Ferdinand Gregorovius
Der Kaiser Hadrian
Ferdinand Gregorovius

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Viertes Capitel.

Hadrian begleitet den Kaiser in den parthischen Krieg. Erhebung der Judenvölker. Lusius Quietus. Tod des Trajan und Adoption Hadrians.

Hadrian begleitete den Kaiser auch in den parthischen Krieg, aus welchem Trajan nicht wiederkehren sollte. Er war sein Legat im Generalstabe, und auch diese Auszeichnung verdankte er dem Wolwollen Plotinas.Spart, c. 4: cujus studio etiam legatus expeditionis parthicae tempore destinatus est. Die Ruhmsucht und der Ehrgeiz, sich den größten Königen der Welt gleich zu stellen, hatten sich des ehedem so maßvollen Trajan bemächtigt, und sie rissen ihn zu den gewagtesten Unternehmungen fort. Er nahm sich vor, die orientalische Frage zu lösen, das mächtige Partherreich, welches an die Stelle der Perserherrschaft getreten war, hinter den Tigris zurückzuwerfen und die Handelsstraßen nach Indien in Besitz zu nehmen. Es war ein Krieg der hellenisch-römischen Cultur gegen Altasien, eine Renaissance der Ideen Alexanders des Großen; aber am Orient ist Trajan gescheitert.

Vielleicht war dieser die damalige Welt aufregende Feldzug der einzige, welchem der Philhellene Hadrian eine ideale Seite abgewonnen hat. Der Kaiser brach von Italien im October 113 auf. Als er im Frühling 114 bei Antiochia, welches er zum Sammelplatz des Krieges bestimmt hatte, dem Zeus Kasios aus der dacischen Beute Weihgeschenke darbrachte, schrieb Hadrian dazu griechische Verse, worin er den Gott anrief, dem Kaiser den Sieg gegen die Achämeniden zu verleihen, damit er ihm zur Beute der Geten auch die der Arsaciden gesellen könne.Anthol. Palat. ed. Dübner VI, 332, und Note S. 267. Die Weihgeschenke waren zwei Pokale und ein vergoldetes Auerochsenhorn.

Nachdem erst Armenien und dann im Jahre 115 Mesopotamien erobert waren, überwinterte Trajan wieder in Antiochia, und diese Stadt zerstörte während seiner Anwesenheit ein Erdbeben am 13. December 115. Glänzende Siege unterwarfen ihm hierauf die Euphratländer. Er drang bis Babylon, nahm Seleucia am Tigris ein und die zweite parthische Hauptstadt Ktesiphon, schiffte den Strom herab bis in den persischen Golf, und verzichtete hier auf den verlockendsten aller Träume abendländischer Eroberer, Indien zu erreichen. Fast mehr als sechzehn Jahrhunderte sollten nach Trajan verfließen, bis dies Wunderland durch kühne und räuberische Abenteurer aus dem fernen Britannien unterjocht und geknechtet wurde.

Als Trajan im Winter 116 wieder in Babylon war, wandte sich das ungeheure Glück von ihm ab. Die in beiden Stromgebieten bezwungenen Völker erhoben hinter seinem Rücken die Waffen.Dio 68, 29: πάντα τὰ εαλωκότα εταράχθη καὶ απέστη. Die Flammen dieses Aufstandes hatten die Judenstämme entzündet, welche seit lange in Mesopotamien und Babylonien saßen, zum Teil unter eigenen Fürsten, aber Vasallen der Parther, wie in Gordyene und Adiabene am Tigris, wo die Izaten regierten, ein zum Mosaismus übergetretenes Dynastengeschlecht, in Osroene, Naarda und Nisibis, und bis nach Arabien hin. Judenvölker erfüllten seit den Ptolomäern auch Aegypten und Cyrene, nicht minder die Insel Cyprus, seitdem Augustus die dortigen Kupfergruben dem Könige Herodes verpachtet hatte. In allen diesen Ländern erhoben sich die Judäer, von Messiashoffnungen trunken, und von der günstigen Gelegenheit des Partherkrieges aufgereizt zum Kampf wider die römischen Unterdrücker. Der Haß gegen die Zerstörer Jerusalems machte sie zu rasenden Kannibalen.

