Ferdinand Gregorovius
Der Kaiser Hadrian
Ferdinand Gregorovius

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Zwölftes Capitel.

Schöne Literatur. Hadrian als Dichter. Florus. Lateinische Dichter. Griechische Dichter. Pankrates. Mesomedes. Der Musiker Dionys von Halikarnaß. Griechische Epigramme Hadrians. Phlegon. Artemidor und seine Traumbücher. Der Roman vom goldenen Esel.

Der letzte Wellenschlag der matten poetischen Begeisterung der Römer reichte nur bis in die Zeit Hadrians. Mit Statius, Martialis und Juvenal erlosch die römische Nationaldichtung. Juvenal, dessen letzte Lebensschicksale dunkel sind, hat noch unter Hadrian Satiren geschrieben. Im Eingange der siebenten ist unter dem Fürsten, auf welchen die Musen ihre einzige Hoffnung setzen, dieser Kaiser zu verstehen.Sat. XV, 27 wird (L. Aemilius) Juncus als Consul genannt (suff. a. 127). Friedländer III, 461. Er gab Dichtern und Dichterlingen, was sie ersehnten, Gold mit vollen Händen, nur die Geschenke der Musen konnte er ihnen nicht verleihen. Weder mehr die griechische, noch die lateinische Literatur brachten in den höheren Gattungen der Poesie irgend eine geniale Schöpfung hervor.

Hadrian selbst hat sich als Dilettant, wie fast jeder Kaiser oder vornehme Mann in Rom, in Versen versucht.Et de suis dilectis multa versibus composuit; amatoria carmina scripsit. Spart, c. 14. Καὶ πεζὰ καὶ εν έπεσι ποιήματα παντοδατὰ καταλέλοιπεν. Dio 69, 3. Er dichtete Liebeslieder, auch Hymnen auf Plotina.Die Hymnen erwähnt Dio 69, 10. Die lateinische Anthologie schreibt ihm einige Epigramme zu, von denen keines einem Dichter besondere Ehre machen würde. Es befindet sich darunter die Grabschrift auf Soranus, der mit der batavischen Reiterei kühn die Donau durchschwommen hatte, und sogar ein Epitaphium auf das kaiserliche Leibpferd Borysthenes. Doch ist es zweifelhaft, ob diese Verse oder das trockene Epigramm auf die Amazonen wirklich ihm angehören.Lucian Müller (Claudii Rutilii Namatiani, De Reditu suo, Lib. II, 1870, S. 26) hat die echten hadrian. Epigramme auf wenige reducirt. Die Epigramme Hadrians in der Anthol. lat. ed. Meyer, n. 206 bis 211. Echt sind die bekannten Verse, welche er mit P. Annius Florus gewechselt hat. Er scheint diesen Poeten aufgefordert zu haben, ihn auf seiner Reise nach dem Norden zu begleiten, und Florus lehnte die Ehre mit folgenden trochäischen Trimetern ab.

Nimmer will ich sein der Cäsar,
Nicht durchwandern die Britannen,
Nicht den Frost der Scythen leiden.

Hadrian entgegnete:

Nimmer will ich sein der Florus,
Nicht durchwandern die Tabernen,
Hocken nicht in schlechten Küchen,
Nicht den Stich der Mücken leiden.

Spartian hat diese Spielereien, welche wol Improvisationen bei einem Gastmal gewesen sind, der Aufzeichnung für wert gehalten, und es ist wunderbar, daß sie sich überhaupt erhalten haben. 

Ego nolo Caesar esse,
Ambulare per Britannos,
Scythicas pati pruinas –
Ego nolo Florus esse,
Ambulare per tabernas,
Latitare per popinas
Culices pati rotundos
(?).

