Ferdinand Gregorovius
Der Kaiser Hadrian
Ferdinand Gregorovius

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Achtzehntes Capitel.

Ausbreitung des Christentums. Die christliche Religion eine religio illicita. Hadrian hat die Christen nicht verfolgt. Rescript Hadrians an den Proconsul Fundanus. Die christlichen Apologeten.

Die christliche Religion zählte noch nicht ein Jahrhundert ihres Daseins, als Hadrian den Tron bestieg, und schon besaß sie Anhänger in allen Provinzen des Reichs. Sie war von Palästina ausgegangen, und auf den Handelsstraßen der Phönizier über Damascus nach Kleinasien, über Troas nach Griechenland, über Cypern nach dem Abendlande vorgedrungen. In allen Emporien des Mittelmeers hatte das Christentum unter den Heiden seinen Sitz genommen.Movers, Phönizien III, 1, S. 1 f.

Die Zerstörung der Nationalitäten durch die römische Monarchie, die Schwäche der heidnischen Staatskirche in Folge der Auflösung der antiken Religionen durch die Mischung der Culte, der philosophische Atheismus und die Skepsis auf der einen, die Moral der Stoa auf der anderen Seite, die Wundergläubigkeit und das Bedürfniß nach Erlösung durch neue Mysterien, die Sittenverderbniß, die Despotie und die Knechtschaft der unteren Klassen, all dies hatte dazu beigetragen, der Lehre der Apostel in dem römischen Weltreich den Boden zu bereiten. Die erste allgemeine Sprache der Kirche war überall die griechische Weltsprache.Selbst die römische Liturgie war griechisch. Selbst noch im 3. Jahrhundert finden sich in den Katakomben griechische Grabschriften der Päpste (De Rossi, Roma sotter. II.). Im 2. Jahrh. waren die röm. Bischöfe meist Griechen (Evaristus, Telesphorus, Hyginus, Anicetus, Soter, Eleutherius). Nur durch die Monarchie der Römer konnte überhaupt das Christentum geschichtlich zur Weltreligion werden. Zur Zeit Hadrians umspannte schon ein Netz wol organisirter Gemeinden das ganze Reich vom Euphrat bis über Gallien, Spanien, Britannien und das römische Afrika.

Es ist bemerkt worden, welchen Dienst dieser Kaiser dem Christentum leistete, indem er Jerusalem in eine römische Colonie verwandelte, wodurch die christliche Gemeinde Palästinas genötigt wurde, sich von der Nationalschranke des Judentums für immer loszusagen. Seither konnte die ursprüngliche Metropole der christlichen Kirche nie mehr zu ihrem herrschenden Mittelpunkt werden. Mit gerichtlicher Notwendigkeit wurde Rom dazu. Obwol das dortige Bistum anfangs nicht mehr Geltung hatte, als das in Antiochia und Alexandria, selbst als die Kirchen in Ephesus und Smyrna, in Korinth und Karthago, so vereinigten sich doch viele Bedingungen, das Bestreben der Bischöfe Roms nach der Suprematie zu unterstützen, nämlich die Majestät der Weltstadt selbst, die Mythe von der Gründung der römischen Kirche durch Petrus, und endlich deren außerordentlicher Reichtum.Renan, Marc-Aurèle et la fin du monde antique, S. 23: le trésor cmmun du christianisme était en quelque sorte à Rome. Keine große Persönlichkeit hat die Grundlagen des Reichs dieser römischen Priester gelegt.Karl Hase, Kirchengesch., S. 62. Ihre Geschichte ist noch im zweiten Jahrhundert so gut wie legendär, und erst drei Jahrhunderte nach Hadrian, nachdem der Sieg des Christentums entschieden war, ist eine hervorragende Gestalt unter den Bischöfen Roms aufgetreten.

Der Kampf mit dem Sektenwesen, welches in der ersten Stunde ihrer Gründung seinen Anfang nahm, und der andere heroische mit dem römischen Staatsprincip unter wiederholten Verfolgungen haben der christlichen Kirche überhaupt dogmatische Festigkeit und Glaubenskraft gegeben.