Die Landschaft Cyrene, welche schon unter Vespasian einen Judensturm erlebt hatte, wurde mit dem Blute der Griechen überschwemmt und zur Einöde gemacht. Die Empörer führte hier ein kühner Mann mit Namen Lukuas. In Aegypten selbst mußte sich das von den Aufständischen geschlagene Heer des Procurators Lupus nach Alexandrien zurückziehen, welche Stadt bei dieser Gelegenheit durch Feuer verwüstet wurde. Trajan war genötigt, den Marcius Turbo, einen der besten Freunde Hadrians, nach Aegypten mit Truppen abzuschicken. Der tapfere General erstickte hier mit vieler Mühe und furchtbarer Strenge die Rebellion der Juden und schiffte dann nach Cyprus, wo die gleichfalls empörten Hebräer unter ihrem Führer Artemion fast Herren der Insel geworden waren. Sie hatten sogar die Stadt Salamis zerstört, und, wenn dies glaublich ist, waren in diesem Aufstande 240,000 Griechen und Römer erschlagen worden. Auch dort wurde die Rebellion von Turbo bewältigt. Fortan blieb jedem Juden der Eintritt in Cypern bei Todesstrafe untersagt.Eus., H. E. IV, 2, und im Chron. Dio 68, 32. Orosius VII, 12. Bar Hebraeus Chron. ed. Bruns et Kirsch S. 54. Jahr 18 u. 19 Trajans.

Es verlautet nicht, daß Hadrian an diesen Judenkriegen persönlich Teil genommen hat; vielmehr wird er in seiner Stellung als Generaladjutant in der Nähe des Kaisers geblieben sein.Daß Hadrian a. 116 am Aufstand in Cyprus bekämpft habe, glauben ohne Grund Jost, Allg. Gesch. des Israel. Volks II, 111, und Milman, Hist. of the Jews II³, 421. Dem kühnsten seiner Generale, Lusius Quietus, hatte Trajan in derselben Zeit die Bändigung der Judäer in den Euphratländern übertragen. Dieser furchtbare Krieger war einer der Häuptlinge der Berber oder Maurenstämme Africas, die im Schutzverhältniß zu Rom standen, und deren Dienste sich die kaiserliche Regierung durch Sold und Gunstbezeugungen zu versichern suchte. Es gab zu diesem Zweck in der Mauretania Caesariensis einen eigenen Procurator unter dem Titel ad curam gentium.Renier, Inscr. rom. de l'Algérie 4033. Henzen, C. I. L. VI, 378a. Jung, Die Roman. Landschaften des R. Reichs S. 101. Wie Abdelkader war Quietus ursprünglich ein kleiner Fürst in seiner Heimat, τω̃ν Μαύρων άρχων (Dio 68, 32), und mit den Römern verbündet. Themistius ed. Dindorf. Orat. 16, 205 nennt ihn εξ αδόξου καὶ απωκισμένης εσχατια̃ς (Μαυρετανίας). Der Berbernfürst war vollkommen romanisirt, wie das schon sein Name zeigt, er brannte von Ehrgeiz, unter der Fahne des Kaisers groß zu werden. Erst von den Römern mit Geringschätzung abgewiesen, hatte er Trajan im dacischen Feldzuge seine maurische Reiterei als Hilfstruppe zugeführt und sich durch Waffenthaten hervorgethan. Man glaubt ihn mit seinem wilden Kriegsvolk auf einem Relief der Trajanssäule abgebildet zu sehen.Froehner, La Colonne Trajane p. 14. 21 u. planches 86. 88. Ueber ihn Borghesi, Oeuv. I. VIII, 500 f.

Lusius Quietus vollzog seinen Auftrag in Mesopotamien mit africanischer Grausamkeit. Er nahm Nisibis wieder und Edessa, welches er zerstörte, und metzelte die Judäer zu Tausenden nieder. Die rabbinischen Schriftsteller haben deshalb den ganzen Judenkrieg Trajans nach dem Namen des Quietus benannt, und wie es scheint, auch auf das Land Judäa selbst ausgedehnt.Polemos Schel Quitos, Grätz; IV, 132 u. Note 24. Volkmar, Judith S. 41 f., besonders S. 83 f. Denn Trajan schickte, nachdem die Empörung in den Euphratländern bezwungen war, denselben General auch nach Palästina, und zwar nicht als Procurator, sondern mit der Vollmacht eines proconsularischen Legaten, und diese Auszeichnung des maurischen Abenteurers, welcher auch zum Consul suffectus ernannt worden war, soll die Eifersucht Hadrians erregt haben.Dio 68, 32 sagt von Quietus: ώστε ες τοὺς εστρατηγηκότας (proprät. Legat) εσγραφη̃ναι καὶ υπατευ̃σαι τη̃ς τε Παλαιστίνης άρξαι· εξ ω̃ν που καὶ τὰ μάλιστα εφθονήθη καὶ εμισήθη καὶ απώλετο. Euseb., H. E. IV, 2. ’Ιουδαίων ηγεμών. –