Florus war ein geistreicher Mann; so zeigt ihn das Bruchstück seiner lateinischen Schrift, die Einleitung des Dialogs über das Schulthema, ob Virgil ein Redner oder Poet gewesen sei. Er hat darin einiges von seinen Lebensschicksalen erzählt.Zuerst von Oehler in Brüssel gefunden, edirt von Ritschl, Rhein. Mus. 1842, I, 302 f. Die Literatur bei Teufel 341. Er war Africaner von Geburt. Als Knabe kam er nach Rom und trat hier als Dichter auf. Aber Domitian verweigerte ihm den Ehrenkranz, welchen er im capitolischen Wettkampf verdient hatte, um solchen Preis nicht an Africa zu geben. Der gekränkte Poet verließ hierauf Rom und durchwanderte die weite Welt, bis er sich in Tarraco niederließ; hier hielt er eine rhetorische Schule. Dort im Tempelhaine ist die Scene jenes Dialogs. Der Unterredner verwundert sich, daß Florus in der Provinz bleibe und Rom nicht wiedersehe, wo man seine Verse declamire, und auf dem Forum sein berühmter dacischer Triumf beklatscht werde. Wir wissen nicht, ob dieses Gedicht die wirklichen Triumfe Trajans zum Gegenstande gehabt hat, oder die schimpflichen Unterhandlungen Domitians mit Decebalus, welche der Senat durch Triumfalehren belohnte. Florus war wieder in Rom, als Hadrian regierte. Er befreundete sich mit ihm. Den ruhelosen Kaiser aber wollte er nicht begleiten, weil er selbst des Umherschweifens in der Welt müde geworden war.

Jenes kostbare Fragment wirft ein Streiflicht auf das Leben des Dichters voll romantischer Wanderschicksale. Seine Biographie würde ein Spiegel der damaligen Literatur und des hadrianischen Musenhofes sein.Einen Beitrag dazu gab F. Eyssenhardt, »Hadrian und Florus«, in Samml. wissenschaftl. Vorträge XVII, 1882. Doch wir wissen sonst nichts von ihm. Die Epigramme des Florus in der lateinischen Anthologie zeigen, daß er auf den Ruf eines talentvollen Dichters Anspruch machen konnte, wenn sich auch sein Pegasus nicht zu hoch über die Regionen der Mittelmäßigkeit erhob.Anthol. lat. ed. Meyer, n. 212–221: auf die Bosheit der Frauen, auf Apollo und Bacchus, auf die Rosen (das beste). Voll Dichterstolz ist Epigramm n. 220:

Consules fiunt quodannis et novi proconsules,
Solus aut rex aut poeta non quodannis nascitur.

Als lateinische Dichter waren in der Zeit Hadrians namhaft Orion aus Alexandria, zwar ein Grieche, der aber einen lateinischen Panegyricus auf den Kaiser dichtete, Voconius, Julius Paulus, Anianus Faliscus, ein etrurischer Idyllenschreiber.Teufel 353, 3. Lucian Müller a. a. O., S. 34 f. Rom schwärmte von Verskünstlern zu jeder Zeit. Der jüngere Plinius schrieb einmal: »Dies Jahr hat einen großen Reichtum von Poeten hervorgebracht; im ganzen Monat April ist fast kein Tag hingegangen, an dem nicht irgend einer sich hat hören lassen.« Und dabei klagte er über die Teilnahmlosigkeit des Publicums.Plin., Ep. I, 13.

Zahlreicher und den Lateinern überlegen scheinen die griechischen Dichter gewesen zu sein. Ruf genossen Euodos aus Rhodus, Erycius aus Thessalien, der Alexandriner Pankrates, welcher den Antinous besang und dafür eine Stelle im Museum erhielt, und ganz besonders Mesomedes von Kreta. Dieser war ein Freigelassener Hadrians und als Hofsänger zur Cither so hoch in seiner Gunst wie einst Menekrates in der des Nero. Auch er hat den Antinous besungen. Es ist bedauerlich, daß wir keine dieser Antinoiden mehr besitzen. Ihr Stoff war romantisch genug, und noch in unserer Gegenwart ist er zu Romanen benutzt worden. Sie würden uns darüber aufklären, wie sich das Schicksal jenes Jünglings, dessen Gestalt uns nur durch die plastische Kunst überliefert ist, auch im Vorstellen der Dichter seiner Zeit abgespiegelt hat, und welche sittliche Seite sie dieser Tragikomödie abgewonnen haben. Zahlreiche Dichtungen müssen von den Höflingen des Kaisers seinem vergötterten Knaben gewidmet worden sein. So schrieb auch der Rhetor Numenios von Troas eine Trostrede auf Antinous.Παραμυθικὸς εις ’Αντίνοον. Suidas s. v. Numenios. Hadrian belohnte die Antinoide des Mesomedes mit einer Pension; später entzog sie Antoninus Pius dem Dichter aus Rücksichten der Sparsamkeit, aber noch Caracalla setzte ihm ein Denkmal, und das beweist, daß die Talente des Kitharöden einen Eindruck in der Zeit zurückgelassen hatten.Dio 77, 13: τω̃ τε Μεσομήδει τω̃ τοὺς κιθαρωδικοὺς νόμους συγγάψαντι, woraus hervorgeht, daß Mesomedes die Regeln seiner Kunst zusammengestellt hatte. Das Chron. Euseb. z. J. 146 verzeichnet ihn als κιθαρωδικω̃ν νόμων μουσικὸς ποιητής. Von Mesomedes haben sich zwei Epigramme und ein Hymnus an die Nemesis erhalten, welchen noch Synesius im fünften Jahrhundert gekannt hat. Als Virtuos des Gesanges und Citherspiels hat er oft in musikalischen Wettkämpfen gesiegt und das Herz Hadrians gewonnen.Suidas, Mesomedes: εν τοι̃ς μάλιστρα φίλος.