Noch im zweiten Jahrhundert wurden die Christen von der römischen Staatsregierung als fanatische Anhänger eines Mysterium angesehen, welches man für sinnlos und verächtlich hielt. Man hörte aber doch schon auf, ihre Sekte mit dem Judentum zu vermengen. Man begriff sie als eine eigenartige Genossenschaft der Christiani oder Galiläi, und da diese nicht wie die Synagoge der Juden auf öffentliche Duldung Ansprüche machen konnte, so fiel sie unter den Bann des trajanischen Gesetzes, welches die unerlaubten Hetärien verboten hatte. Unter Nero und Domitian waren die Christen verfolgt worden. Von diesem Kaiser bis auf Decius hat dann, nach der Ansicht des Lactantius, keine Christenverfolgung mehr statt gefunden.

Wenn aber doch von solcher unter Trajan und Hadrian die Rede ist, so war sie keine allgemeine, durch kaiserliche Edicte gebotene. Sie blieb local, da sie in Städten und Provinzen durch Volkstumulte, durch Privatleidenschaften und den wichtigthuenden Eifer der römischen Statthalter hervorgerufen war. Während Eusebius und Hieronymus, Augustinus und Orosius von einer Christenverfolgung unter Hadrian sprechen, wissen Lactantius und Tertullian nichts davon, und auch Melito von Sardes, dessen Schutzschrift an den Kaiser Antoninus Pius Eusebius aufbewahrt hat, gedenkt nur der Verfolgungen unter Nero und Domitian und erinnert dagegen an das gnädige Rescript Hadrians an den Proconsul Fundanus.Euseb., H. Eccl. IV, 26; Tertullian., Apoleget. adv. gentes, c. 5 kennt nur die Verfolgung Neros, und nennt Hadrian ausdrücklich unter den Kaisern, die keine leges gegen sie erlassen haben.

Im Judenkriege des Barkocheba hatten die Christen auch von den zur Rache entflammten Römern viel gelitten, und ihre Andachtstätten in Jerusalem waren durch die Colonisten der Aelia Capitolina überbaut, zerstört und entweiht worden. Aus dieser Thatsache hat Sulpicius Severus den irrigen Schluß gezogen, daß Hadrian ein Feind der Christen gewesen sei, obwol derselbe schließlich diese sogenannte vierte Christenverfolgung als ungerecht verboten habe.Sulp. Severus ed. Halm II, 31; Dodwell, Dissert. Cyprian. XI, § 22. Nur die Legende, nicht die beglaubigte Geschichte kennt ein paar Martirer der hadrianischen Zeit. Als solche werden bezeichnet der römische Bischof Alexander, dessen Gruftkirche am siebenten Meilenstein der Via Nomentana aufgefunden worden ist, die heilige Symphorosa und ihre sieben Söhne, denen an der Via Tiburtina die berühmte Kirche der sieben Brüder geweiht wurde.Eusebius kennt keinen einzigen Martirer der Hadrian. Zeit. Den Tod Alexanders setzt er vor den Regierungsantritt des Kaisers; ins Jahr 132 setzt ihn der Lib. Pontificalis. Der Tod der Symphorosa und ihrer Söhne wird nur in einem dem Julius Africanus zugeschriebenen Martirologium in die Zeit Hadrians verlegt. Hausrath, Neutestamentl. Zeitgesch., S. 529. Vom Martirer Telesphorus weiß nur Iren. III, 3. Der Katalog der Martirer unter H. bei Champagny, Les Antonins III, S. 46, 94 entbehrt jeder Begründung. Die gefabelte Masse von 4000 Martirern unter H. hat De Rossi abgewiesen, Roma Sotterr. II, c. 27.

Hadrian hat gleich allen vornehmen Römern die Christen mit Geringschätzung angesehen, wie das auch sein ägyptischer Brief an Servianus gezeigt hat. Er wußte von ihnen als von Schwärmern eines syrischen Mysterium, welches die gebildeten Heiden abschreckte, weil sein Mittelpunkt der schmachvoll gekreuzigte Chrestus war. Als lichtscheue und trotzige Fanatiker, die mit dem odium generis humani belastet waren, hat sie Tacitus und noch Sueton, der Secretär Hadrians, bezeichnet.Sueton, Nero 16: Genus hominum superstitionis novae et maleficae; Domitian. c. 15: Comptentissima inertia. Diese Ansicht war in den höfischen Kreisen fest geworden, trotz der Propaganda, die das Evangelium schon unter Nero und den Flaviern selbst im Cäsarenpalast gemacht hatte. Unter den Mysterien des Morgenlandes, welche die Neugierde Hadrians reizten, befand sich schwerlich die Lehre der Apostel. Sein Geist war aber so frei und weit angelegt, daß er dem Christentum niemals feindlich entgegengetreten ist. Hadrian war toleranter, als der Stoiker Marc Aurel, welcher es für seine Pflicht hielt, gegen die Bekenner der neuen Religion die Schärfe des Staatsgesetzes anzuwenden.Dies zeigen die Martirer von Lyon, Renan, Marc. Aurèle c. 19. Der Widerspruch der Christen gegen die Culte der Staatsgötter, und ihre fremdartige Gesellschaftsform hatten bisher nur das Urteil des Präfecten, aber noch nicht die heidnische Wissenschaft zum Kampf herausgefordert. Kein Philosoph aus dem Gelehrtenkreise Trajans und Hadrians hat einen kritischen Blick auf den Inhalt der Dogmen der Galiläer geworfen.

