Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Sonette.

Von Shakspeare.

I.

Daß du geschmäht wirst, nicht verübl' ich's dir;
Denn stets war Anmuth der Verläumdung Ziel.
Verdacht und Argwohn sind des Schönen Zier,
Im Himmelblau ein schwarzes Krähenspiel.
Wenn gut du bist, bewährt Verläumdung deine Güte
Nur desto reiner, weil dich Welt umkost:
Denn Lasters Wurm liebt sich die schönste Blüthe,
Und dein Herz zeigt sich rein und fleckenlos.
Durch Jugendhinterhalte bist du dicht
Bald unberührt, bald siegreich durchgedrungen;
Und dennoch fesselt dieser Ruhm dir nicht
Die ewig losgelassnen, bösen Zungen.
Du Einer müßtest, ohne schlimmen Schein,
Von Herzenskönigreichen Meister sein.

II.

Wenn ich gestorben, traure länger nicht,
Als dumpfer Grabesglocken Trauerton
Der Welt von meinem Scheiden gibt Bericht,
Und daß zu armen Würmern ich entflohn.
Ja, liesest du dies Wort, vergiß die Hand,
Die's niederschrieb; denn so sehr lieb' ich dich,
Daß ich mich gern aus deinem Sinn verbannt',
Empfändest du im Denken Leid um mich.
O, kommt dir, ruf' ich, dieser Vers ins Haus,
Erst lang vielleicht nach meines Leibs Vermodern,
Sprich meinen armen Namen selbst nicht aus,
Laß mit dem Leben Liebe gleich verlodern:
Sonst prüft die kluge Welt der Thränen Sinn,
Und höhnt dich um mich, wenn ich nicht mehr bin.

III.

O, daß die Welt dir nicht mit Fragen droht,
Welch ein Verdienst du in mir lieben können,
Vergiß mich, Lieber, ganz nach meinem Tod;
Denn nichts Vollkommnes kannst du an mir nennen:
Es wäre denn, daß fromme Lügen du
Erfändest, mehr als mein Verdienst ertrüge,
Mit Kränzen schmücktest meine Todtentruh',
Die karge Wahrheit gern herunterschlüge.
O, daß nicht falsch dein wahres Lieben nun,
Wenn du nur Liebe lögest, wird erfunden,
Laß bei dem Leibe meinen Namen ruhn!
Und beiden zum Gewinn sei er verschwunden.
Denn meine Früchte sie beschämen mich;
Und so wär' Tand zu lieben Schmach für dich.

IV.

Die Zeit der Jahre kannst du an mir seh'n,
Wenn, kaum mit wenig gelbem Laub behangen,
Die Zweige zittern in der Fröste Weh'n,
Verfallnen Chören gleich, wo einst die Vögel sangen.
Ein solches Dämmerlicht stell' ich dir vor,
Wie wenn die Sonne sank, im Westen bleichet;
Allmälig hüllt's die Nacht in trüben Flor,
In Todes Schein, der alles Leben scheuchet.
Du siehst in mir des Feuers Ueberdruß,
Das auf der Asche seiner Jugend liegt,
Wie auf dem Todbett, wo es sterben muß,
Und an dem Stoff, der es ernährt, versiecht.
Du siehst es ein, und deine Lieb' umfaßt
Noch feuriger, was du nicht lang' mehr hast.

Regis.

—————

 


 << zurück weiter >>