Sagen aus Bayern
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Der betrügerische Anwalt von München

Vor vielen Jahren starb zu München ein Advokat, der sein Leben lang ein arger Rechtsverdreher und Beutelschneider gewesen war. Er hatte sich nie ein Gewissen daraus gemacht, Witwen und Waisen um ihr gutes Recht zu bringen, wenn er dafür bezahlt wurde.

Nach seinem Tode trug sich etwas ganz Absonderes zu. Nachdem der Leichnam aufgebahrt war und man zwei Lichtlein angezündet und ein Kruzifix dazwischen gestellt hatte, gingen die Leute, wie es Brauch war, aus und ein, den Toten anzuschauen. Geweint hat aber niemand. Vor dem Hause waren viele Menschen versammelt, murmelten dies und das, und Gott wolle seiner armen Seele gnädig sein.

Auf einmal rauschte etwas durch die Luft, zwei großmächtige Raben flogen ans Fenster und hackten so lange mit ihren Schnäbeln drauflos, bis die Scheiben klirrend in Trümmer gingen und zum Erstaunen des Volkes – ein schwarzer Vogel aus dem Zimmer herausflog.

Während die Menge auseinanderstob, flogen die drei Raben davon. Im Totenzimmer waren plötzlich die Lichter erloschen und das Kruzifix umgestürzt. Gleich darauf soll auch der Leichnam über und über schwarz geworden sein.

Angsterfüllt vor all dem Geschehen, ging niemand hinter dem Sarg, als der gewissenlose Anwalt zur letzten Ruhe bestattet wurde.

 


 


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