Erst unter den Antoninen begannen sie ein Gegenstand für die Prüfung heidnischer Sophisten zu werden, und aus diesem neuen Verhältniß entsprangen, bei der wachsenden Macht der christlichen Religion, die Apologien des Heidentums. Ihre Reihe eröffnete der Philosoph Celsus um 150; sie hat sich dann in Philostratus, Porphyrius, Jamblichus, im Kaiser Julian und dem Sophisten Libanius, in Eunapius und Zosimus und dem Neuplatoniker Proklus bis gegen das Ende des fünften Jahrhunderts fortgesetzt.Siehe darüber Kellner, Hellenismus und Christentum.

So wenig ist Hadrian ein Verfolger der Christen gewesen, daß man in ihm sogar ihren Gönner hat sehen wollen. Denn schon Dio hat behauptet, daß er ihnen Ehre angethan habe, und Antoninus Pius von gleicher Gesinnung gewesen sei.Dio 70, 3 sagt von Antoninus: καὶ τη̃ του̃ ‛Αδριανου̃ τιμη̃, ὴν εκει̃νος ετίμα χριστιανοὺς, προστιθείς; wenn dies nicht ein Zusatz des Xiphilinus ist. Bei Eusebius findet sich sodann das vielbesprochene Rescript, welches Hadrian an den Proconsul Asiens Caius Minucius Fundanus erlassen hat, und zwar auf Grund einer von dessen Vorgänger Quintus Licinius Granianus gemachten Vorstellung über das tumultuarische Gerichtsverfahren bei der Aburteilung von Christen.H. Eccl. IV. 9. Nach dem römischen Staatsgesetz wurden die Christgläubigen einfach verurteilt, sobald sie ihren Christennamen bekannten, und freigesprochen, wenn sie ihn abläugneten. Der Richter bestrafte den Namen nicht die Verbrechen (flagitia cohaerentia nomini).

Diese bürgerliche Rechtlosigkeit der Christen war durch die Auffassung Trajans als Princip festgestellt worden, da er in seinem Rescript an Plinius befohlen hatte, die Christen nicht aufzusuchen, aber zu bestrafen, wenn sie angezeigt und überführt waren. Durch diesen epochemachenden Befehl war das christliche Glaubensbekenntnis als eine unerlaubte Religion (religio illicita) erklärt worden.F. Chr. Baur, Das Christentum und die christl. Kirche, 2. Aufl. 1860, S. 438. Neander, Gesch. der christl. Rel., 2. Aufl., I, 171. Er blieb die Norm, nach welcher sich die folgenden Kaiser gerichtet haben. Den Christen nun mußte alles daran liegen, aus diesem Zustande herauszukommen. Ihre Apologeten forderten bei Prozessen die Trennung des Namens von den Handlungen, und wenn sie das erreicht hätten, so würde auch ihr Bekenntniß zu einer erlaubten Religion geworden sein.Tertullian., Apologet, c. 2.

Eine solche Vergünstigung hat man in jenem Rescript Hadrians erkennen wollen, denn darin befahl er dem Proconsul Asiens die des Christentums Angeklagten nicht auf das bloße Geschrei des Volks und die Angebereien der Sykophanten zu verurteilen, sondern die Anklage rechtlich zu untersuchen, und nach Erweis gesetzwidriger Handlungen diesen entsprechend das Urteil zu fällen, verläumderische Anklagen aber strenge zu bestrafen.