Die Sendung des Quietus dorthin im Beginne des Jahres 117 stand im Zusammenhang mit den vom Kaiser genommenen Maßregeln zur Unterdrückung des Aufstandes in Aegypten und Mesopotamien. Denn Palästina war der geschichtliche und ideale Mittelpunkt des gesammten Judentums und Jerusalem das Ziel der jüdischen Erhebung im ganzen Osten, deren Endzweck doch nur die Wiederherstellung des Tempels und die Befreiung Israels vom Joch der Römer sein konnte. Auch war kaum daran zu zweifeln, daß gerade in Judäa der Hohepriester und sein Synhedrin die Fäden der Rebellion der Judenvölker gesponnen hatten. Als nun Trajan den Partherkrieg begann, wird er dazu auch aus den festen Plätzen Palästinas Truppen, wenn auch nur teilweise, abgerufen und so das Land entblößt haben. Das scheint wirklich mit der zehnten Legion Fretensis der Fall gewesen zu sein, welche noch von der Zeit des Titus dort ihre Garnison hatte.Gruter 367, 6: Inschrift auf A. Atinius Trib. Mil. Leg. X Fret. A Divo Trajano Exped. Parthica Donis Donatus.

Kein glaubwürdiger Geschichtschreiber redet von einem tatsächlichen Aufstande Judäas in jener Zeit, doch deutet Spartian die rebellische Gesinnung des von seinen Unterdrückern gepeinigten Landes an, und die Absendung des Quietus, des Würgengels der Juden in Mesopotamien, nach Palästina beweist mehr als die bloße Neigung dieser Provinz zum Aufstande.Spart, vita c. 5. Aegyptus seditionibus urgebatur, Lycia (es ist wol zu lesen Lybia) denique ac Palaestina rebelles animos efferebant. Der Maurenfürst kam nach Judäa, diesen wichtigen Schlüssel zwischen den Euphratländern und Aegypten fest zu halten, und sicherlich kam er mit Truppenmacht. Auch die zehnte Legion, oder was von ihr zum parthischen Kriege abcommandirt gewesen war, hat er dorthin zurückgeführt und sie als Legat befehligt.

Unterdeß war Trajan nach dem Euphrat zurückgekehrt. Erschüttert durch Mißerfolge, von der Felsenfeste Atra (ein berühmter Sonnentempel stand in ihr) zurückgeschlagen, krank von Mißmut und Anstrengung, am Orient verzweifelnd, dessen Bewältigung jenseits des Euphrat sich für die Römer als unmöglich herausstellte, trat der Kaiser im Frühjahr 117 seine Rückreise nach Italien an. Er ließ Hadrian in Antiochia, übertrug ihm als Legaten den Oberbefehl über Syrien und das orientalische Heer, und schiffte sich nach dem Westen ein.Dio 68, 33. Unterweges aber zwang ihn sein Zustand, in Cilicien zu landen; er legte sich zu Selinus (dem heutigen Selindi) am Anfange des August zum Tode nieder.

Der nach so vielen Heldenkämpfen unter kühnen, wenn auch fantastischen Entwürfen in Asien sterbende Trajan hat an Alexander erinnert, zumal auch er keinen Nachfolger ernannt hatte. Seine berühmtesten Generale kämpften noch gegen die aufständischen Völker, und keiner kannte die Absichten des Kaisers. Sein Schwert konnte Priscus, Palma oder Quietus, oder Hadrian selbst aufnehmen, wenn einer und der andre der Stimme der Legionen versichert war. Der Augenblick war kritisch. Leicht konnte das Reich wieder in Anarchie stürzen, wie nach dem Tode des Nero. Immer scheint es rätselhaft, daß Trajan einer möglichen Katastrophe nach seinem Hinscheiden nicht längst durch eine Adoption vorgebeugt hatte, wie das von Nerva mit so glücklichem Erfolge geschehen war. Wenn er Musterung über seine Großen hielt, so konnte er nicht zweifeln, daß nur sein eigener Verwandter ihm nachfolgen dürfe. Er wußte, daß dieser eine starke Partei am Hofe besaß, und sicherer dastand als jeder andre Kronprätendent. Schwankte er noch in seinem Entschluß, Hadrian zu adoptiren, dessen unberechenbares Wesen ihm wahrscheinlich kein Vertrauen einflößte? Geliebt hat er ihn schwerlich, wenn auch die Macht, die er selbst in seine Hände legte, erkennen ließ, daß ihm keine andre Wahl übrig blieb, als diese. Gegner Hadrians, wie Laberius Maximus und Frugi Crassus, hatte Trajan exilirt und dem Palma und Celsus seine Gunst entzogen, während er jenem die höchste Auszeichnung, den Oberbefehl Syriens und des Heeres verlieh. Vielleicht zögerte er mit der Adoption, weil er sie in Rom selbst durch einen Act des Senats wollte vollziehen lassen. Jedoch seine Krankheit überraschte ihn, und der sterbende Kaiser hat dann zu Selinus den Vorstellungen der Augusta Plotina, der älteren Matidia und des Attianus, welche bei ihm waren, nachgegeben, und Hadrian wirklich adoptirt.

