Sagen aus Bayern
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Der kluge Mann

In früher Zeit wohnte in dem Wirtshause der Witwe Hauberstroh zu Dörflas, ein Dorf im Fichtelgebirg, bei dem Markte Redwitz, von welchem es durch die Kössein getrennt ist, ein Hagen, angeblich ein Gastwirt und Bierbrauer, welchem mehrere Sachen entwendet wurden, worüber er so sehr in Harnisch kam, daß er beschloß, dem Dieb das nächstemal den Tod antun zu lassen. Bald darauf kam im Hause eine silberne Kette abhanden. Hagen ritt zum Klugen Mann, welcher den Tod antun konnte. Dieser riet ihm ab, aber er beharrte. Der Kluge Mann sagte ihm nun, wer ihm zuerst im Hofe begegnen werde, habe die silberne Kette. Wie er in seinen Hof hineinritt, kam ihm sein eigenes Kind entgegengelaufen, das sich auf die Ankunft seines Vaters gefreut und ihn erwartet hatte. Es erkrankte aber plötzlich, und als man es entkleidete und in sein Bettchen legte, fand man die silberne Kette, mit welcher es gespielt hatte, in seinem Täschchen. Hagen ritt nun eilig zum Klugen Mann zurück, um den Tod von seinem Kinde abzuwenden; aber das konnte der Kluge Mann nicht, und als er nach Hause kam, war es schon tot. Sein Nachfolger, auch ein Hagen, hatte zwölf Kinder, welche alle zwischen einem und fünf Jahren starben. Auf dem Platze, wo jetzt das Wirtshaus steht, war ein adeliger Hof. Das, behauptete die Erzählerin dieser Sage, Witwe Haberstroh, sei gewiß; denn im Garten lagen noch zwei Särge in einer Gruft, einer von Kupfer, der andere von Zinn. Als sie und ihr Mann das Haus erworben hätten, habe man in der ganzen Gegend geglaubt, sie würden kein Kind am Leben erhalten; ihre Kinder seien aber bis jetzt alle gesund.

Auf dem Kirchhof zeigt man einen Grabstein, auf welchem ein Hagen mit seinen zwölf Kindern, von welchen fünf noch in Wickeln sind, ausgehauen ist.

 


 


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