Der Kaiser war Dilettant auch in der Musik. Er ehrte deshalb einen berühmten Musiker, Aelius Dionysos von Halikarnaß, den Verfasser einer Theorie und Geschichte der Musik, der seinen Gentilnamen von Hadrian angenommen hatte. Ob diesem oder einem andern Tonkünstler desselben Namens der Hymnus an Kalliope zuzuschreiben ist, bleibt ungewiß. Die Hymnen an diese Muse, an Helios und der genannte des Mesomedes sind die einzigen Gesänge, die uns mit altgriechischen Noten überliefert sind.Herausgegeben von Bellermann, Die Hymnen des Dionysos und Mesomedes, 1840. Ein Geschichtschreiber der Musik hat sie schätzbare Antiquitäten genannt, die nicht als Maßstab für die griechische Musik der Blütezeit gelten können, und er vergleicht diese aus traditionellen Phrasen glatt zusammengesetzten Dichtungen mit den Reliefs derselben Epoche, welche aus herkömmlichen Figuren componirt sind.Ambros, Gesch. d. Musik I, 451.

Hadrian war ein in beiden Sprachen so gut geschulter Philologe, daß er sich auch als Dichter in griechischen Versen versucht hat.Dio 69, 3 nennt ihn φύσει δὲ φιλόλογος εν εκατέρα τη̃ γλώσση. Wir besitzen fünf Epigramme von ihm, darunter die Weihinschrift der dacischen Beute, welche Trajan dem Zeus Casius dargebracht hatte. In einem an Eros gerichteten Epigramm bat Hadrian den Sohn der süßredenden Kypris, welcher im helikonischen Thespiä an den Blumengärten des Narcissus wohne, das Weihgeschenk eines Bären gnädig anzunehmen, den er zu Roß getödtet hatte, und er begehrte als Gegengeschenk einen Hauch der Gunst der Aphrodite Urania. Die Grazie dieser Verse ist nur dem griechischen Sprachschatz entlehnt.Kaibel, Ep. gr. n. 811. Unter den griech. Epigr. ist das längste jenes an Jupiter Casius, Anth. VI, 332. Andere Epigramme VII, 674; IX, 137.387 (auch dem Germanicus zugeschrieben); IX, 17; IX, 402 (fraglich). Ein griech. Epitaphium auf Hector bei Cramer, Anec. gr. Oxonien. III, 354; Scholia ad Tzetzis Chiliad. II, 78. Ein griech. wahrscheinlich hadrianisches Epigramm auf den Dichter Parthenius, bei Kaibel n. 1089. Tillemonts Irrtum (Adrien S. 443), daß der Kaiser eine Alexandreis gedichtet habe, beruht auf der Verwechslung der Namen Adrianus und Arrianus.

Spartian berichtet, daß der Kaiser ein sehr dunkles Werk unter dem Titel Libri Catachannae verfaßt habe. Dasselbe scheint eine dem Antimachus nachgeahmte Satire wunderlichen Inhalts gewesen zu sein.Man hat das Wort von gepfropften Bäumen gebraucht, welche verschiedenartige Früchte hervorbrachten (Forcellini, Lex. Catachanna). Die beste Erklärung von καταχήνη als satirischer Schrift gibt Th. Bergk, De Antimachi et Hadriani Catachenis, Zeitschr. für Alterthumswiss. (ed. Zimmermann), 1835, S. 300. Man hat Hadrian nachgesagt, daß er den Homer durch jenen Verfasser des veralteten Epos Thebais habe verdrängen wollen, und selbst diese Geschmacksrichtung hat man dem Neide zuzuschreiben, mit welchem er nicht nur die Verdienste der Lebenden, sondern auch der Todten verfolgt habe.Dio 69, 4: μὴ μόνον τοι̃ς ζω̃σιν αλλὰ καὶ τοι̃ς τελευτήσασι φθονει̃ν. Zu seiner Zeit schrieb der Alexandriner Chännus, Sohn Hephästions, einen Antihomer in vierundzwanzig Gesängen, und dies beweist die Verschrobenheit des Urteils in den Schulen der damaligen Grammatiker.

