Ferdinand Gregorovius
Der Kaiser Hadrian
Ferdinand Gregorovius

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Fünfzehntes Capitel.

Hadrian in Syrien. Antiochia. Phönizien. Heliopolis. Damascus. Palmyra.

Syrien, ein römisches Land seit Pompejus, war in Asien die wichtigste aller Provinzen des Reichs, von mehren Legionen besetzt und von einem consularischen Legaten des Kaisers verwaltet. Nachdem Judäa im Jahre 70 davon abgetrennt worden war, umfaßte dieses große Landgebiet von uralt semitischer, dann seit Alexander griechischer Cultur das nördliche Syrien, Phönizien und Chalcidene mit den östlichen Landschaften der Auranitis und Trachonitis. Da auch Kommagene unter dem Legaten Syriens stand, erstreckte sich die gesammte Provinz von Cappadocien und Cilicien bis zum Euphrat, und zwischen der arabischen Wüste, ihrem Schutzwall gegen die Beduinen, und dem phönizischen Meer über Palmyra, Damascus und den Libanon hinweg bis zu den Gränzen Palästinas.

Zahlreiche Städte mit griechischer Gemeindeverfassung, meist Gründungen der Seleuciden, oder uralte Sitze der Phönizier und Aramäer, blühten dort durch Seeverkehr, durch persisch-indischen Karavanenhandel und die Kunstgewerbe des Orients. Die herrschende Bevölkerung war hellenisch, auf dem Grunde des niedergedrückten syrisch-aramäischen und phönizischen Volkselements, welches sich im Osten von Damascus mit dem arabischen berührte. Die eingeborenen Semiten befanden sich in dem gleichen Verhältniß zu den Griechen und Römern, wie die Punier in Africa, und mit gleicher Zähigkeit dauerten die mit den ägyptischen Culten an Alter wetteifernden Götterdienste des Baal und Melkart, des Adonis und der Astarte fort.

Die Metropolis Syriens, der Sitz der römischen Verwaltung, war die freie, autonome Stadt Antiochia am Orontes, welche einst Seleucus Nikator zu Ehren seines Vaters Antiochus gegründet hatte. Sie nannte sich die große, und in der That war sie eine der volkreichsten und schönsten Städte des Römerreichs.Strabo 750. Sie glänzte durch Pracht und Reichtum, und den Luxus ihrer Feste, die am seleucidischen Apollotempel in den Hainen der Daphne gefeiert wurden.

Hadrian war einst in Antiochia Legat Syriens gewesen. Er hatte in dem Königspalast auf der Orontesinsel, der Residenz der römischen Statthalter, seine Adoption durch Trajan erhalten, und die ersten Monate seines Kaisertums dort zugebracht. Ob er dann Antiochia schon vor seiner zweiten Orientreise wiedergesehen hatte, wissen wir nicht. Sein Besuch im Jahre 130 ist unzweifelhaft, obwol nicht durch Urkunden beglaubigt; denn Inschriften und Münzen lassen uns für Antiochia auffallender Weise im Stich. Es gibt nicht einmal syrische Adventsmünzen Hadrians, nur solche die mit exercitus bezeichnet sind.Eckhel VI, 501.

Die Schwelgerei der Syrer steckte auch das römische Heer an, und nirgend wo anders hat Hadrian mit der Disciplin der Truppen so viel zu thun gehabt als dort. Sie wurden aufsätzig und zu allen Lüsten verderbt. Oftmals erregten sie Aufstände, so noch unter Marc Aurel, als der strenge Avidius Cassius, später selbst Rebell, ihr Befehlshaber war.Fronto, Princip. Histor. S. 227; corruptissimi vero omnium syriatici milites – Ad Verum Imp. S. 133: Antiochiae adsidue plaudere histrionibus consueti, saepius in nemore vicinae ganeae quam sub signis habiti. So empfing, sagt Fronto, Verus das syrische Heer. Die Disciplin Hadrians hatte also nichts gefruchtet. Die röm. Truppen in Syrien standen in vielen Garnisonen. Am Anfange des 1. Jahrhunderts der Kaiserzeit lagen dort 4 Legionen, VI Ferrata, X Fretensis, III Gallica, XII Fulminata. Marquardt, R. St. 12, 427. Die Antiochener waren, wie die Alexandriner, boshaft, spottsüchtig und frivol. Noch der Kaiser Julianus hat das erfahren, und sich an ihnen durch seinen Misopogon gerächt.