Das berühmte Rescript »des großen und erhabenen Kaisers Hadrian« wurde von Justinus Martyr seiner ersten Apologie, welche er dem Kaiser Antoninus und seinen Adoptivsöhnen Marc Aurel und Lucius Verus im Jahre 138 oder 139 übergeben hatte, angefügt, und Eusebius hat den lateinischen Text desselben ins Griechische übertragen.Apolog. I, c. 68, Vol. I, Opp. Justini ed. Otto, Jena 1876. Rufinus hat den lateinischen Text bewahrt. Der griechische ist aus Eusebius, H. E. IV, c. 9. Die Echtheit ist bestritten worden. Aber zunächst sind die betreffenden Proconsuln Asiens durch Urkunden unzweifelhaft: Licinius Granianus regierte diese Provinz im Jahre 123 oder 124, und sein Nachfolger war C. Minucius Fundanus, der Freund des Plinius und Plutarch.Waddington, Fastes des prov. Asiatiques, S. 197. 199. Der Name des ersten ist Q. Licinius Silvanus Granianus Quadronius (C. I. L. III, 4609. Borghesi VIII, 96 f.).

Man hat in dem Erlaß an Fundanus eine christliche Erfindung gesehen zu dem Zwecke, durch ein kaiserliches Toleranzedict dem Christentum das Rechtsverhältniß einer erlaubten Religion zu sichern. Man hat darauf hingewiesen, daß dies Rescript Hadrians den Richtern niemals zur Richtschnur gedient hat, daß vielmehr unter seinen Nachfolgern die Christenverfolgungen fortdauerten, und bei Prozessen durchaus die Grundsätze Trajans zur Anwendung kamen, während die Apologeten fortfuhren darüber zu klagen und für ihre Glaubensgenossen die bürgerliche Rechtsgleichheit zu fordern.Baur a. a. O., S. 492 f. bezweifelt die Echtheit; siehe auch Th. Klein, Bedenken gegen die Echtheit des Hadrian. Christen-Rescripts (Theol. Jahrb. 1856, 387 f.). Die Literatur pro et contra bei Otto, Justini M. Opp. I, S. 191 Note. Diese Bedenken werden noch unterstützt durch ein zu Gunsten der Christen verfaßtes und dem Kaiser Antoninus Pius zugeschriebenes Rescript, welches mehr als fraglich ist.Antonini Ep. ad Commune Asiae (πρὸς τὸν κοινὸν τη̃ς ’Ασίας), App. zur 2. Apol. Justins (Otto, I, 244), und bei Euseb. IV, 13. Dies Edict ist nicht von Justinus selbst seiner Apologie an Antoninus beigefügt worden; denn hätte er dasselbe gekannt, so würde er sich auf dieses, nicht auf das wenig sagende Rescript Hadrians berufen haben.

Solchen Zweifeln hat man entgegengehalten, daß Justinus unmöglich wagen konnte, mit einer Fälschung vor den Nachfolger Hadrians zu treten, ferner daß auch der Bischof Melito von Sardes in seiner an Marc Aurel gerichteten Schutzschrift sich auf das hadrianische Rescript bezogen hat.Euseb. IV, c. 26. Aber beide Bischöfe konnten immerhin eine unter den Christen umlaufende Fälschung in gutem Glauben hingenommen haben. Treffender ist daher die Ansicht, daß kein christlicher Fälscher sich damit würde begnügt haben, zu Gunsten seiner Glaubensgenossen so wenig zu fordern. Denn der Inhalt des Rescripts bezieht sich nur auf ein gerechteres und gesetzliches Verfahren mit den Christen. Es war dem humanen Charakter Hadrians entsprechend, wenn er dem Treiben geldgieriger Angeber entgegenzutreten befahl.ίνα μὴ τοι̃ς συκοφάνταις χορηγία κακουργίας παρασχεθη̃ – Siehe Neander I, 173. Im Ganzen aber ist sein Erlaß so unbestimmt, daß er weder für das richterliche Verfahren, noch für den Begriff der »gesetzwidrigen« Handlungen der Christen eine feste Norm gibt.τι παρὰ τοὺς νόμους πράττοντας. Ich verstehe darunter nicht Verbrechen schlechtweg, sondern solche religiöser Art, Leugnung der Götter, Verachtung des kaiserlichen Genius u. s. w. Wenn diese das Rescript als ein wirkliches Toleranzedict aufgefaßt hätten, so würden sie das ohne Frage mit dem größesten Nachdruck hervorgehoben haben. Jedoch Justinus hat das nicht gethan, er sagt ausdrücklich dem Kaiser, daß er die Forderung der bürgerlichen Rechtsgleichheit für die Christen weniger aus dem Briefe Hadrians als aus dem Bewußtsein der Gerechtigkeit selbst ableite.

