Sagen aus Bayern
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Der verhinderte Meineid

Ein junger Bauersmann aus Schweinheim hatte vertrauten Umgang mit einem Mädchen von da und wollte sie heiraten. Ehe aber die Kirche den Bund geheiligt hatte, ward das Mädchen Mutter; ihr Verlobter brach nun allen Umgang mit ihr ab, weigerte sich durch die Ehe gutzumachen, was er ihr Böses getan, und widersprach sogar, der Vater zu dem Kinde des Mädchens zu sein.

Das Mädchen war genötigt, zur Rettung ihrer Ehre eine gerichtliche Klage gegen ihren Verführer anzustellen. Im Vertrauen, daß er nicht so gottlos sein werde, einen falschen Eid zu schwören, schob sie ihm den Eid zu, daß er nicht der Vater ihres Kindes sei.

Schweinheim gehörte damals zu dem Unteramte Bessenbach, der Beamte hielt aber jede Woche einen Gerichtstag zu Schweinheim im Rathaus ab.

An dem bestimmten Tage erschienen die Klägerin und der Beklagte im Rathaus. Das Schwören kam zu jener Zeit nicht so häufig vor, als in der unsrigen; die Abnahme eines Eides war deshalb eine sehr feierliche Handlung. Auch in dem Rathaus zu Schweinheim war ein mit schwarzem Tuch bedeckter Tisch aufgestellt worden, worauf sich zwei brennende Kerzen und zwischen ihnen das Bild des Gekreuzigten befanden. Der Richter belehrte den Beklagten über die Heiligkeit des Eides und die schweren Folgen des Meineides, allein es rührte ihn alles nicht, und er bestand darauf, daß er den Eid ableisten könne, und es ward zur Abnahme geschritten. Eben hatte der Beklagte dem Richter nachgesprochen. »Ich schwöre« – da stürzte von der Zimmerdecke der Verputz herunter und gerade auf den Beklagten. Vor Schrecken brach er zusammen und lag unter Schutt und Staub halb vergraben. Er war unverletzt, aber sein Gewissen war ergriffen. Ehe er sich noch erhob, rief er: »ja, ich bin's, ich bin's; ich hätt' falsch geschworen. Lise, ich heirate dich!« – und so geschah's auch.

 


 


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