Auch Hadrian muß vom Charakter dieses Volks schlimme Erfahrungen gemacht haben, denn Spartian erzählt, Antiochia sei ihm so sehr verhaßt gewesen, daß er Syrien von Phönizien trennen wollte, damit jene Stadt nicht die Metropolis so vieler andern Orte genannt werde.Spart, c. 14. Indeß wird er zu diesem Plan der Teilung Syriens ernstere Gründe gehabt haben, als seine Verstimmung über die Bevölkerung der Hauptstadt der Provinz. Er hat ihn nicht ausgeführt, denn Syrien ist erst von Septimius Severus im Jahre 198 wirklich geteilt worden.Marquardt, R. St. I, 423. E. Bormann, De Syriae Prov. Rom. partibus S. 16 f. Septimius Severus scheint Antiochia unter Laodicea gestellt zu haben, doch hat die Stadt ihren Rang bis auf die Araber behauptet. Herodian III im Sever. S. 523. Suidas v. Sever. S. 869. Eckhel III, 317. Sogar die Abneigung Hadrians gegen Antiochia kann bezweifelt werden, oder sie war nur eine vorübergehende Aufwallung; denn ein späterer Byzantiner versichert, daß der Kaiser dort ein Theater, einen Tempel der Nymphen in Daphne, Bäder und Wasserleitungen gebaut und diese am 23. Juni festlich eingeweiht habe.Malalas 278 (ed. Migne).

In der Nähe Antiochias bestieg Hadrian den Berg Kasios, um das Schauspiel des Sonnenaufganges zu genießen und in dem dortigen Heiligtum des Zeus zu opfern, wo ehedem Trajan mit ihm selbst Weihgeschenke aus der dacischen Beute dargebracht hatte.Nach Plinius, H. N. V, 18, 3 konnte man auf dem Kasios schon um die 4. Nachtwache die Sonne, und gleichsam Tag und Nacht zugleich erblicken. Ein Gewitter entlud sich, und der Blitz erschlug das Opferthier und den Opferdiener zugleich. Mit dieser Anekdote fertigt uns Spartian ab, ohne sonst etwas von der Thätigkeit Hadrians in Syrien zu sagen, oder die vielen andern Städte, zumal die altberühmten der Phönizier, zu bezeichnen, die er besucht hat. Denn er ist wol südwärts am Meer hinabgezogen nach Laodicea, Aradus, Tripolis, nach Byblos und Berytos. Die seleucidische Laodicea gedachte seiner Wolthaten in der Weihinschrift einer Statue, die sie ihm im Olympieion Athens errichtete.I. A. III, 479. Sie nennt sich Julia Laodikea und ιερὰ, άσυλος, αυτονόμος, und befreundete Bundesgenossin des römischen Volks. Auch von Berytos gibt es eine Dedicationsinschrift zu Ehren Hadrians.C. I. L. III, 165. – Münze: Astarte in einem Tempel mit dem Füllhorn, bei Vaillant S. 153. Mionnet V, 340. Diese herrliche Seestadt zu Füßen des Libanon, das heutige Beirut, führte seit ihrer Colonisirung durch Augustus die Namen Julia Augusta Felix Berytos. Ihre Lage als Schlüssel des Libanonlandes, an der sicheren Meeresbucht hat sie in allen Stürmen der Zeit erhalten, und macht sie noch heute zu einer der blühendsten Städte Syriens.

Von dort konnte Hadrian nach Sidon und Tyrus gehen. Diese ehrwürdigen Mutterstädte so vieler phönizischer Colonien, welche lange vor den Griechen die Meere dem Menschenverkehr erschlossen und den Welthandel besessen hatten, waren nur noch Ruinen ihrer Vergangenheit, aber trotz ihres Verfalls noch immer prächtige und große Orte: Seefahrt und Gewerbefleiß, namentlich Seidenindustrie und Purpurfischerei erhielten ihren Wolstand. Von den Seleuciden her hatten sie auch unter den Römern einige Freiheit bewahrt. Strabo nannte beide Städte glänzend sowol im Altertum als in seiner Gegenwart, er pries ihre Lage an den berühmten Häfen, von denen Tyrus beide, den ägyptischen und den sidonischen, sich erhalten hatte, während die Insel noch der Damm Alexanders mit dem Festlande verband.Strabo 756 f. Prutz, Aus Phönizien S. 182 f. Tyrus führte seit langer Zeit den Titel Metropolis, und scheint überhaupt den Vorrang unter den Städten Phöniziens behauptet zu haben.Nach Suidas (Paulus Tyrius) hat Hadrian ihr diesen Titel verliehen, doch trug ihn Tyrus schon seit 94 n. Ch. Bormann S. 17. Zur Colonie mit latinischem Recht wurde sie erst unter Septimius Severus. Sie war der Hauptsitz des Cultus des Melkart oder phönizischen Herakles, welcher dort einen berühmten Tempel besaß.Lucian, Dea Syria c. 3. In Sidon stand der Tempel der Astarte, und Byblos war der Hauptsitz des Adoniscultus. Zugleich bestand in ihr eine der ersten und ansehnlichsten Christengemeinden Syriens.

