Ferdinand Gregorovius
Der Kaiser Hadrian
Ferdinand Gregorovius

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Zweiundzwanzigstes Capitel.

Architectur. Großartiger Bürgersinn der Städte. Baulust Hadrians. Antinoe. Straße nach Berenike. Andre Bauten in Aegypten. Der Tempel in Cyzikus.

Die größte Leidenschaft Hadrians war das Bauen. Er überbot darin vielleicht jeden bekannten Herrscher der Geschichte, und sein Baugebiet war das römische Reich. Noch mit mehr Recht als seinen Vorgänger Trajan hätte man ihn den »Erbauer der Welt« nennen könnenOrbem terrarum aedificans sagt von Trajan Eutrop. VIII, 4.. Aber nicht der Kaiser allein, sondern Provinzen und Städte waren von derselben Leidenschaft ergriffen. In dieser friedlichen Epoche hatte sich der Kunstsinn der Städte hoch entwickelt, und der Patriotismus der Bürger suchte den Ruhm der Vergangenheit durch neue Monumente zu mehren. Besonders zeichneten sich die Städte des griechischen Asiens, die reichsten in jener Zeit, durch aufopfernde Vaterlandsliebe aus. Auch in Italien, Gallien und Spanien lebte ein ähnlicher, großartiger Bürgersinn; die Communen wetteiferten mit einander in der Errichtung privater und öffentlicher Bauten, wie einst die Republiken Griechenlands in ihrer besten Zeit oder wie später im Mittelalter die Städte Italiens.

Reiche Bürger statteten ihre Heimatsorte mit schönen Werken aus, oder sie machten ihnen Geschenke zu diesem Zweck. Erst seit Nerva und Trajan hatten die Städte das Recht erlangt, Erbschaften durch Fideicommiß anzunehmen, und dieses wichtige Recht verlieh ihnen unumschränkt ein Senatsconsult Hadrians.Ulp., Fragm. 34, 28. Daraus floß für sie eine neue Quelle öffentlicher Einnahmen, da es Ehrensache wurde, für patriotische Zwecke Summen testamentarisch anzusetzen. Inschriften und andere Zeugnisse liefern schon vor Hadrian zahlreiche Beweise sowol von den Reichtümern als von dem für uns kaum noch begreiflichen Patriotismus in allen Provinzen des Reichs. Ein Consul zur Zeit Trajans schenkte der Stadt Tarquinii mehr als drei Millionen Sesterzien zu Bauten, und sein Sohn vergrößerte diese Summe. Ein Bürger schenkte seiner Vaterstadt Laodicea zu gleichem Zweck 2000 Talente. In Neapel verwendeten zwei Brüder Stertinius ihr Vermögen zur Ausschmückung dieser Stadt, und in Massilia baute der Arzt Krinos die Stadtmauern auf seine Kosten. Eine Priesterin zu Calama in Numidien gab 400,000 Sesterzien zum Bau eines Theaters her, und Numidia Quadratilla baute in Casinum ein Amphitheater und einen Tempel. Privatpersonen errichteten die großen Säulenhallen in der Wunderstadt Palmyra, und griechische Sophisten bauten in Smyrna, Pergamon, Kotyäum, Antiochia, Ephesus und andern Städten Portiken, Bäder und Theater.Ich sah in Ephesus die Linien der von Wood aufgefundenen Halle, welche der Sophist Damianus vom Tempel der Diana nach der Stadt geführt hatte. Ein einziger Sophist, Herodes Atticus, konnte sogar mit Hadrian wetteifern, indem er Athen und manche andere Stadt mit prachtvollen Werken schmückte.Von dieser privaten Bauthätigkeit Duruy V, 138 f.; Friedländer III im Abschnitt Architectur.

Wo es große Unternehmungen galt, mußten die betreffenden Provinzen die Mittel aufbringen. Unter Trajan trugen die Kosten der großen Brücke über den Tagus zu Alcantara elf Städte Lusitaniens. Bisweilen beschwerten sich die Provinzen über die zu drückende Beisteuer zu öffentlichen Bauten, und diese durften nicht ohne kaiserliche Erlaubniß unternommen werden.Dig. L. 10, 3. Hadrian hatte Herodes Atticus zum Corrector der Städte Asiens gemacht und ihm den Bau einer Wasserleitung in Troas erlaubt zum Kostenanschlage von 3 Millionen Denare; der kühne Sophist verbaute 7 Millionen, worauf sich die Provinz beklagte, daß ihre ganze Steuerkraft verschlungen werde.Marquardt, R. St. II, 296. Aber die Liberalität des Kaisers war auch in solchen Fällen zur Beihilfe bereit; so lehrt eine Inschrift, daß Hadrian den größten Teil der Kosten zum Bau der Straße von Benevent nach Aeclanum getragen hat.Von 1,716,000 Sesterz. zahlten die anwohnenden Possessoren nur 569,000. Mommsen, I. R. N. 628 f. Dyrrhachium beschenkte er mit einer Wasserleitung, welche später Alexander Severus herstellte.C. I. L. III, 709, bei Dürr Anh., n. 85. Für das Gymnasium in Smyrna gab er eine so große Summe her, daß dies Werk dann durch Sammlung anderer Beiträge zu Stande kam.χιλιὰς μυριάδας C. I. G. 3148. Gesellschaften bildeten sich, welche Capitalien zusammenlegten, und große Bauten wurden an Unternehmer in Concurrenz ausgeboten.

