Sagen aus Bayern
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Der Teufel im Sack

In Gräfendorf war eine Frau als Hexe verschrien, und die Leute sagten ihr nach, sie stehe mit bösen Mächten und Geistern im Bunde. Zur gleichen Zeit gab es im Wiesengrund einen Bauernhof, auf dem sich geheimnisvolle Dinge abspielten. jeden Morgen, wenn der Bauer die Arbeit beginnen wollte und in den Stall kam, waren die Schwänze sämtlicher Pferde zu Zöpfen geflochten. Man glaubte, daß Geister, Teufel und Hexen in der Nacht kämen und die Schwänze zu Zöpfen binden würden.

Um hinter das Geheimnis zu kommen, legte sich der Bauer eines Nachts auf die Lauer. Tatsächlich erschien zu mitternächtlicher Stunde eine abscheuliche Teufelsgestalt, die die Pferdeschwänze zusammenflocht und dann wieder verschwand. Der Bauer wollte den Unhold fangen, er wußte aber, daß dies nur mit einer List gelingen könnte. Er überlegte sich folgendes: »Wenn ich Türen und Fenster im Stall fest verschließe und alle Ritzen zustopfe, bleibt nur noch das Schlüsselloch, durch das der Teufel entkommen kann. Wenn ich dann einen Sack vor das Loch halte, schlüpft er hinein und ich habe ihn.«

Am nächsten Morgen machte er sich mit seinem Knecht ans Werk; sie verstopften alle Fugen, Ritzen und Löcher, nur ein Schlüsselloch blieb frei. Am Abend warteten sie auf Mitternacht, und als die Turmuhr zwölfmal schlug, kam das Ungeheuer wie ehedem in den Stall und machte sich ans Werk. Als die Stunde der Geister zu Ende ging, fand der Teufel keinen anderen Weg nach draußen als durch das Schlüsselloch; und schon war er im Sack gefangen. Der Bauer und der Knecht verschnürten den Sack gut, schlugen dann mit Knüppeln, Prügeln und Stangen nach Kräften auf das Bündel so lange ein, bis der Geprellte jämmerlich schrie und um sein Leben bettelte. Als sie ihm genug Prügel verabreicht hatten, ließen sie ihn aus dem Sack schlüpfen und jagten ihn davon. – Am nächsten Tag hatte die Frau, von der man sagte, sie sei eine Hexe, einen verbundenen Kopf. Zudem hinkte sie und war mit blauen Flecken übersät. Die Pferde und der Bauer aber hatten von diesem Tag an ihre Ruhe.

 


 


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