Sagen aus Bayern
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Dreisesselberg

Dreisesselberg heißt der hohe Berg im Bayerischen Wald, an der Böhmischen Grenze. Er erhebt sich 3798 Pariser Fuß über die Meeresfläche. Drei Schwestern hatten auf demselben ihr Schloß und einen ungeheuren Schatz, welchen sie teilen wollten. jede kam mit ihrem Bottig (Bodinga). Eine der drei Schwestern war blind. Sie stellten nun die Bottige auf, aber den Bottig der Blinden mit dem Gupf nach oben. Nun füllten sie die Bottige mit der Wurfschaufel, wobei aber auf die Blinde nur so viel Geld traf, als auf dem umgekehrten Bottig Raum hatte. Diese klopfte aber mit dem Finger an die Wand des Bottigs, und als dieser einen hohlen Klang gab und sie den Betrug merkte, sprach sie: »Alles soll versinken!« So geschah es. Zu heiligen Zeiten steigen sie aus der Tiefe und jede sitzt auf ihrem Sessel.

In den See an dem Dreisesselberg sind viele Geister verschafft, die als wilde Tiere darin hausen. Scheiterhauer hörten die Stimme »alles is do, alles is do! nur der stuzet Stier geht o«. Steine in den See geworfen erregen Sturm und Regen; ein goldner Ring beschwichtiget ihn.

Auf den Dreisesselberg ist im Jahr 1848 vom k. Forstamte ein bequemer Weg gebahnt worden. – Es wird erzählt, daß zur Zeit, als die Fürsten ihre Zusammenkunft auf dem Dreisesselsteine hielten, in den Burgen zu Wolfstein, Hauzenberg und Riedl drei wunderholde Fräulein lebten. Um diese warben drei junge Edelleute aus dem Gefolge der Fürsten, ein Bayer, ein Österreicher und ein Böhme. Aber die Fräulein waren eben so hoffärtig als liebreizend, und ihr Sinn stand nach gräflichen oder wohl gar fürstlichen Freiern, weshalb ihnen die schlichten Ritter nicht gelegen kamen. Um diese abzuschrecken, setzten sie den Preis ihrer Schönheit über die Maßen hoch hinauf und stellten den Jünglingen schier unerfüllbare Bedingnisse. Gleichwohl nahmen die Ritter die harten Satzungen an, denn die Liebe deucht keine Aufgabe zu schwer. Sie empfingen nun aus der Hand der Fräulein jeder ein goldenes Fingerreiflein. Damit sollten sie sich, wenn sie ihre Abenteuer glücklich durchgekämpft, von heute an übers Jahr, am Abende vor dem Dreikönigsfeste, gemeinsam auf dem Dreisesselstein einfinden. In der Mitternachtsstunde würden sodann auf den Warten der drei Burgen Freudenfeuer auflodern, zum Zeichen, daß man der Bräutigame in Jubel harre. Die Ritter zogen nun in den Gauen herum, bestanden manchen heißen Strauß, kämpften mit Riesen und Drachen, und nachdem sie alles, was ihnen geboten war, pünktlich vollführt, arbeiteten sie sich an dem bestimmten Tage mühsam durch den tiefen Schnee zum Dreisesselberge hinan, um auf dem Gipfel desselben die versprochenen Zeichen abzuwarten. Eine Ewigkeit schien ihnen die Zeit bis zur Mitternacht; diese kam und verrann – aber nirgends brannten die ersehnten Feuer. Die Ritter vermerkten jetzt – zu spät – daß sie geäfft seien, und voll Unmutes zogen sie die Ringe von den Fingern und warfen sie, jeder nach einer andern Himmelsgegend, in die mit Schnee bedeckten Abgründe. Darauf zogen sie von dannen auf Nimmerwiederkommen. Die stolzen Dirnen aber führte kein Freier zum Altare. Sie welkten dahin in den freudenleeren Mauern ihrer Schlösser und sanken ins Grab, ohne auch dort Ruhe zu finden. Denn alljährlich in der Dreikönigsnacht sieht man sie die Kuppe des Dreisesselberges umirren, vergeblich die klafterhohe Schneedecke nach ihren Ringen durchwühlend.

 


 


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