Unermeßliche Impulse des Wetteifers in der Errichtung von Monumenten der Architektur gingen von Hadrian nach allen Provinzen des Reiches aus. Besaßen wir den vollständigen Katalog der Bauwerke, die er aus eigener Liberalität entstehen ließ, so würde uns ihre Menge märchenhaft erscheinen. Denn in allen Weltteilen, die er durchwanderte, hat er Tempel, Gymnasien, Wasserleitungen, Straßen als Denkmäler seiner Reisen zurückgelassen.Ejus itinerum monumenta videas per plurimas Asiae atque Europae urbes, Fronto princip. hist., S. 244. Er führte stets Architecten und Ingenieure mit sich und ein Heer von Bauhandwerkern, welches militärisch eingeteilt war.Aurel. Victor, Epit. 14.

Zunächst waren es ganze Städte, die er zum Teil oder völlig neu erbaute. Mehrere nannten sich von ihm Aelia, Aeliopolis, Hadriana oder Hadrianopolis. Solche gab es in Thracien, in Bithynien und Lycien, in Macedonien, in Illyrien, in der Cyrenaica, in Aegypten, in Pontus, Syrien, Paphlagonien und Karien.Ziegelinschriften weisen eine unbekannte Stadt Hadrians Manpsus auf, Ephem. Epigraph, zu C. I. L. IV, S. 332. Spartian sagt: da er bei seinen Werken Titel nicht liebte, nannte er viele Städte Hadrianopolis, wie Karthago und einen Teil Athens. Die Benennungen für diese beiden waren nur vorübergehend, aber Jahrhunderte lang erhielt sich der Name Aelia für Jerusalem.

Wunderlich sind bisweilen die Veranlassungen gewesen, welche Hadrian zum Bau von Städten nahm. In Mysien gründete er Hadrianotherä, um seiner Jagdliebe dort ein Denkmal zu setzen, wo er einen Eber getödtet hatte.Spart, c. 20; Dio 69, 10. Wir haben von dieser Stadt eine Antinousmünze, worauf sie als Wappen ein Eberhaupt führt.Eckhel VI, 530.

Dem Antinous zu Ehren baute er Antinoopolis oder Antinoe, in der Heptanomis an der Stelle der kleinen Stadt des Gottes Besa auf der östlichen Seite des Nil. Ptolemäus erwähnt ihrer als der Metropolis eines eigenen Nomus Antinoitis, wozu sie also von Hadrian gemacht sein mußte. Ihr gegenüber lag Hermupolis.Ptolem. 107; Mannert X, 1, S. 395. Die Stadt Abydus enthielt ein Orakel des Besa. Ammian. Marcell. XIX, 12, S. 539. Antinoe war als eine wesentlich hellenische Stadt nicht im ägyptischen, sondern im griechischen Stil erbaut worden.Letronne, Inscr. de l'Egypte I, 171; Hirt, Gesch. d. Baukunst der Alten II, 383. Sie hatte die regelmäßige Form eines länglichen Vierecks, welches eine Hauptstraße durchschnitt. Am Nordende derselben will man Ruinen des Mausoleum des Antinous erkennen, am Südende steht noch der Rest eines Prachttempels mit einem großen korinthischen Porticus. Säulenhallen zogen sich längs den Straßen hin, von denen drei die Stadt in ihrer Breite durchschnitten. Am Nilhafen erhob sich ein Triumfbogen mit drei Toren auf korinthischen Säulen, Reiterstatuen standen zu den Seiten. Der Aufwand von Säulen in Antinoopolis muß erstaunlich groß gewesen sein. Da, wo sich die Hauptstraßen kreuzten, erhoben sich Ehrensäulen, von denen später eine dem Alexander Severus und seiner Mutter geweiht wurde, wie die Inschrift des Piedestals besagt. Ruinen von Bädern, eines Circus und Gymnasium liegen außerhalb der Stadt, welche einen offenen und heiteren Charakter gehabt haben muß.

