Sagen aus Bayern
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Die Wirtin von Schweinau

In Schweinau lag die Frau eines Wirtes, der nebenbei auch Metzger und Milchmann war, in den letzten Zügen. Sie war ihr Leben lang habsüchtig und geizig gewesen und blieb es auch noch auf ihrem Sterbelager. Anstatt an den Tod zu denken und sich auf das Jenseits vorzubereiten, hatte sie noch über allerlei Hausgeschäfte mit ihrem Gesinde zu reden. Eben war gemolken worden, und die Milch sollte zum Bäcker gebracht werden, da rief sie unter Aufbietung ihrer letzten Kräfte: »Bub, in die Maß Bäckermilch gehört immer ein Glas Wasser!« Nach diesen Worten verschied die Frau.

Bald darauf ging,s im Hause um. Alle Dienstboten sahen die Frau, nur ihr Mann nicht, obwohl er es wünschte. Endlich wurde er einmal nachts durch leises Stöhnen und Winseln aus dem Schlaf geweckt, und als er aufstand, sah er sein Weib, wie es leibte und lebte, im großen Lehnstuhl hinter dem Ofen sitzen. Es hatte ein großes Tuch in der Hand, womit es beständig seine tränennassen Augen trocknete.

»Liebes Weib«, fragte der Mann erschrocken, »warum kannst du die ewige Ruhe nicht finden?«

Darauf entgegnete die Frau: »An der Fleischwaage ist ein Haken, der ist zu schwer. Was ich für deine Kinder beiseite gelegt habe, das nimm aus der Truhe und gib es den Vormundskindern. Diese beiden Vergehen kannst du noch gutmachen. Daß ich aber beim Milchschank immer den Daumen ins Maßblech gehalten habe, kannst du nimmer gutmachen, und deswegen habe ich keine Ruhe im Grabe.«

Und so muß es wohl sein, denn noch immer will man in Schweinau das Jammern und Wimmern der Verstorbenen aus Grabestiefe hören.

 


 


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