Die Dichtung der hadrianischen Zeit bietet dem Literaturhistoriker wenig Stoff dar, aber er kann eine Gattung von Schriften als Zeugnisse der Nachtseite des Jahrhunderts betrachten, dies sind die Dämonengeschichten, welche dann in den märchenhaften und satirischen Roman übergehen. Phlegon hat »Wundergeschichten« geschrieben, worin er die unsinnigsten Gespensteranekdoten erzählt, unter ihnen auch jene, welche für Göthe die Quelle der »Braut von Korinth« geworden ist. Alle diese Fabeln haben weder den Reiz einer schauerlichen Phantasie, noch den Wert einer versteckten Moral. Sie sind kraß und ungeschickt erfunden.Phlegontis Tralliani opuscula gr. et lat. ed. Franz. Fragmenta ed. C. Müller, 1849, in Fragm. histor. Graecor. Vol. III. Das Publicum für solche Dinge war damals sehr groß, denn die Zersetzung der Religionen steigerte den Aberglauben, und vom Kaiser bis zum Sclaven herab beschäftigte sich alles mit Magie, Dämonologie und Astrologie. Von jener mystischen Richtung gibt auch das Bestreben Zeugniß, den Traum selbst als eine Offenbarungsquelle wissenschaftlich zu behandeln. An die Macht der Träume glaubte jedermann, so gut Galenus, der sie als medicinische Winke zuließ, als Pausanias, welcher sich durch einen Traum bestimmen ließ, nicht über das Eleusinium zu schreiben, als Lucian, den ein Traum bewog, statt Bildhauer Sophist zu werden.

Schon Hermippus von Berytus, ein Schüler des Herennius Philo, hatte zur Zeit Trajans und Hadrians eine Geschichte der Träume geschrieben. Sein Nachfolger war Artemidorus Daldianus aus Ephesus, dem Hauptsitz alles dämonischen Aberglaubens. In der Vorrede zu seinen Oneirokritika oder Traumdeutungen rühmt er sich, der Welt ein wahrhaftes und allgemeinnütziges Werk geschenkt zu haben, worin die ganze griechische Literatur über die Träume zusammengefaßt sei.Artemidorus, Oneirocritica ed. Reiff, 1805; ed. Hercher 1864. In der That hatte der gelehrte Mann fast sein Leben darauf verwendet, Länder und Inseln zu bereisen, um Materialen für seine Arbeit zu sammeln.

Zuerst stellt er den Unterschied des Oneiros und des Ephypnion fest. Jener prophezeie die Zukunft, dieses die Gegenwart; jener wirke auch im Wachen auf die Seele fort, dieses höre mit dem Schlafe auf. Die Träume der ersten Gattung sind speculative, welche ihren eigenen Trauminhalt bezeichnen, wie wenn jemand vom Schiffbruch träumt, der nachher wirklich eintrifft, oder allegorische. Nach seiner Theorie ist der Oneiros eine vielbildliche Bewegung der Seele, etwas was außer dem Bewußtsein steht und worin die Seele dem Menschen Orakel gibt, ihm entweder keine oder eine gewisse Zeit lassend, um die Zukunft zu schauen. Der allegorische Traum zeigt durch sein Bild meist sympathisch die Ereignisse an. So bezeichnet der Kopf den Vater, der Fuß den Sclaven u. s. w. Träumt jemand, er werde geboren, so bedeutet das für den Armen Glück, denn ein Kind muß doch einen Unterhalt und einen Vormund haben; im Falle des Reichtums zeigt es an, daß man die Gewalt über sein Vermögen verlieren werde, denn ein Kind ist nicht sui juris. Oft ist die Auslegung nicht ohne Scharfsinn. Sie beruht meist auf dem Verhältniß, in welchem der Träumende zum Traumbilde gedacht werden kann. Ein großer Kopf bedeutet Reichtum, Ehrenstellen, Siegerkränze, natürlich wenn man sie noch nicht besitzt; denn im Falle des Besitzes bedeutet er Sorgen. Lange und geordnete Haare versprechen Glück, umgekehrt Unglück und Trauer. Wolle anstatt der Haare bedeutet Krankheit, ein geschorener Kopf Unheil. Wenn man träumt, daß einem Ameisen ins Ohr kriechen, so ist das nur für die Sophisten heilverkündend, denn das bedeutet viele Zuhörer, allen Andern wahrsagt es den Tod, weil die Ameisen in der Erde wohnen. Träumt ein eheloses Weib, daß sie einen Bart habe, so kann sie sicher auf einen Mann rechnen. Träumt ein Angeklagter, daß er geköpft werde, so darf er den Henker nicht mehr fürchten, denn zweimal kann ein Kopf nicht abgeschlagen werden.