Trajan starb am 7. oder 8. August 117. Am 9. erhielt Hadrian in Antiochia eine Adoptionsurkunde und dann wurde am 11. desselben Monats der Tod des Kaisers kund gemacht.

Alsbald ist das Gerücht entstanden, daß zu Selinus ein betrügerisches Spiel durchgeführt worden sei. Dio behauptet, Hadrian sei von Trajan nicht adoptirt worden, sondern habe dem Attianus und der Liebe Plotinas sein erschlichenes Glück verdankt.Dio 69, 1. Eutrop. VIII, 6. Von seinem Vater Apronianus, welcher lange nach dem Tode Trajans Präfect Ciliciens gewesen war, will er vernommen haben, daß man den Tod des Kaisers absichtlich verhelte, bis die Urkunde geschmiedet und bekannt gemacht war. Auch Spartian kennt Gerüchte von Ränken Plotinas, die nach dem Tode des Kaisers Jemand unterschoben, der mit sterbender Stimme die Adoption ausgesprochen habe.Spart, c. 4. Ist diese Urkunde wirklich gefälscht worden? Hat die Kaiserin sich zu einem ihrer unwürdigen Betruge hergegeben? Die Frage ist streitig, aber die glaubwürdigste Ansicht wird immer diese sein, daß Trajan noch in seiner letzten Stunde in die Adoption seines Vetters gewilligt hat.Gibbon, La Berge, Dierauer, andre sind für die Fälschung. Ich stimme den Gründen bei, welche Centerwall (a. a. O. S. 52 f.) u. Duruy, (Hist. des Rom. IV, 309) dagegen geltend gemacht haben. Haakh (Hadr. in Paulys R.E.) glaubt, daß Trajan den Gedanken der Adoption hegte, u. Merivale VII, 412, daß Plotina sie durchgesetzt habe. Adoptionsmünzen Eckhel VI, 475 f, Cohen II, 51 f.

Weil Hadrian am 9. August die Urkunde empfangen hatte, ist dieser Tag sein Adoptionsgeburtstag. Erst am 11. wurde der Tod Trajans bekannt gemacht. Dieser Tag ist daher der dies imperii, der Jahrestag seiner Tronbesteigung. Die Legionen, welche er als Legat Syriens, der damals wichtigsten Provinz des Reichs, befehligte, riefen ihn in Antiochia sofort zum Imperator aus, und er beschenkte sie mit einem doppelten Donativum, was ebensosehr als ein Geständniß seiner Freude, wie seiner Unsicherheit erscheinen konnte.Hadrian nahm alsbald die Titel Trajans an, und nannte sich daher auch Gerrnanicus Dacicus Parthicus. Eckhel VI, 518. Später fallen diese Titel fort.

In derselben Stunde erließ Hadrian ein ehrfurchtsvolles Schreiben an den Senat, sich entschuldigend, daß er das Imperium ohne weiteres auf den Zuruf des Heeres angenommen habe, da doch das Reich nicht ohne Kaiser bleiben könne. Er bat um die Bestätigung seiner Wahl.Dio 69, 2. Uebrigens war es rechtlich gleichbedeutend, ob das Imperium vom Heer oder vom Senat erteilt wurde.Mommsen, R. Staatsr. II, 790.

Da die Asche Trajans in Selinus eingeschifft werden sollte, unter dem Geleit der Kaiserinwittwe, der Matidia Augusta und des Attianus, so begab sich Hadrian nach jenem Hafen. Das Trauerschiff ging in See, und er kehrte nach Antiochia zurück. Hier blieb er noch Monate lang, um die ganz verworrenen Angelegenheiten des Orients zu ordnen.


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