Balbillas Hadrian betreffend mit der Aufschrift: ’Ιουλίας Βαλβίλλης, ότε ήκουσε του̃ Μέμνονος ο σεβαστός ‛Αδριανός – Sabina betreffend mit dem Datum, S. 162. S. 165 Inschrift Sabinas: Σαβείνα σεβαστὴ αυτοκράτορος Καίσαρος σεβαστου̃ εντὸς ώρας Α, Μέμνονος δὶς ήκουσε. – C. I. G. 4925 f. – Kaibel, Epigr. graeca ex lapidib. conlecta, Berlin 1878, n. 988 f., dazu die Bemerkungen Puchsteins, Epigr. gr. in Egypto reperta, Straßburg 1880, S. 16–30.

Unterhalb Theben lag Koptos, ein großes Emporium für indisch-arabische Waaren. Sie kamen dorthin mit Karavanen, auf Kunststraßen, welche jene Stadt mit den Häfen Myos Hormos und Berenike verbanden; dann wurden sie den Nil abwärts nach Alexandria verschifft.Plin. VI, 26, 7 gibt die Stationen von Koptos nach Berenike an – Bei Koptos lagen berühmte Smaragdgruben. Ein dritter Hafen für indischen Handel war Arsinoe am heroopolitischen Golf des roten Meeres, wo der berühmte Nilcanal, welchen Necho begonnen, Darius erneuert, Ptolemäus Philadelphus vollendet und endlich Trajan hergestellt hatte, von Bubastis im Delta durch die Bitterseen ins Meer geleitet war. Der Nilcanal, dessen Neuschaffung nach langen Jahrhunderten in unserer Gegenwart ein weltgeschichtliches Ereigniß geworden ist, diente noch zur Zeit Hadrians und wahrscheinlich bis zu Septimius Severus als Handelsstraße.Humboldt, Kosmos II, 204. Trajan hatte vor d. J. 109 nicht nur den Canal von Bubastis nach Arsinoe restaurirt, sondern auch einen Zweigcanal nach Babylon (Cairo) führen lassen. Dierauer bei Büdinger I, S. 131.

Von Koptos konnte der Kaiser nach Myos Hormos gehen, dem zunächst gelegenen Stapelplatz für den indischen Handel, welcher unter der Herrschaft Roms so großen Aufschwung genommen hatte. Schon Strabo verwunderte sich, daß von dort jährlich wol 120 Schiffe nach Indien fuhren, während zur Zeit der Ptolemäer nur wenige diese directe Fahrt gewagt hatten. Wie groß aber muß ein Jahrhundert nach ihm die Zahl der Indienfahrer gewesen sein, da sich die Luxusbedürfnisse Roms so hoch gesteigert hatten.Strabo 118. Ueber die Indienfahrten Friedländer II, 59 f. Einige Decennien nach Strabo schrieb ein Grieche den Periplus des erythräischen Meeres, welchen der ältere Plinius benutzt hat. Diese Schrift, vielleicht das Werk eines gebildeten Kauffahrers, beschreibt die Küstenfahrt längs des roten Meeres durch die damals viel durchschiffte Straße Babel Mandeb bis nach Ceylon und Indien zum Ganges hin. Sie liefert den Beweis des regsten, durch Araber und Griechen betriebenen Indienhandels und der lebhaftesten Verbindung zwischen Aegypten und Arabien.B. Fabricius, Der Periplus des erythräischen Meeres von einem Unbekannten. (Griech. und deutsch mit krit. und erläuternden Anmerkg. Leipzig 1883.