In dieser Weise geht Artemidor die Traumbilder durch, indem er von dem Leiblichen zur geistigen Beschäftigung im Traume, dann zu der ganzen Erscheinungswelt fortgeht.

Wenn in den Schriften Phlegons die Gespensteranekdote nur als Stoff für die Unterhaltung dient, von Artemidor aber der Versuch gemacht wird, den Traum psychologisch zu behandeln, so haben später der Grieche Lucian und der Lateiner Apulejus den Gespensterglauben und die Dämonologie, wenn auch völlig fruchtlos, durch die Satire bekämpft. Der wahre Verfasser des Romans vom goldnen Esel soll Lucius Patrensis gewesen sein; sodann hat ihn Lucian weiter fortgeführt, und Apulejus, der um die Mitte der Regierung Hadrians zu Madaura in Africa geboren war, ist der letzte Redigent dieses obscönen, aber kostbaren Sittengemäldes der Zeit der Antonine gewesen. Ihm verdankt die Literatur die Aufzeichnung der Fabel von Amor und Psyche, einer der zartesten Dichtungen des Altertums, welche in jenen Schmutzroman als Perle eingesenkt ist. Diese platonische Allegorie von der Seele, die durch das Purgatorium des Leidens zur himmlischen Glückseligkeit emporsteigt, sieht schon wie ein Abschied des sterbenden Heidentums aus, welches seinen Uebertritt in das Christentum ahnt. Nicht vor dem zweiten Jahrhundert sind die Marmorgruppen von Amor und Psyche oder ihre bildliche Darstellung auf Sarkophagen nachweisbar.Gaston-Boissier, La religion Romaine d'Auguste aux Antonins II, 120. Ueber das Märchen von Amor und Psyche und andre Spuren des Volksmärchens im Altertum: Friedländer I, S. 468 f. Die große Literatur darüber hat eine feingebildete Römerin Donna Ersilia Caetani Lovatelli durch eine schöne Abhandlung vermehrt: Amore e Psiche, Roma 1883.

Wir sind nicht hinreichend aufgeklärt über die Fortbildung des griechischen Romans dieser Epoche. Ihr scheint Jamblichus aus Syrien anzugehören, von dessen babylonischen Geschichten (Liebesroman des Rhodanes und der Sinonis) Photius Auszüge gemacht hat. Die Lebensumstände dieses und anderer Romanschreiber sind dunkel, und ohne Frage ist eine ganze Literatur dieser Gattung untergegangen, deren Vaterland Ephesus gewesen sein muß.Auch die Ephesiaka oder Liebesgesch. der Anthia und des Abrokomas von Xenophon aus Ephesus ist zeitlich unbestimmbar. Erwin Rhode, Der griech. Roman und seine Vorläufer, S. 360 f. Die Feldzüge Trajans hatten der Phantasie den Orient neu erschlossen und Hadrian setzte diese Bezüge fort. Die Vorstellungskreise Griechenlands, Asiens und Aegyptens sind durch ihn in noch nähere Berührung mit einander und dem Abendlande gekommen. Die Welt war auf Reisen. Den wirklichen Reisen Hadrians gingen die eingebildeten des Romans zur Seite. Sie müssen sehr in Mode gewesen sein, da sie Lucian in seinen »Wahrhaften Geschichten« verspottet hat. Im Beginne des dritten Jahrhunderts sind diese abenteuerlichen Reisen zu dem berühmten socialreligiösen Tendenzroman von Philostrat verarbeitet worden, wo Apollonius von Tyana als heidnischer Christus die Welt durchwandert. Das Heidentum wehrte sich vergebens gegen die Auflösung des positiven Gehalts der antiken Religion in die Romantik, denn sie wurde in jeder Richtung vollzogen, sowol durch die Ironie der Atheisten als die phantastische Ideenlehre der Neupythagoräer und Platoniker.


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