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Belsazzar's Gesicht.

Von Byron.

Der König thront; es sitzen
Die Großen rings im Saal;
Viel tausend Lampen blitzen
Beim festlich hohen Mahl.
Viel tausend Becher klirren,
Sie sündig zu entweihn;
Es schäumt in den Geschirren
Jehova's – Heidenwein!

Da regte sich zur Stunde
Urplötzlich eine Hand,
Und auf dem Mauergrunde
Schrieb sie gleich wie auf Sand;
Vom Arm schien ganz sich trennend
Die Hand, die sich erhub,
Die längs der Lettern rennend
Fremdartige Züge grub.

Dem König wurde bange,
Da rings die Lust verschwebt,
Blutlos ward seine Wange
Und seine Stimme bebt:
»Schickt aus nach weisen Leuten,
Den Kundigsten der Welt,
Daß sie das Zeichen deuten,
Das unser Mahl vergällt!«

Geschickt sind die Chaldäer,
Doch sie errathen's nicht,
Verhüllt blieb jedem Späher
Das schreckliche Gesicht.
Selbst Babels kluge Greise
Entbehrten hier des Lichts,
Die immer sonst so weise,
Sie sahn und wußten Nichts.

Nur ein gefang'ner Knabe
Aus einem fernen Land
Besaß die Wundergabe,
Daß er die Schrift verstand.
Die Lampen brannten helle,
Er hat die Schrift erklärt,
Und was er las zur Stelle
Der Morgen hat's bewährt.

Belsazzar's Grab ist offen,
Sein Königreich vergeht;
Und jäh vom Blitz getroffen
War er als Staub verweht.
Sein Purpur ward zum Flore,
Sein Thron zum Leichenstein,
Der Meder nahm die Thore,
Den Thron der Perser ein.

A. Böttger.

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