Sagen aus Bayern
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Von dem Böckler

Ein Dillinger, der aus Italien kommend wieder nach Deutschland reiste, fiel, als das Schiff auf welchem er sich befand, nur kurze Zeit den Hafen verlassen hatte, mit allen seinen Reisegefährten in die Hände mohammedanischer Seeräuber, die ihn auf dem Sklavenmarkte in Algier verkauften, an einen grausamen Herrn. Der Unglückliche wurde zur härtesten Arbeit angehalten, an schwere Ketten geschmiedet und mußte mit einem Trupp Leidensgefährten selbst bei brennender Sonnenhitze nur mit einigen Lumpen bedeckt, das Land bebauen. Es vergingen Jahre des Elends und endlich gab er jede Hoffnung auf, jemals wieder in sein geliebtes Vaterland zu kommen. Da fügte es sich, daß in Geschäften, in welchen hat die Sage nicht erwähnt, ein vornehmer Herr, der sich entweder lange in Dillingen aufgehalten oder vielleicht hier geboren war, nach Algier und zu dem Herrn des Sklaven kam. Durch Gottes Fügung kam er mit letzteren zusammen und erstaunte nicht wenig, als ihm dieser Deutschland, Dillingen als seine Heimat bezeichnete. »Um der teuern Stadt willen«, sprach der vornehme Herr, »wollte ich dich gerne loskaufen: doch gib mir einen Beweis, daß du wirklich ein Dillinger bist! Sag an, was hat die Uhr am mittlern Torturm für ein Zeichen?« – »Sonne, Mond und Sterne sind an ihr angebracht«, entgegnete hastig der Sklave, und erzählte dem fremden Herrn eine Menge Umstände, welche die Wahrheit seiner Heimatsangabe bekundeten. Um eine große Summe Geldes kaufte ihn nun der Herr vom Sklavenstande los und stattete ihn mit den Mitteln zur Heimreise aus. Er kam auch glücklich in seiner Vaterstadt Dillingen an, machte sich ansässig und wurde bald ein angesehener begüterter Mann. Zur Erinnerung an seine überstandenen Leiden und seine unverhoffte Erlösung ließ er unterhalb der Uhr am mittlern Tor zwei Böcke anbringen, die mit dem Uhrwerke in Verbindung stehen, zugleich auch als Anspielung auf seinen Namen, denn er soll »Böckler« geheißen haben.

 


 


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