Das Rescript an Fundanus war, wie Melito versichert hat, nur eins unter mehreren ähnlicher Art, welche Hadrian an Statthalter der Provinzen als Verhaltungsmaßregel gerichtet hatte. Seine Nachfolger haben es keineswegs als ein staatsrechtliches Gesetz betrachtet, sondern es verlor seine Kraft, und die christliche Gemeinde blieb, was sie gewesen war, eine außerhalb der Staatsgesetze stehende Hetärie.P. Aubé, L'apologétique chrétienne au II e siècle, Paris 1861, S.  L f. hat dies gut nachgewiesen. Die Echtheit des hadrian. wie antonin. Edicts behauptet Carl Wieseler, Die Christenverfolgungen der Cäsaren, 1878, S. 18 f. Er folgert aber daraus keine Religionsfreiheit für die Christen.

Eusebius hat sich sicherlich geirrt, wenn er den Brief Hadrians als Wirkung der Apologien des Christentums darstellt, welche dem Kaiser von Quadratus, einem Schüler der Apostel und nachmaligem Bischofe Athens, und vom Philosophen Aristides überreicht worden sind. Dies mag bei seiner ersten Anwesenheit in Athen, im Jahr 125 oder 126 geschehen sein.Cavedoni nuovi cenni cronologici intorno alla data precisa delle principali apologie (S. 3) setzt diese Apologien ohne Grund in das Jahr 123. Diese ersten christlichen Schutzschriften, welche noch Eusebius gekannt hat, sind verloren gegangen, so daß für uns die älteste Apologie die des Justinus an Marc Aurel ist.Karl Werner, Gesch. der apolog. und polem. Literatur der christl. Theologie I, 86. Gaston Boissier, La relig. Romaine d'Auguste aux Antonins I, S. 5. Die Mechitaristen in Venedig gaben a. 1878 heraus S. Aristidis, philosophi atheniensis, Sermones duo, von denen das eine Stück die Apologie an Hadrian sein soll, aber die Echtheit desselben bezweifelt Renan, L'église chrétienne, praef. VI.

Es ist schwer zu ergründen, was jene beiden Athener bewogen hat, gerade in ihrer Vaterstadt, wo von Verfolgungen der Christen nichts gehört wurde, für diese einzutreten, und sich an Hadrian zu wenden. Nichts aber hindert uns, die merkwürdige Thatsache selbst für geschichtlich zu halten. Sie konnte durch irgend einen Vorgang in den Gemeinden Griechenlands, selbst durch eine locale Verfolgung oder Bedrückung veranlaßt sein, und der Kaiser, welcher so vielen Gelehrten und Sophisten zu sich Zutritt gab, wird sich kaum geweigert haben, jene athenischen Männer zu empfangen, von denen der eine den Mantel des Philosophen trug. Vielleicht belächelte er sie als eine neue Art griechischer Charlatane, welche im Namen Christi Wunder thaten und Todte auferweckten, während die Gemeinde Athens von der Gerechtigkeitsliebe und Humanität, wie von der Einsicht dieses Kaisers einen Erfolg hoffen konnte. Aber man würde doch zu weit gehen, wenn man glauben wollte, daß die Christen Griechenlands es dem »unbefriedigten, nach Wahrheit suchenden« Geiste Hadrians angemerkt hätten, daß seine Weltanschauung der ihrigen verwandt sei und daher einen Bekehrungsversuch zulasse.Dies denkt sich Hausrath, S. 534.

Erst im Jahrhundert des Eusebius ist aus diesem humanen und geistreichen Kaiser ein heimlicher Christ, oder doch ein Freund des Evangelium gemacht worden. Lampridius erzählt, daß Alexander Severus Christus unter die Götter habe aufnehmen wollen, und daß dies auch Hadrian im Sinne gehabt, da er in allen Städten Tempel ohne Bildsäulen errichtete, welche deshalb einfach Hadrianstempel genannt wurden. Doch sei dieser Kaiser von seinem Plane abgebracht worden, weil diejenigen, welche das Orakel darum befragten, zur Antwort erhalten hätten, daß in diesem Falle alle Menschen Christen werden und alle andern Tempelculte aufhören würden.Lamprid., Alex. Sev. c. 43. Von solchen Hadrianstempeln wurden die in Tiberias und Alexandria im 4. Jahrh. christliche Kirchen: Renan, L'église chrétienne, S. 43.