Hadrian zeichnete Antinoe auch dadurch aus, daß er ihr eine griechische Gemeindeverfassung verlieh. In ihr allein wird unter den griechischen Städten Aegyptens ein Senat bemerkt. Um ihr auch durch Handel und Verkehr eine Zukunft zu schaffen, ließ er eine mit Brunnen, Wachttürmen und Stationen versehene Straße nach Berenike bauen. Da Plinius die Straße von Koptos nach Berenike beschrieben hat, so scheint die neue hadrianische nach dem nächsten Hafen, etwa nach Myos Hormos geführt zu haben und dann längs des roten Meeres nach Berenike fortgegangen zu sein.Mariette entdeckte zu Sheikh Abad, dem alten Antinoe, eine hadrian. Inschrift vom 25. Febr. 137, welche diese Straße bezeugt; E. Miller, Rev. Archeol. N. S. XXI, 1870, S. 314.

Hadrian verschönerte selbst noch das an Monumenten reiche Alexandria. Alexandrinische Münzen zeigen einen Tempel mit den Gestalten des Serapis und des Kaisers und dem Wort Adrianon. Es gab also auch in Alexandria ein Hadrianeion, welches später in ein Gymnasium und dann in eine christliche Kirche verwandelt wurde.Greppo S. 222 nach Epiphan. Haeres. XIX, 2. op. I, 728. Man hat Kaisercartouchen Hadrians auf Tempelresten zu Denderah, Esneh und Medinet Habu gefunden, woraus man schließen darf, daß er dort sogar im herkömmlichen ägyptischen Stil gebaut hat, wie vor ihm die Ptolemäer.Champollion, Lettres écrites d'Egypte, S. 92; bei Greppo S. 221. Auch an den berühmten Porphyrbrüchen bei Djebel Dokham hat man in den Ruinen einer befestigten Stadt und eines nicht vollendeten Tempels griechische Inschriften aus der Zeit Hadrians gefunden.Letronne, inscr. d'Egypte I, 418.

Da sich der Kaiser die Gelegenheit zu Bauten meist auf seinen Reisen nahm, so darf man nur diesen folgen, um seine Denkmäler aufzusuchen. Wenn man Rom ausnimmt, so scheint er für die westlichen Provinzen des Reichs weniger gethan zu haben als für die östlichen. Der Grund liegt vielleicht darin, daß der Orient durch seine herrlichen und berühmten Städte ihn mehr reizte, Monumente seiner Regierung dort zurückzulassen.

Eine große Menge von Tempeln baute er in Asien, und vielen gab er keine Bestimmung. Sie wurden deshalb noch in späteren Zeiten einfach Hadrianstempel genannt.Spart, c. 13. Solche götterlose Tempel sind von dem eiteln Kaiser wol für seinen eigenen Cultus ausersehn gewesen.

Zu ihnen gehörte auch der Tempel zu Cyzikus, welcher so prächtig war, daß er den sieben Wunderwerken beigezählt wurde. Erst Marc Aurel hat ihn im Jahre 167 seinem Vorgänger Hadrian geweiht und vielleicht auch vollendet. Seine Säulen, Monolithe, vier Ellen dick und fünfzig Ellen hoch, leuchteten von der Höhe über der Propontis gleich einem Pharus. Aristides hat den Tempel in seiner Einweihungsrede verherrlicht und ihn den schönsten genannt, welchen Menschen gesehen haben. Noch dauern seine Reste.Aristid. I, 382 sagt nicht, von wem er gebaut war. Cedrenus S. 437; Malalas S. 279, das Chron. paschale 254 schreiben ihn Hadrian zu. Malalas behauptet, daß er auf dem Dach seine Statue mit einer Inschrift aufstellen ließ, und setzt hinzu ύπερ εστὶν έως τη̃ς νυ̃ν. Die hadr. Münzen von Cyzikus haben nicht das Abbild des Tempels, dagegen hat ihn eine des Antoninus Pius, Mionnet II, 540. Ueber diesen Tempel und seine Ruinen Perrot et Guillaume, Le temple d'Adrien à Cyzique, und Explorat. archéol. de Galatie etc. Siehe auch Marquardt, Cyzikus und sein Gebiet, S. 131.

Mit Theatern, Bädern, Gymnasien und Wasserleitungen bereicherte Hadrian viele Städte in Griechenland und Asien. Jerusalem gründete er neu; Stratonikea, Nikäa und Nikomedia stellte er wieder her.Stratonikea war eine Neugründung Hadrians zu nennen; sie nannte sich Adrianopolis. Stephan. Byzanz. zu dieser Stadt. Der Stadt Smyrna schenke er an einem Tage eine Million; davon baute sie einen Getreidemarkt, ein Gymnasium, welches an Schönheit alle andern Asiens übertraf und ihm selbst einen Tempel auf dem Vorgebirge. In Ephesus baute er einen Tempel dem Genius Roms, der ja auch sein eigener war; in Alexandria Troas eine Wasserleitung, in Trapezunt einen Hafen.


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