Sagen aus Bayern
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Der Künigenbrunnen

In dem Waldtal, durch welches man von Eschau nach Wildensee geht, ist ein Brunnen von seltsamer Beschaffenheit. Sein Wasser ist nicht gut zu trinken: es ist ungesund und hat einen bitteren Geschmack. – Das kommt von den bittern Kummertränen, die einmal in diesen Brunnen sind geweint worden.

Es ist nämlich in der uralten Zeit, als von Eschau noch kein Haus stand, sondern nur das Schloß auf der Wiese zwischen dem Schleifbächlein und der Elsava, welches jetzt spurlos verschwunden ist, eine Königin durchs Tal gegangen – in großem Leide. Ihr Gemahl war geblieben im Krieg, ihre Kinder in Feindesgewalt geraten. Drei Tage lang war sie schon durch den Wald geirrt, ihre Kleider waren zerrissen von den Dornen, und ihre Füße wund vom harten Gestein, und die Augen brannten ihr im Kopfe, denn sie hatte noch keine Träne weinen können. Da legte sie sich nieder unter den Buchen neben dem Brunnen und meinte, das Herz müsse ihr zerspringen vor großem weh, Gott aber hatte endlich Mitleid mit ihr: sie hielt ihr brennendes Gesicht in den kühlen Quell, und ihre Zähren lösten sich und rannen hinein. Seit dem schmeckt der Brunnen nach den Tränen der Königin und heißt der Künigenbrunnen. Was es aber für eine Königin gewesen ist, weiß man nicht.

 


 


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