Auch in den Sibyllinen findet sich die freundliche Auffassung Hadrians von einem christlichen Dichter, welcher von ihm sagt: ein König mit silberner Stirn, der von einem Meer den Namen trägt, wird überall in den Städten Tempel und Altäre errichten, zu Fuß die Welt durchwandern, reiche Geschenke an Gold und Elektron vielen darreichen, alle magischen Mysterien wird er erschließen; keinen besseren Herrscher wird Gott regieren lassen, so lange er das Scepter führt, der Menschenfürst, der helltönende Sänger, der Rechtsgelehrte, der gerechte Richter, wird Frieden herrschen. Doch er selbst wird fallen, durch das eigene Schicksal dahingerafft.Sibyll. XII, 163–175. ed. C. Alexandre, Paris 1869 u. V, 46, wo Hadrian genannt wird, πανάριστος ανὴρ καὶ πάντα νόησει.

Die Apologeten wissen nichts von einem inneren Verhältniß Hadrians zum Christentum. Sie suchen aber die verwandtschaftlichen Bezüge ihres Glaubens zum Heidentum mit großem Geschick und praktischem Verstande zu entwickeln. Sie waren aus der Sophistenschule und dem Platonismus in das Christentum hinübergekommen, so daß sie noch auf halber Schulter den praktischen Philosophenmantel trugen. Justinus Martyr aus Flavia Neapolis oder Sichem in Samarien bewies die Unsterblichkeit der Seele durch die Vorstellungen der Nekromanten und Magier, der Dichter und Philosophen des Altertums. Die Sibyllinen, die Gesänge des Homer, die Komödien des Menander, die Tragiker, Plato und die Stoiker rief er als gleich berechtigt zu Zeugen der christlichen Wahrheit auf, und so hat auch Athenagoras die Einheit Gottes aus dem Euripides und Philolaus, aus Lysis und Plato, aus Aristoteles und den Stoikern zu erweisen gesucht.Athenagor. Leg., S. 5 f. Die platonische Logoslehre hat Justinus als eine wenn auch unvollkommene Offenbarung Gottes im Heidentum angesehen und mit der christlichen Weltanschauung verbunden.Justin., Apol. II, S. 66 f. Auch das ist nichts Neues, so behauptet er, daß Christus als der Logos, welcher der rein aus Gott geborene Sohn ist, gekreuzigt, gestorben und zum Himmel erstanden sei. Man brauche da nur an Hermes als den Logos, Interpreten und Lehrer, an Dionysos und Asklepios, den von der Danae geborenen Perseus zu denken; und warum werden denn auch die Kaiser unter die Götter versetzt? Den Göttern ähnlich zu werden, halten alle für schön.« Der Zusammenhang des Christentums mit den Religionen der Welt lag also noch in dem historischen Bewußtsein der ersten Kirche, und aus dieser Anschauung ist der goldne Spruch des Justinus hervorgegangen: »Alle die der Vernunft (λόγος) gemäß gelebt haben, sind Christen, auch wenn sie für Atheisten galten, wie unter den Hellenen Sokrates und Heraklit, und die ihnen Ebenbürtigen, unter den Barbaren Abraham, Ananias und Azarias.«Apol. II, S. 83.

Nicht allein in die Formeln des christlichen Cultus, sondern auch in sein geistiges Wesen drang ein Hauch aus den alten Tempeln und der philosophischen Schule der Heiden. Selbst der Glaube an Orakel und Weissagung war im Bedürfniß der Menschen so fest gewurzelt, daß auch die Christen davon nicht ablassen konnten. Nur daraus erklärt sich die Entstehung und der allgemeine Gebrauch so vieler prophetischer Schriften und Apokalypsen, wie des Abraham, des Thomas und Petrus, der Weissagungen des Hydaspes und der sibyllinischen Bücher, auf welche sich Justinus und die andern Apologeten berufen haben.

Aus der Verbindung hellenischer und orientalischer Vorstellungen mit dem Christentum entsprang auch die Gnosis, eine auf dem Dualismus gegründete mystische Weltanschauung, welche mit einem Fuße im platonischen Heidentum, mit dem andern in der Offenbarungslehre der Christen stand. Sie bildete sich wesentlich in der Zeit Trajans und Hadrians aus, welcher die Schulen des Saturninus in Antiochia, des Basilides, Valentinus und Harpokrates in Alexandria angehören.


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