Keine urkundliche Nachricht ist uns über die Anwesenheit Hadrians in Sidon und Tyrus erhalten. Ebensowenig haben wir bestimmte Kunde von seiner Reise nach Heliopolis oder Baalbek in Cölesyrien, nach Damascus und Palmyra. Diese Städte aber hat der Kaiser von Berytos aus sicher besucht.

Heliopolis, deren Gründung die Araber dem Könige Salomo zuschrieben, war eine der ältesten Städte Syriens, denn die colossalen Quaderbauten auf ihrer Akropolis weisen in eine sehr frühe Epoche syrischer Macht und Baukunst zurück.Ritter, Erdk. VIII, 2. Abt. S. 229. Sie besaß damals noch nicht jene großartigen Tempel, deren Ruinen sie heute zu einem Wunder des Orients machen. Nur flüchtig hat sie sogar Strabo neben Chalkis in Cölesyrien genannt. Augustus hatte sie erneuert, aber wie es scheint nicht zur Colonie gemacht. In ihren Münzen, die von Hadrian bis Gallienus reichen, nannte sie sich Colonia Julia Augusta Felix Heliopolitana; ob aber erst Hadrian ihr das Recht der Colonie verliehen hat, ist zweifelhaft.Jene Namen C. I. L. III, n. 202, zur Zeit des Sept. Severus. Zumpt, Comm. Ep. I, 418 behauptet, daß Hadrian Heliopolis a. 132 wegen des Judenkrieges befestigt und zur Kolonie erhoben hat. Dazu Marquardt, R. St. I, 428. Aber Mionnet (V, 298) hat eine Münze des Nerva mit Col. Julia Hel. und dem Symbol eines Ackermannes mit zwei Stieren. Immerhin kann schon dieser Kaiser dort manche Gebäude aufgeführt haben, obwol der monumentale Glanz der Stadt des Baal erst der Epoche seiner Nachfolger angehört. Von Antoninus Pius soll der Bau des großen Zeustempels begonnen worden sein.Malalas ed. Bonn 280.

Aus Heliopolis führte eine Karavanenstraße über den Antilibanon nach Damascus, dem Paradiese in der Wüste Syriens. Diese weltberühmte Stadt, eine der ältesten des Orients, bestand schon zur Zeit Davids als Sitz eines syrischen Fürstentums. Sie erhielt sich in allen Stürmen der Geschichte Asiens unter der Herrschaft der Assyrer, Babylonier und Perser, und wurde nach Alexander der Sitz der Seleuciden, ehe sie Antiochia zur Hauptstadt ihres schönen Reiches machten. Die griechische Cultur drang in Damaskus ein. Hellenen, Juden, Syrer und Araber bildeten die Einwohnerschaft dieser blühenden Stadt, welche das völkerwimmelnde Emporium des Handelverkehrs zwischen den Euphratländern, Arabien, Aegypten und Phönizien war. Im Jahre 64 v. Chr. unterwarf sie Pompejus den Römern, aber sie wurde noch nicht der Herrschaft Roms einverleibt, denn Vasallenkönige regierten dort, und eine Zeit lang besaß sie Herodes der Große als Statthalter Cölesyriens. Erst nachdem Cornelius Palma die Macht des Königs von Arabien gebrochen hatte, wurde Damascus unter Trajan eine römische Stadt der Provinz Syrien.

Die vielen Canäle des Chrysorrhoas (Baradá), welcher mit Macht vom Antilibanon herabströmt, hatten schon in uralter Zeit die Wüste um Damascus in ein üppiges Fruchtgefilde verwandelt, und noch heute erscheinen diese meilenweiten Gärten den Beduinen als das Eden der Welt. Auf Münzen ist die Stadt als ein Weib abgebildet mit einer Mauerkrone auf dem Haupt, sitzend auf einem Felsen über dem Fluß, in der Linken einen Fisch, in der Rechten ein Füllhorn haltend.Eckhel III, 331. Mionnet V, 287. Nichts wissen wir von den Bestimmungen, welche Hadrian mit Damascus getroffen hat. Er scheint sie zur Metropolis gemacht zu haben.Marquardt I, 430. Nach Noris Epoch. Syromaced. S. 76 hat er sie zu Phönizien geschlagen. Aber all dies ist fraglich. Nichts hören wir von seinen Bauten dort. Der riesige Sonnentempel, dessen Trümmer heute neben der großen Moschee und über einem Teile des Bazar sich erheben, gehört wol erst der Zeit Aurelians an. In Damascus war Paulus bekehrt worden; und wie in Ephesus bestand auch dort von jener Zeit her eine zahlreiche Christengemeinde.