Auf dem Wege nach Myos Hormos lag der Mons Claudianus, dessen unerschöpfliche Brüche von Porphyr und grauem Granit seit dem Kaiser Claudius in Betrieb gesetzt wurden. Mitten in der Wüste, welche die Städte der alten Aegypter, die Welthäfen der Römer am roten Meer und ihre Straßen verschlungen hat, sind im Jahre 1822 am Djebel Faterah und Dokham Römerstationen mit Porphyrbrüchen entdeckt worden, nebst Resten zweier unvollendeter Tempel, deren griechische Inschriften melden, daß sie am 23. April 118 dem Jupiter Serapis geweiht worden seien, im Namen des Präfecten Aegyptens, Rhammius Martialis, von Epaphroditos, dem Sclaven des Kaisers und Pächter der Bergwerke, und zwar für das Heil und den Sieg Hadrians und seines Hauses, wie für das Gelingen aller von ihm unternommenen Werke.Letronne, Inscr. de l'Egyte I, 153, und daselbst das Capitel über den Mons Claudianus S. 136 f. C. I. G. 4713. Diese Inschriften lehren, daß die Porphyrbrüche als kaiserliche Domänen von einem Procurator verwaltet wurden. Zwei römische Ansiedlungen lagen in der Nähe, geschützt gegen die Raublust der Araber durch die Cohorte leichter Reiterei Flavia Ciliciorum.Die Cohors I Flavia Ciliciorum (oder Cilicum) equitata erscheint zur Zeit des Antonin. Pius in einer Inschrift zu Syene (Assuan), C. I. L. III, 2. add. 6025, S. 968.

Bergwerke (metalla) waren das Sibirien der Verbrecher im römischen Reich, und die Verurteilung dazu auf Lebenszeit galt nach der Todesstrafe als die schwerste aller Strafen überhaupt.Dig. 48, 19, 28. Tausende von Unglücklichen, und noch zur Zeit Diocletians viele Christen, schmachteten unter dem Sonnenbrande der Wüste in jenen Porphyrgruben, wo sie das köstliche Gestein brachen und für die Paläste Roms bearbeiteten. Wenn nun Hadrian den Mons Claudianus besuchte, so konnte ihm wol der Anblick der Leiden dort Verurteilter das Gesetz eingeben, mit welchem er das Los solcher unter ihnen gemildert hat, die dem Stande der Freigeborenen angehörten.Dig. ibid.

Aber der Besuch des Kaisers in Myos Hormos und Berenike ist für uns nur Vermutung, wie auch, daß er von Theben aus die Nilfahrt bis nach Syene und Philä ausgedehnt hat. Auf seine Nilreise überhaupt scheinen sich Medaillen zu beziehen, die den Flußgott darstellen, bisweilen von Kindern umgeben; er stützt sich ans eine Sphinx und trägt in der Rechten ein Füllhorn, in der Linken ein Rohr.Hadrianus, Aug. Cos. III, P. P. – Nilus. Cohen II, n. 326–329.

In der libyschen Wüste hatte Hadrian Gelegenheit, seine Jagdlust zu befriedigen, wobei es ihm glückte, einen Löwen zu tödten.Eine Münze Virtuti Aug. zeigt ihn zu Pferde, die Lanze auf einen Löwen schleudernd. Cohen II, n. 1471. Andre Münzen mit Virt. Aug. sind auf seine Jagden zu beziehen. Der Dichter Pankrates besang diese Heldenthat, und er war zugleich geschickt genug, dem Kaiser einen rosenroten Lotos zu zeigen, welcher aus dem Blute jenes Löwen entsprossen war. Noch mehr, er gab diesem Lotos den Namen AntinoeVielleicht war dieser Lotos die rosenrote Seerose, Nymphea nelumbo, welche Herodot II, 92 beschrieben hat. Maspero, Gesch. der morgenl. Völker im Altertum S. 8. Statt über die kindische Nachahmung der Ajaxblume zu lachen, belohnte Hadrian den Erfinder mit einer Stelle im Museum Alexandrias, und den Lotoskranz trugen die Bildnisse des vergötterten Jünglings.Athen., Deipn. XV, c. 7.

Der Kaiser kehrte, so darf man glauben, nach Alexandria zurück. Wie lange er noch in Aegypten geblieben ist, wissen wir nicht. Er verließ dieses Land, um sich nach Syrien zu begeben, noch am Ende des Jahres 131 oder im Beginne des folgenden.Daß er nach Syrien ging, steht durch die eine Stelle bei Dio 69, 22 fest, wo gesagt wird, daß sich die Juden zum Aufstande rüsteten: παρόντος μὲν εν τε τη̃ Αιγύπτω καὶ αυθι̃ς εν τη̃ Συρία του̃ ‛Αδριανου̃ ησίχαζον. Weder von dem Wege, welchen er nahm, noch von den Ursachen, die ihn bestimmten, nach Syrien zurückzukehren, haben wir eine Kunde.


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