Weiter an den Ostgränzen der syrischen Wüste war die Oase Palmyra der Durchgangsort des indisch-mesopotamischen Karavanenhandels. Eine große Straße zog hier vom Euphrat nach Phönizien durch, und sie nahm die Straßen auf, welche von Thapsacus, von Babylon und dem persischen Meere herkamen.Movers, Phönizien III, 1. 292. Palmyra war das uralte Tadmar der Araber, welches der König Salomo als Karavanenstation in der syrischen Wüste gegründet haben sollte. Von den Seleuciden hatte die Stadt eine durchaus griechische Cultur empfangen. Dann umwarben sie die beiden mächtigen Reiche der Römer und der Parther.Plinius, H. N. V, 21, 3. Erst Trajan nahm auch sie in Besitz und vereinigte sie mit Syrien.

Eine inschriftliche Urkunde spricht von dem Besuche Hadrians in dieser Wunderstadt. Sie ist zugleich das vollgültige Zeugniß dafür, daß der Kaiser zuvor in Baalbek und Damascus gewesen war, denn nur von dort her konnte er sich nach Palmyra begeben haben. Die griechische Inschrift ist vom Rat und Volk der Palmyrener einem Bürger Males Agrippa gesetzt, welcher zur Zeit der Ankunft des Kaisers zum zweiten Mal Schreiber der Gemeinde war, und sich durch Festspiele und aufopfernde Sorge für den Tempel, wie durch gastliche Aufnahme römischer Truppen um Fremde und Bürger verdient gemacht hatte.C. I. G. 4482. Le Bas-Wadd. 2585. Vogüé, Syrie Centrale, Inscr. Semitiques, Paris 1868, S. 19, n. 16 . . . επιδημία θεου̃ ’Αδριανου̃. Die Inschr. kann nicht lange nach der Anwesenheit Hadrians gesetzt sein. Wadd. erkennt aus dem palmyrenischen Text das 442. Jahr der Seleucidenära, welches am 1. Oct. 130 begann. Vogüé setzt die Inschr. ins J. 131.

Hadrian ist in Palmyra gewesen entweder im Jahre 130 auf seiner Reise durch Syrien nach Aegypten, oder später bei seiner Rückkehr von dort nach Syrien. Er hat die Stadt vielleicht mit dem italischen und Colonialrecht beschenkt, denn sie nannte sich ihm zu Ehren Adriana.C. I. G. n. 4482. 6015. ’Αδριανὴ Πάλμυρα. Steph. Byz. (Ethnikon) unter Palmyra sagt ausdrücklich, daß die Palmyrener ’Αδριανοπολι̃ται μετωνομάσθησαν επικτισθείσης τη̃ς πόλεως απὸ του̃ αυτοκράτορος. Dies wird beglaubigt durch C. I. G. 6015, wo ein Palmyrener Heliodorus sich Adrianos nennt. Bei Renier (Inscr. de l'Algérie, n. 1638) ein Zabdiol Hadrianus, Veteran des numerus Palmyrenorum in Numidien. Die Militärstraßen nach dem Euphratlande und nach Bostra werden seine besondere Aufmerksamkeit beschäftigt haben, er hat sie wahrscheinlich durch Castelle verstärkt. In der Nähe Palmyras trägt die Ruine eines Tempels den Namen Hadrians, zu dessen Heil er errichtet worden war.Vogüé, Inscr. Aram. S. 50: υπὲρ σωτηρίας . . . ’Αδριανου̃. Der Glanz der Palmenstadt begann, wie der Bostras, Petras und Baalbeks, in der Zeit dieses Kaisers und der Antonine, und erreichte im dritten Jahrhundert unter der Herrschaft Odenats und der großen Zenobia seinen Gipfelpunkt. Aurelian hat dann im Jahre 273 die herrliche Stadt zerstört.

Von Syria-Phönike ging Hadrian noch im Jahre 130 nach Judäa, und wir folgen ihm gerade in dieses Land mit Spannung, weil es bald der Schauplatz furchtbarer Ereignisse werden sollte.


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